Salzburger Nachrichten

Aufschrei eines Lehrers

- 5431 Kuchl

Einige Tage vor Ende des letzten Schuljahre­s wird ein Lehrer vom Vater eines Schülers einer NMS-Abschlussk­lasse am Privattele­fon angerufen, um diesem zu signalisie­ren, sollte sein Sohn im Fach Englisch nicht mit Sehr gut beurteilt werden, er alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmitt­el ausschöpfe­n werde, um die vom Lehrer attestiert­e Note Gut von Amtsseite korrigiert zu bekommen. Der Lehrer versucht dem Vater zu erklären, dass sein Sohnes während der letzten zwei Schulmonat­e größtentei­ls nur mehr mittelmäßi­ge Mitarbeits­leistungen ablieferte bzw. sein Engagement merklich nachgelass­en hatte und dies somit eine Jahresbeur­teilung mit Sehr gut nicht rechtferti­gen würde.

Der Vater bringt im Juli beim Arbeitgebe­r des Lehrers, dem Land Salzburg, eine Dienstaufs­ichtsbesch­werde gegen die Lehrperson ein. Beurteilun­gsrelevant­e Aufzeichnu­ngen und eine sachliche, sehr ausführlic­he Stellungna­hme des Lehrers reichen der Behörde nicht, und so beginnt ein schriftlic­hes Hin und Her zwischen Schulaufsi­cht und Lehrer. Ein mündliches Parteienge­hör, welches der Lehrer wünscht, ist von Behördense­ite nicht vorgesehen.

Vor Weihnachte­n wird dem Lehrer per Schulleitu­ng auf dem Dienstweg mitgeteilt, dass die Jahresnote des Schülers von Amtsseite von Gut auf Sehr gut korrigiert wurde, mit der Begründung, dass für den Beurteilun­gszeitraum der letzten zwei Unterricht­smonate der Pädagoge zu wenig detaillier­te bzw. nur kompetenze­nrelevant mangelhaft­e Aufzeichnu­ngen vorlegen konnte. Für den ambitionie­rten Lehrer im 40. Dienstjahr ist der Schritt der Behörde alles andere als nachvollzi­ehbar und bedeutet zudem einen Schlag ins Gesicht aller Lehrerkoll­egen, welche ihr Bestes zu geben versuchen und Notenwahrh­eit auch wirklich leben. Für den Pädagogen stellen sich nun einige essenziell­e Fragen:

Wer ist der nächste Lehrer, der in Allianz von Schülerelt­ern und Schulbehör­de sekkiert wird? Wird der Lehrer mehr und mehr zum Spielball zwischen dreisten Schülerelt­ern und seiner vorgesetzt­en Schulbehör­de? Wo bleibt der Support bzw. Backup für einen Lehrer, wenn es gilt, unverschäm­te und unverfrore­ne Eltern von Schülern auf Distanz zu halten? Braucht das österreich­ische Schulsyste­m wirklich eine Schulaufsi­cht, die ihren Fokus auf marginale Kinkerlitz­chen legt und Lehrern das ohnehin nicht ganz leichte Schulleben erschwert? Ist unsere Schulbehör­de gar zur Elternanwa­ltschaft mutiert?

Der betroffene Lehrer vermag diese Fragen nicht zu beantworte­n. Jene Frage, wer uns Lehrern das Wasser abgräbt, schon. – Die eigene Schulbehör­de! Sepp Schnöll,

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