Nackte erregen in Salzburg die Gemüter
In der Nachkriegszeit entstanden in der ganzen Stadt Kunstwerke im öffentlichen Raum. Eine Ausstellung erzählt ihre Geschichte.
SALZBURG. Studenten, Festspielgäste, Touristen: Wer heute im Sommer Abkühlung und Kontemplation im Furtwänglerpark sucht, nimmt die Kunst am Rasen und entlang des Arkadengangs als Dokument einer moderaten Moderne wahr. Vor knapp einem halben Jahrhundert taugten die Aktplastiken von Fritz Wotruba und Emilio Greco noch zum Aufreger.
1974 schenkte der Verleger Friedrich Welz die beiden Kunstwerke der Stadt, im öffentlichen Raum erregten sie schnell Unmut. Erzbischof Karl Berg mischte sich öffentlich in den Diskurs ein und forderte den Rektor der Theologischen Fakultät auf, die Plastiken entfernen zu lassen. Die weiblichen Körper seien obszön und daher für die Studenten schädlich und sittengefährdend. Grecos „Liegende“wurde in Folge beschmiert, der Schriftzug „Hure“zierte die Skulptur.
„Die Kunst war immer schon ein Stiefkind der Stadt“, sagt Gabriele Wagner, Leiterin der Stadtgalerie. Das Haus in Lehen widmet der Kunst im öffentlichen Raum, die in der Stadt Salzburg zwischen 1947 und 1975 entstanden ist, eine Ausstellung. Trotz des konservativen Klimas der Nachkriegsjahre konnten bedeutende Salzburger Künstler wie Wilhelm Kaufmann, Josef Magnus, Eva Mazzucco und Lucas Suppin Arbeiten schaffen, die bis heute Teil des Stadtbilds sind.
Das zeigt auch eine Fotowand, die die Längsseite der Stadtgalerie ausfüllt. Die Kunst am Bau ist nicht auf die Innenstadt beschränkt, sie ziert auch die Außenbezirke. 141 Objekte hat Fotograf Rainer Iglar abgelichtet und dabei auch das Ambiente des jeweiligen Stadtviertels im Blick gehabt. „Es ist wie ein riesiger Stadtplan, in den man hineinzoomt“, sagt Gabriele Wagner.
Eine Reihe hochrangiger Kunsthistoriker befasst sich im dazugehörigen Handbuch „Salzburg – Kunst im Stadtraum 1947 bis 1975“auch mit ungewollten und umgesie- delten Kunstwerken und mit Bezügen zur späteren Street Art. So entsteht das Bild einer Künstlergeneration, die sich auf Wohnhäusern, aber auch im Leopoldskroner Freibad kreativ verewigen konnte. Die Art und Weise der Auftragsvergabe von Stadt und Land könne mit heutiger Transparenz nicht mithalten, sagt Wagner. „Im Zuge der Recherchen kam zutage, dass es eine massive NS-Vergangenheit vieler Künstler gegeben hat. Das ist damals nicht thematisiert worden.“
Den Anstoßpunkt gab dem Projekt eine glückliche Fügung. Ein Haus in der Strubergasse 26 sollte abgerissen werden. „Die Bagger fuhren bereits auf, da entdeckten Bauarbeiter ein Kunstwerk auf der Fassade“, erzählt Gabriele Wagner. Es handelt sich um eine Ritzarbeit von Friedrich Inhauser, die gerettet werden konnte und in der Stadtgalerie samt Betonblock zu sehen ist. Auf die Frage, was mit Kunstwerken im öffentlichen Raum in Fällen eines Umbaus geschehen soll, gibt es keine Lösung.
„Es ist wie ein riesiger Stadtplan.“Gabriele Wagner, Stadtgalerie Salzburg
Ausstellung: „Salzburg – Kunst im Stadtraum 1947 bis 1975“, Stadtgalerie Lehen, bis 15. Februar.