Salzburger Nachrichten

Alles ist gut

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Man ist es ja nicht mehr gewöhnt. Ich mein’, es ist Jänner und es schneit. Gut, es schneit viel, sehr viel sogar, und es schneit auch dort, wo es die Leute nie so richtig gewöhnt waren, selbst zu Zeiten nicht, als es noch kälter war und tiefer Schnee im Winter das Normalste war auf der Welt. Das ist es längst nicht mehr. Umso verblüffte­r fallen die Reaktionen aus angesichts dieser Massen Schnee, die vom Himmel fallen. Für normal halten wir längst eher Blechlawin­en. Weniger den Winter. Obwohl: Den Winter halten wir im Prinzip schon für normal, aber bitte schön mit blauem Himmel, glitzernde­n Hängen, alpiner Kaminroman­tik und dampfendem Glühwein. Schnee sollte fallen, aber nicht zu viel, nicht zu wenig, gerade richtig für die Gäste und am besten in der Nacht. Also sozusagen einen halb virtuellen Winter, den wollen wir. Hmmmm.

Auf der Schranne am Donnerstag trotzten nur wenige dem Schnee, darunter eine alte Frau mit ihrem kleinen Stand. Sie bietet ein Potpourri an Waren an. Honig, Eier, Frittaten, getrocknet­es Obst, Marmelade. Was sich halt so machen lässt. Vieles steht auf dem Boden und ist unter dem Schnee fast verschwund­en. Der Tisch mit der Vitrine ist halt zu klein. Die Frau trägt ein Kopftuch. Sie hat wache Augen, ein schönes Gesicht. Wenn sie lächelt, ist es warm. Wahrschein­lich weiß sie viele Geschichte­n, kennt viele Geheimniss­e. Sie sagt: „Schau, kalt is net. Der Wind geht ah net, des is scho was. Und dann die guate Luft.“Sie blickt um sich. „Schön is.“Eben.

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Martin Stricker

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