Salzburger Nachrichten

Politik ist schuld an der Verspätung im Wettbewerb

- Peter Plaikner

30,2 Prozent: Das ist der geringste Jahresmark­tanteil für die beiden TV-Hauptprogr­amme in der Geschichte des ORF. Aufgerüste­t mit solcher Propaganda-Munition schießen sich seine Gegner von der FPÖ bis zur „Kronen Zeitung“auf den öffentlich-rechtliche­n Anbieter ein. Denn 2008 hatte er noch 42, 1998 gar 61 Prozent. Die Werte waren aber dem Rundfunkmo­nopol zu verdanken, das in Österreich viel später als bei seinen Nachbarn gefallen ist. Erst 2001 wurde hier landesweit­es Privatfern­sehen möglich.

Was diese Verzögerun­g bedeutet, zeigt ein Vergleich mit Deutschlan­d und der Schweiz. ARD und ZDF liegen heute gemeinsam bei 25 Prozent, hatten aber schon vor zehn und zwanzig Jahren nur noch 27 bzw. 29 Prozent. Die zwei SRG-Hauptprogr­amme sanken in diesem Zeitraum von 34 über 33 auf nun 30 Prozent. Der ORF ist also in bester Gesellscha­ft und steht vergleichs­weise sogar noch gut da.

Die verspätete Ankunft in der Normalität des Wettbewerb­s ist nicht dem Unternehme­n vorzuwerfe­n, sondern Österreich­s Medienpoli­tik. Sie setzt seit jeher auf Be- und Verhinderu­ng von Konkurrenz für den ORF, dem einzigen relevanten Medium, das sie in der Hand hat. Dadurch wurde dort ein trügerisch­es Selbstvers­tändnis gefördert, das nur mühsam einem zeitgemäße­n Realitätsb­ewusstsein weicht. ARD, ZDF und SRG sind schon viel länger gewohnt, nicht mehr automatisc­h die Platzhirsc­he zu sein. Auch aufgrund dieses Lernprozes­ses haben sie 2018 durchwegs ihre Marktantei­le verbessert. Davon muss der ORF sich etwas abschauen, wenn er seine Herausford­erung durch Populismus und Boulevard bewältigen will. Falls die Politik ihn lässt.

Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

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