Die jungen Milden
Was man vom Kirchenwirt in Leogang lernen kann. Gute Gastronomen sind Freidenker, die nicht aus dem Rahmen fallen.
Achtung! Das ist eine Warnung. Denn wenn Sie dort sind, dann ist es zu spät. Dem Leoganger Kirchenwirt kann man sich nicht mehr entziehen. Das gilt zumindest für all jene Gäste, die sich in atemberaubend schön renovierten historischen Gemäuern wohlfühlen. Man könnte sagen: Die Hardware stammt aus dem Jahr 1326, die Software von übermorgen. Das Konzept stammt vom Geschwisterpaar Hans-Jörg Unterrainer und Barbara Kottke. Hier haben die Hotelzimmer keine Türnummern. Hier wird im Adlernest übernachtet, im Kaiserzimmer, in der Schreibstube, im Refugium, und in Jagd(t)räumen sowieso. Mit der plumpen Zurschaustellung getöteter Wildtiere, wie das in vielen Salzburger Stuben heute leider noch üblich ist, haben die Geschwister nichts am Hut. Wenn schon, dann wird das Wild im Kirchenwirt als Kunst inszeniert – nicht als Trophäe. Sie genießen Respekt – schließlich stammt das Fleisch für die Wildgerichte des Kirchenwirts ausnahmslos aus der eigenen Jagd. Die Renovierungsarbeiten übernahm das Geschwisterpaar selbst. Sie sind der Ausdruck ihrer reichhaltigen Erfahrung, die sie in ihrem jungen Leben schon gemacht haben. Hans-Jörg reiste jahrelang mit dem Snowboardcross-Zirkus um die Welt. Das ist ein Bewerb, in dem vier Snowboarder gleichzeitig in einer Abfahrt gegeneinander antreten. 2006 landete er bei Olympia in Turin auf dem 15. Platz. Ansonsten hielt er sich meistens in den Top Ten auf. In die Top Ten der Kategorie „Beste Individualhotels Europas“haben es Hans-Jörg und Barbara auch schon geschafft. Die Auszeichnung verlieh das Magazin „Geo Saison“.
Heute steht Hans-Jörg im doppelten Wortsinn auf Weinkisten und nicht mehr in Startboxen. Der Weinbau und der Profi-Skizirkus haben übrigens eine gemeinsame Basis: „Den Boden“, erklärt Hans-Jörg. So sei er nach seiner Karriere überrascht gewesen, als ihm Winzer weltweit kaum mehr etwas Neues über die Beschaffenheit von Böden erzählen konnten: „Von Europa über Chile, Argentinien bis nach Neuseeland wusste ich da schon Bescheid.“Denn um sein Board zu wachseln, musste er nicht nur alles über Schnee wissen. Auch die Beschaffenheit der Böden wird da genau analysiert.
Heute befindet sich im Weinkeller des Kirchenwirts eine bunte Vielfalt exzellenter Weine. Für Weinfreunde sind Hans-Jörgs bald 700 Jahre alte Keller natürlich ein außergewöhnliches Erlebnis. Das Geschwisterpaar führt den Kirchenwirt in sechster Generation.
Auch Barbara hat bereits eine internationale Karriere hinter sich. Sie studierte in Spanien und Taiwan IBWL. Ihr Beruf führte sie dann unter anderem nach Mailand, Paris, Tokio und New York. Dort hat sie so viel erlebt, dass sie ihren Heimatort Leogang heute ruhigen Gewissens als Höhepunkt ihrer Karriere bezeichnet.
Barbaras kulinarisches Konzept ist einfach: vom Einfachen das Beste und vom Besten das Einfache. Das Gebotene lässt sich etwa mit der Handwerkskunst des Fischerwirts in Liefering vergleichen. Freilich kosten die Gerichte mehr als in „normalen“Gasthäusern. Aber nach dem Essen fragt sich der Gast dennoch, wie eine so gute kulinarische Küchenleistung dermaßen preiswert angeboten werden kann. Hier wird à la minute – also frisch – gekocht. Auch das Brot wird im Haus gebacken.
Kürzlich waren zwischen dicken Mauern auch sanfte Gitarrenklänge zu hören. Da spielte Hans-Jörg mit einem irischen Freund in allen Zimmern Lieder für eine CD ein. „Weil jedes Zimmer anders klingt“, sagt er.
Was macht dieses Haus nun so besonders? Vielleicht hilft die Quantentheorie. Über diese sinnierte einmal der Physiker Hans Peter Duerr: „Es gibt kein totales Getrenntsein, alles hängt mit allem zusammen.“So wie die gebratene Ente mit den Bildern, der Wein mit dem Gesang und die Romantik mit dem Naturalismus. Barbara meint: „Während immer mehr Gourmetrestaurants Gasthäuser als zweites Standbein führen, um wirtschaftlich überleben zu können, haben wir nur ,two in one‘.“Soll heißen: Hier wird nicht ausgegrenzt. Hier sitzt der bescheidene mit dem anspruchsvollen Gast immer in derselben Stube.
Und jeder is(s)t glücklich.
Kirchenwirt (k1326), Leogang 3 (Dorfmitte), Tel: 06583/8216, www.hotelkirchenwirt.at