Der Winter ist wider die Natur
Über den erfolgreichen Kampf der Natur gegen die Einfalt der Menschen.
Vor ein paar Jahren hat’s auch geschneit. Da saß ich in einem Pistenbully. Nachts. Ich fand’s gefährlich abenteuerlich. So beginnen Geschichten, die man am Ofen erzählt, hinter dem man nicht hervorkriecht, wenn es so wintert. Der Fahrer im Pistenbully sagte damals: „Der Winter ist das Problem.“Er sagt nicht, dass der Winter „ein“Problem sei. Ein Problem, das wäre in den Griff zu bekommen. Aber der Winter hat in seiner Natur, dass er tut, was er will, und oft ist das nicht das, was Pistenbullyfahrern das Leben erleichtert oder Seilbahnbetreiber und Hoteliers in ihre Prospekte schreiben. Ein Touristiker, oder war’s gar ein Tourismusexperte, saß dann am Frühstückstisch nach der nächtlichen Pistenbullyfahrt. Es schneite immer noch. „Damit wir g’scheite Pisten haben, über die sich keiner beschwert, brauchen wir den Naturschnee nicht“, sagte er. Der Pistenbullyfahrer hatte also recht: Der Winter ist das Problem. Das bestätigte in dieser Woche die Meldung, dass ob der meteorologischen Situation die Zahl der kurzfristigen Buchungen eingebrochen sei, ja Hoteliers fürchteten, dass sich der Winter auf die Bilanz der Wintersaison negativ auswirken könnte. Der richtige Winter macht den Winter kaputt.
Da ist in den vergangenen Tagen also etwas komplett falsch gelaufen. Ganz natürlich hat die Natur gegen ihre Zähmung gearbeitet. Die Natur ist eine böse Sache. Sie wird verkauft, aber hält sich nicht an die Regel der Verkäuflichkeit. Bezaubernde Winterlandschaft – gut und schön, und zwar für den einen Tag, an dem die Fotos für die Prospekte gemacht werden. Aber die Natur kennt da nichts, die hält sich an kein Drehbuch. Die tut, was sie will. Da hilft keine Lawinenverbauung und eng bemessene Businesspläne kommen auch schnell ins Rutschen. Dieser ganze Pulverschnee ist schlecht. Das ist, als wenn bei einer Topfengolatschen dem Bäcker der Staubzucker auskäme. Das schaut dann richtig fesch aus. Aber zu viel Zucker und schon ist der eigentliche Geschmack der Golatschen unter einer Lawine aus Feinstaub begraben.
Wahrscheinlich wird’s am Saisonende aber eh wieder nicht so wild. Die Prognosen im Tourismus haben oft die Halbwertszeit einer Schneedecke in tiefen Lagen. Ein paar Sonnenstrahlen und schon kehrt die Urlaubslust zurück. Die Hilfskräfte schauen eh, dass der Anund Abreiseverkehr auch in hintersten Tälern funktioniert. So ist es mit den Kassandrarufen aus den Hotellobbys wie mit dem Schnee: Alles schmilzt wieder. Darauf kann man sich verlassen. Die Hysterie ist immer nur eine Momentaufnahme, wenn man grad feststeckt oder zum dritten Mal an einem Tag sein Auto abscheren muss, weil man denkt: Irgendwann wird’s doch aufhören zu schneien. Nichts da, da ist der Winter gnadenlos. Also schreit man gegen ihn an. Das ist, als schnitte sich ein Kind in den Finger. Geplärr und Angst, dass alles aus ist, und dann reicht ein kleines Pflaster und alles ist wieder gut. Wer Kinder hat, kennt das: Die Hauptsache ist, es wird laut geschrien.