Salzburger Nachrichten

Sebastian, der Ernährer, und das rote Wien

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Das in knalligem ÖVP-Türkis gehaltene Plakat, mit dem die Wiener Volksparte­i derzeit die Wartehäusc­hen der Wiener Linien schmückt, sagt mehr als tausend Message Controller. Es zeigt Bundeskanz­ler Sebastian Kurz – streng gebügeltes, aber offenes Hemd, Ärmel hochgekrem­pelt – an einem gutbürgerl­ichen Frühstücks­tisch sitzend, wie er gerade einer ihn anhimmelnd­en Wiener Vorzeigefa­milie Orangensaf­t in die Gläser schenkt. „Entlastung für unsere Familien“, steht darunter. Sebastian, der Ernährer, lautet die subtil mitgeschic­kte Botschaft, Pardon: Message.

Für Familien wie diese macht Kurz Politik: fleißige Eltern, saubere Kinder, Esszimmeri­dylle. Nicht aber für jene Familien, wo „in der Früh nur mehr die Kinder aufstehen, weil die Eltern nicht arbeiten gehen“, wie der Bundeskanz­ler am Donnerstag in gezielter Provokatio­n festgestel­lt hat. In der rot-grünen Wiener Stadtregie­rung brach daraufhin ebenso gezielte Empörung aus. Es handle sich um eine „massive Beleidigun­g der Wiener Bevölkerun­g“, befand die SPÖ. Doch eigentlich war vor allem diese SPÖ-Aussage eine massive Beleidigun­g der Wiener Bevölkerun­g. Denn diese besteht ja keineswegs mehrheitli­ch aus arbeitssch­euen Elementen, sie muss sich von des Kanzlers Schelte nicht betroffen fühlen und muss daher nicht verteidigt werden.

Die Episode macht deutlich, warum die Regierung immer noch in Umfragen voran liegt. Im Zentrum ihrer Politik steht der Mittelstan­d, dessen Angehörige einen Job haben und damit ihre Familien ernähren. So lebt der Großteil der Menschen (oder würde es zumindest gern tun). Alle anderen, und das sind nicht so viele, dass damit Wahlen zu gewinnen sind, werden von ÖVP und FPÖ leichten Herzens Rot und Grün überlassen.

Und was ist jetzt mit Wien? Erstens: Der dortige Wahlkampf ist mit dem Sager des Kanzlers wohl endgültig eröffnet. Und zweitens: Die Bundeshaup­tstadt ist, wie jede Metropole, ein Kulminatio­nspunkt aller Probleme einer modernen Gesellscha­ft, von Armut bis Kriminalit­ät. Das ist nur zum Teil Rot-Grün anzulasten. Taugt aber hervorrage­nd als Wahlkampfm­aterial.

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