Rechnungshof zerpflückt Smart Meter
Beanstandet werden unter anderem mangelnde Transparenz, unabsehbare Kosten und „unzulängliche Koordination“.
WIEN. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ausgerechnet die Einführung jener Geräte, die durch exakte Messung (von Energieverbrauch) für Transparenz sorgen sollen, ist mit dem Vorwurf von Intransparenz konfrontiert. Der Rechnungshof (RH) bemängelt fehlende Unterlagen über Kosten und unprofessionelle Vorgangsweise.
Die Kosten für die geplante Einführung dieser sogenannten Smart Meter seien „intransparent und ungewiss“, stellt der Rechnungshof in seinem am Freitag übermittelten Bericht fest. Ein mit Steuergeld finanzierter Beraterbericht samt Kosten-Nutzen-Analyse wurde nicht veröffentlicht. Auch die Kosten des – vom Wirtschaftsministerium 2010 in Auftrag gegebenen – Berichts sind strittig: Vereinbart wurden 30.000 Euro netto, später war von 81.000 Euro die Rede.
Der Berater sprach von Gesamtinvestitionen von rund 1,1 Milliarden Euro, Grundlagen dafür wurden nicht vorgelegt. Die exakten Kosten seien bis heute unklar. Die Durchführung sei mangelhaft erfolgt. Und „die Öffentlichkeit wurde über die Einführung des Smart Meters nicht angemessen informiert“.
Zudem waren die Vorkehrungen des Ministeriums für das Projekt laut RH „unzulänglich“. Die mit der Umsetzung des Projekts betraute Regulierungsbehörde E-Control habe „dessen Komplexität unterschätzt und zugleich überambitionierte Pläne vorangetrieben“.
Die Vorgeschichte: Im Jahr 2009 beschlossen die EU-Länder die Einführung von Smart Metern bis 2020. Bis dahin sollten 80 Prozent der Stromzähler „intelligent“sein, das heißt, sie können den Energieverbrauch elektronisch exakt messen, analysieren, speichern und weiterleiten. Das erlaubt die Analyse von Verbrauchergewohnheiten und soll helfen, Bedarfsspitzen zu reduzieren und Energiesparpotenziale sichtbar zu machen.
Österreich wollte vorpreschen, bereits bis 2019 sollten 95 Prozent der Haushalte mit Smart Metern ausgerüstet sein. Plangemäß hätten bis Ende 2017 rund 70 Prozent der Messgeräte installiert sein müssen. Tatsächlich waren es aber erst 11,9 Prozent, wie ein Zwischenbericht der E-Control zeigte.
Nicht zum ersten Mal lässt die Einführung der intelligenten Messgeräte die Wogen hochgehen. Das Projekt war stets von Befürchtungen über mögliche missbräuchliche Verwendungen der anfallenden Daten begleitet. Damit könnten laut Kritikern die Gewohnheiten der Haushalte bis ins Detail nachvollzogen werden: Wann wird der Staubsauger eingeschaltet, wie lang läuft der Fernseher? Außer Fernablesung ist technisch auch eine Fernsteuerung möglich, das heißt, die Stromzufuhr könnte von außen gedrosselt oder abgeschaltet werden.
Nicht zuletzt soll die Einführung mit einer Umstellung des Tarifsystems einhergehen, Details sind noch unbekannt. Auf 128 Seiten nimmt der Rechnungshof die Zeit vom Projektstart 2010 bis 2017 unter die Lupe und gibt 22 „Empfehlungen“an Ministerium, E-Control und Energieversorger. Der Bericht sei „eine sehr gute Zusammenfassung“, heißt es bei der E-Control. Man werde die Empfehlungen aufgreifen und „den Kostenteil bereitstellen“. Auch im Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus – wohin mit Antritt der Regierung Kurz die Energieagenden wanderten – hat man ein offenes Ohr. „Berichte und Empfehlungen des Rechnungshofs muss man immer ernst nehmen“, erklärte ein Sprecher.
Zugleich verwies er darauf, dass ein Teil der reklamierten Punkte bereits mit einer Gesetzesnovelle 2017 aus der Welt geschafft worden sei. Da wurden „viele Anregungen aufgegriffen“, grob geschätzt die Hälfte, heißt es im Ministerium. Das gilt insbesondere für Rechte der Verbraucher. So können Stromkunden beantragen, dass die intelligenten Funktionen am Smart Meter deaktiviert werden („Opt-out“).
Dem Ministerium legt der RH nahe, „den weiteren Verlauf der intelligenten Messgeräte strategisch zu begleiten“, also mit den zuständigen Ressorts eng abzustimmen. Nicht zuletzt soll endlich Transparenz in die Kosten kommen. Im Rechnungshofbericht liest sich das so: „Im Rahmen einer Aktualisierung der Kosten-Nutzen-Analyse wären insbesondere die Einführungskosten zu erheben und darzustellen, wie sich deren Finanzierung über die Amortisationsdauer im Rahmen der bestehenden Messentgelte jährlich darstellt.“