Ein Bildmagier erzeugt Erinnerung
Das Filmarchiv Austria zeigt frühe Polaroids von Wim Wenders.
Als Regisseur ist Wim Wenders eine Legende. „Der Himmel über Berlin“, „Der amerikanische Freund“oder „Paris, Texas“sind Klassiker des Neuen Deutschen Kinos, deren eigenständige Bild- und Erzählsprache auch heute noch verblüfft. Sein Frühwerk wiederum lebt von der Zusammenarbeit mit dem kongenialen Drehbuchautor Peter Handke.
Als Fotograf dürfte der heute 73Jährige jedoch auch Cineasten noch Raum für Entdeckungen bieten. Das Filmarchiv Austria im Wiener Metro-Kinokulturhaus reichert seine Wim-Wenders-Personale mit Fotoarbeiten aus den 1960ern bis 1980ern an. „Das sind die Fotografien, die ich gemacht habe, bevor ich dachte, ich bin Fotograf“, umriss Wenders am Donnerstag den Charakter der gezeigten 70 Arbeiten, die sich zum nicht geringen Teil aus 3000 Polaroids rekrutieren, die erst vor wenigen Jahren in alten Zigarrenkisten wiedergefunden wurden.
„Fotografie gehörte zu meinem Leben wie Atmen, Kaffeetrinken oder Musikhören“, sagt Wim Wenders. Er habe damals noch nicht an eine Veröffentlichung gedacht, sondern das Fotografieren als persönliche Handlung begriffen: „Der Akt des Fotografierens war für mich eine Verstärkung des Erinnerungsvermögens.“
Wegen des Lichtschutzes sind nicht Originale ausgestellt, sondern Drucke, die teils massiv vergrößert wurden. Die Formate changieren zwischen Polaroid und Quadratmeter-Panorama. Der Alterung lässt die Instant-Fotos bisweilen wie Alte Meister mit gebrochenem Firnis erscheinen. Und dennoch tragen die Fotos eine Ambivalenz. Zu sehr ist in ihnen die Ästhetik des Filmemachers lesbar, überlagern sich die cineastischen Eindrücke mit den weiten Landschaften, Straßenszenen und poetischen Kompositionen, als dass der Betrachter nicht das Kinowerk mitbedenken müsste. Und doch sind die Bilder mehr als reine Filmstills.
„Eigentlich bin ich kein Melancholiker, sondern ein hoffnungsloser Optimist, der aber eine Welt sieht, die nicht so schön ist. Daraus ergibt sich vielleicht das, was man als Melancholie sieht“, sinnierte Wenders über den Charakter seiner Bilder, der sich aus dem Ort als zentralem Parameter seiner Wahrnehmung speise: „Mich interessiert weder die Henne noch das Ei. Mich interessiert: Wo hat die das hingelegt? Ich finde, dass Orte eine unglaubliche Fähigkeit haben, über uns etwas zu erzählen.“
Das Medium Polaroid sei für ihn über zehn Jahre eine prägende Erfahrung gewesen. „Damals war es Science-Fiction, und von heute aus gesehen war es nur eine Phase. Es war ein poetischer Zwischenzustand.“Der Moment des Bild-in-der-Hand-Haltens und der Akt des Verschenkens seien für ihn Aspekte, die im Digitalen unwiederbringlich verloren seien. „Ich war lange Zeit der letzte Mohikaner – das Analoge ist aber in den letzten Jahren an sein Ende gekommen.“ Ausstellung: