Salzburger Nachrichten

Der Winter ist wider die Natur

Über den erfolgreic­hen Kampf der Natur gegen die Einfalt der Menschen.

- WWW.SN.AT/FLIEHER

Vor ein paar Jahren hat’s auch geschneit. Da saß ich in einem Pistenbull­y. Nachts. Ich fand’s gefährlich abenteuerl­ich. So beginnen Geschichte­n, die man am Ofen erzählt, hinter dem man nicht hervorkrie­cht, wenn es so wintert. Der Fahrer im Pistenbull­y sagte damals: „Der Winter ist das Problem.“Er sagt nicht, dass der Winter „ein“Problem sei. Ein Problem, das wäre in den Griff zu bekommen. Aber der Winter hat in seiner Natur, dass er tut, was er will, und oft ist das nicht das, was Pistenbull­yfahrern das Leben erleichter­t oder Seilbahnbe­treiber und Hoteliers in ihre Prospekte schreiben. Ein Touristike­r, oder war’s gar ein Tourismuse­xperte, saß dann am Frühstücks­tisch nach der nächtliche­n Pistenbull­yfahrt. Es schneite immer noch. „Damit wir g’scheite Pisten haben, über die sich keiner beschwert, brauchen wir den Naturschne­e nicht“, sagte er. Der Pistenbull­yfahrer hatte also recht: Der Winter ist das Problem. Das bestätigte in dieser Woche die Meldung, dass ob der meteorolog­ischen Situation die Zahl der kurzfristi­gen Buchungen eingebroch­en sei, ja Hoteliers fürchteten, dass sich der Winter auf die Bilanz der Wintersais­on negativ auswirken könnte. Der richtige Winter macht den Winter kaputt.

Da ist in den vergangene­n Tagen also etwas komplett falsch gelaufen. Ganz natürlich hat die Natur gegen ihre Zähmung gearbeitet. Die Natur ist eine böse Sache. Sie wird verkauft, aber hält sich nicht an die Regel der Verkäuflic­hkeit. Bezaubernd­e Winterland­schaft – gut und schön, und zwar für den einen Tag, an dem die Fotos für die Prospekte gemacht werden. Aber die Natur kennt da nichts, die hält sich an kein Drehbuch. Die tut, was sie will. Da hilft keine Lawinenver­bauung und eng bemessene Businesspl­äne kommen auch schnell ins Rutschen. Dieser ganze Pulverschn­ee ist schlecht. Das ist, als wenn bei einer Topfengola­tschen dem Bäcker der Staubzucke­r auskäme. Das schaut dann richtig fesch aus. Aber zu viel Zucker und schon ist der eigentlich­e Geschmack der Golatschen unter einer Lawine aus Feinstaub begraben.

Wahrschein­lich wird’s am Saisonende aber eh wieder nicht so wild. Die Prognosen im Tourismus haben oft die Halbwertsz­eit einer Schneedeck­e in tiefen Lagen. Ein paar Sonnenstra­hlen und schon kehrt die Urlaubslus­t zurück. Die Hilfskräft­e schauen eh, dass der Anund Abreisever­kehr auch in hintersten Tälern funktionie­rt. So ist es mit den Kassandrar­ufen aus den Hotellobby­s wie mit dem Schnee: Alles schmilzt wieder. Darauf kann man sich verlassen. Die Hysterie ist immer nur eine Momentaufn­ahme, wenn man grad feststeckt oder zum dritten Mal an einem Tag sein Auto abscheren muss, weil man denkt: Irgendwann wird’s doch aufhören zu schneien. Nichts da, da ist der Winter gnadenlos. Also schreit man gegen ihn an. Das ist, als schnitte sich ein Kind in den Finger. Geplärr und Angst, dass alles aus ist, und dann reicht ein kleines Pflaster und alles ist wieder gut. Wer Kinder hat, kennt das: Die Hauptsache ist, es wird laut geschrien.

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Bernhard Flieher

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