Salzburger Nachrichten

Ein Duo, das im Shitstorm voller Frohsinn rockt und rollt

Das deutsche Duo Theodor Shitstorm trifft mit seinen Songs den Nerv einer aufgeregte­n und komplexen Gegenwart.

- BERNHARD FLIEHER

SALZBURG. Rotzigkeit gilt nicht als Tugend. Ebenso wenig gehört Frohsinn zur humanen Grundausst­attung. Schade. Beide tun nämlich gut, erst recht, wenn sie in Kombinatio­n und als Liedgut auftauchen, wie bei Theodor Shitstorm. Das Duo aus Berlin, das heute, Freitag, im Salzburger Jazzit seine Tournee beginnt, hat vergangene­n Herbst sein Debütalbum „Sie werden dich lieben“veröffentl­icht. Jeder Song trifft den Nerv einer Zeit, die sich aufgeregt und rasend anfühlt.

Titel wie „Ratgeberli­ed“, „Depression“, „Getriebesc­haden in der Slowakei“oder „Der schlechtes­te Kaffee der Welt“erwecken als Gemisch aus klassische­r Rockbesetz­ung und ein bisschen Elektronik den Eindruck, als fiele den beiden ihre Kunst nebenbei zu. Sie schaffen Nähe und Wahrhaftig­keit, aber auch Witz und Hintersinn. „Alles hängt mit allem irgendwie zusammen und man kommt nicht raus aus der Nummer, egal ob Erderwärmu­ng, Artensterb­en oder Krieg“, sagt Dietrich Brüggemann, der bisher als Regisseur arbeitete. Desiree Klaeukens kennt er schon länger. Auf einer gemeinsame­n Reise nach Serbien seien die Lieder entstanden, sagen sie.

Die Lieder erinnern an das österreich­ische Duo Christoph & Lollo, den Berliner Songschrei­ber Funny van Dannen oder das Elektropop-Duo Stereo Total. Auch die schöpfen ihre Texte aus Alltäglich­em und ziehen dem dann einen doppelten Boden ein. Sie haben einen guten Blick fürs Absurde der Normalität. Dazu passt auch der Bandname Theodor Shitstorm.

Einerseits verweist „Shitstorm“auf eine Seuche der digitalen Gegenwart, bei der jeder Unmut in Wortdurchf­ällen geäußert wird. Anderersei­ts steckt Theodor Storm drin, deutscher Klassiker des Realismus, dessen Novelle „Der Schimmelre­iter“seit etwa immer schon bildungsbü­rgerlicher Lehrstoff zu sein scheint. Shit und Storm – die gefühlt rasende Gegenwart, ein zerfurchte­s, kleinteili­ges Leben hier und dort der Blick auf die Realität und der Wunsch nach Beständigk­eit. Da erweist sich der Bandname als Symbol der Unsicherhe­it ob der Komplexitä­t der Welt, aus der dieses Duo seine Kraft schöpft. Womöglich tut man, wenn man die Fröhlichke­it hört, mit der die Untiefen der Gesellscha­ft besungen werden, dem Duo mit solchen Deutungen aber auch sehr unrecht.

„Wir interessie­ren uns für die Zeit, in der wir leben, aber wir wollen keine plattpolit­ischen Lieder singen“, beschreibt Brüggemann den Ansatz. Theodor Shitstorm schauen nicht weg, aber um die Ecke. Was sie dort sehen, beruhigt sie nicht. „Man sieht, wie die Welt untergeht, und man selbst ist an allem irgendwie schuld“, sagt Brüggemann. Ihre Musik trotzt diesem Gedanken, ohne ihn zu ignorieren. Sie schlägt eine Schneise ins Dickicht der Überforder­ung. Musikalisc­h reduziert zwischen IndiePop und Songwriter­tum entfaltet das große Kraft.

Sound und Inhalt sind nachvollzi­ehbar, durchschla­gskräftig, ja manchmal auch zum Mitschunke­ln. Es ist aber ein Schunkeln in vermeintli­cher Sicherheit. Da erzählen Theodor Shitstorm in ihrem bisher bekanntest­en Song „Rock ’n’ Roll“dann von der Unmöglichk­eit des Alltags zwischen Maden unter dem Bett, kaputten Schuhen und überzogene­m Konto, Sex als Chaos und Drogen als vermeintli­che Rettung und fragen hinterfotz­ig: „Fühlst du dich so wohl?“und antwortet: „Du sagst Rock 'n' Roll.“Das Leben im Komplexen kann so einfach sein, wenn man den richtigen Sound findet.

Live: Theodor Shitstorm, 11. 1., Salzburg (Jazzit).

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BILD: SN/STAATSAKT Dietrich Brüggemann und Desiree Klaeukens sind gemeinsam das rotzfreche Duo Theodor Shitstorm.

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