Ein Duo, das im Shitstorm voller Frohsinn rockt und rollt
Das deutsche Duo Theodor Shitstorm trifft mit seinen Songs den Nerv einer aufgeregten und komplexen Gegenwart.
SALZBURG. Rotzigkeit gilt nicht als Tugend. Ebenso wenig gehört Frohsinn zur humanen Grundausstattung. Schade. Beide tun nämlich gut, erst recht, wenn sie in Kombination und als Liedgut auftauchen, wie bei Theodor Shitstorm. Das Duo aus Berlin, das heute, Freitag, im Salzburger Jazzit seine Tournee beginnt, hat vergangenen Herbst sein Debütalbum „Sie werden dich lieben“veröffentlicht. Jeder Song trifft den Nerv einer Zeit, die sich aufgeregt und rasend anfühlt.
Titel wie „Ratgeberlied“, „Depression“, „Getriebeschaden in der Slowakei“oder „Der schlechteste Kaffee der Welt“erwecken als Gemisch aus klassischer Rockbesetzung und ein bisschen Elektronik den Eindruck, als fiele den beiden ihre Kunst nebenbei zu. Sie schaffen Nähe und Wahrhaftigkeit, aber auch Witz und Hintersinn. „Alles hängt mit allem irgendwie zusammen und man kommt nicht raus aus der Nummer, egal ob Erderwärmung, Artensterben oder Krieg“, sagt Dietrich Brüggemann, der bisher als Regisseur arbeitete. Desiree Klaeukens kennt er schon länger. Auf einer gemeinsamen Reise nach Serbien seien die Lieder entstanden, sagen sie.
Die Lieder erinnern an das österreichische Duo Christoph & Lollo, den Berliner Songschreiber Funny van Dannen oder das Elektropop-Duo Stereo Total. Auch die schöpfen ihre Texte aus Alltäglichem und ziehen dem dann einen doppelten Boden ein. Sie haben einen guten Blick fürs Absurde der Normalität. Dazu passt auch der Bandname Theodor Shitstorm.
Einerseits verweist „Shitstorm“auf eine Seuche der digitalen Gegenwart, bei der jeder Unmut in Wortdurchfällen geäußert wird. Andererseits steckt Theodor Storm drin, deutscher Klassiker des Realismus, dessen Novelle „Der Schimmelreiter“seit etwa immer schon bildungsbürgerlicher Lehrstoff zu sein scheint. Shit und Storm – die gefühlt rasende Gegenwart, ein zerfurchtes, kleinteiliges Leben hier und dort der Blick auf die Realität und der Wunsch nach Beständigkeit. Da erweist sich der Bandname als Symbol der Unsicherheit ob der Komplexität der Welt, aus der dieses Duo seine Kraft schöpft. Womöglich tut man, wenn man die Fröhlichkeit hört, mit der die Untiefen der Gesellschaft besungen werden, dem Duo mit solchen Deutungen aber auch sehr unrecht.
„Wir interessieren uns für die Zeit, in der wir leben, aber wir wollen keine plattpolitischen Lieder singen“, beschreibt Brüggemann den Ansatz. Theodor Shitstorm schauen nicht weg, aber um die Ecke. Was sie dort sehen, beruhigt sie nicht. „Man sieht, wie die Welt untergeht, und man selbst ist an allem irgendwie schuld“, sagt Brüggemann. Ihre Musik trotzt diesem Gedanken, ohne ihn zu ignorieren. Sie schlägt eine Schneise ins Dickicht der Überforderung. Musikalisch reduziert zwischen IndiePop und Songwritertum entfaltet das große Kraft.
Sound und Inhalt sind nachvollziehbar, durchschlagskräftig, ja manchmal auch zum Mitschunkeln. Es ist aber ein Schunkeln in vermeintlicher Sicherheit. Da erzählen Theodor Shitstorm in ihrem bisher bekanntesten Song „Rock ’n’ Roll“dann von der Unmöglichkeit des Alltags zwischen Maden unter dem Bett, kaputten Schuhen und überzogenem Konto, Sex als Chaos und Drogen als vermeintliche Rettung und fragen hinterfotzig: „Fühlst du dich so wohl?“und antwortet: „Du sagst Rock 'n' Roll.“Das Leben im Komplexen kann so einfach sein, wenn man den richtigen Sound findet.
Live: Theodor Shitstorm, 11. 1., Salzburg (Jazzit).