Politik ist schuld an der Verspätung im Wettbewerb
30,2 Prozent: Das ist der geringste Jahresmarktanteil für die beiden TV-Hauptprogramme in der Geschichte des ORF. Aufgerüstet mit solcher Propaganda-Munition schießen sich seine Gegner von der FPÖ bis zur „Kronen Zeitung“auf den öffentlich-rechtlichen Anbieter ein. Denn 2008 hatte er noch 42, 1998 gar 61 Prozent. Die Werte waren aber dem Rundfunkmonopol zu verdanken, das in Österreich viel später als bei seinen Nachbarn gefallen ist. Erst 2001 wurde hier landesweites Privatfernsehen möglich.
Was diese Verzögerung bedeutet, zeigt ein Vergleich mit Deutschland und der Schweiz. ARD und ZDF liegen heute gemeinsam bei 25 Prozent, hatten aber schon vor zehn und zwanzig Jahren nur noch 27 bzw. 29 Prozent. Die zwei SRG-Hauptprogramme sanken in diesem Zeitraum von 34 über 33 auf nun 30 Prozent. Der ORF ist also in bester Gesellschaft und steht vergleichsweise sogar noch gut da.
Die verspätete Ankunft in der Normalität des Wettbewerbs ist nicht dem Unternehmen vorzuwerfen, sondern Österreichs Medienpolitik. Sie setzt seit jeher auf Be- und Verhinderung von Konkurrenz für den ORF, dem einzigen relevanten Medium, das sie in der Hand hat. Dadurch wurde dort ein trügerisches Selbstverständnis gefördert, das nur mühsam einem zeitgemäßen Realitätsbewusstsein weicht. ARD, ZDF und SRG sind schon viel länger gewohnt, nicht mehr automatisch die Platzhirsche zu sein. Auch aufgrund dieses Lernprozesses haben sie 2018 durchwegs ihre Marktanteile verbessert. Davon muss der ORF sich etwas abschauen, wenn er seine Herausforderung durch Populismus und Boulevard bewältigen will. Falls die Politik ihn lässt.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.