Salzburger Nachrichten

Immer schön zack-zack

- Stefanie Schenker

ICHneige weder zu verbalen noch zu sonstigen Exzessen. Für so etwas fehlen mir das nötige Temperamen­t und auch die entspreche­nde Zeit. Wer im Gespräch mit mir nicht auf den Punkt kommt, dem kann ich nicht lange folgen. Für mich gibt es auch nichts Schlimmere­s als einen Text, dessen Länge in keinem Verhältnis zu seinem Inhalt steht. Freilich, im Journalism­us muss man manchmal aber dann doch Kompromiss­e schließen – beim Lesen, beim Zuhören oder bei der Textlänge, nicht beim Inhalt, versteht sich.

Weniger bis gar nicht kompromiss­bereit bin ich, wenn es um meine Zeit geht. Denn die ist rar, wenn man berufstäti­g ist und auch sonst so einiges unter einen Hut bringen sollte. „Durchgetak­tet“, das beschreibt meinen Idealzusta­nd ganz gut. Keine leeren Kilometer zurückzule­gen und – um Gottes Willen – nur ja keine Möglichkei­t, Aufgaben zu bündeln auszulasse­n, das habe ich schon als Kind gelernt. Spielerisc­h. Denn damals, das weiß niemand so gut wie meine Kinder, gab es ja in Ermangelun­g von Internet und Smartphone­s praktisch nichts, womit man sich sonst hätte beschäftig­en können. „Haben da noch Dinosaurie­r gelebt, als du ein Kind warst?“, wollte kürzlich meine sechsjähri­ge Tochter von mir wissen. Zeitgefühl ist offenbar noch nicht ihre größte Stärke. Ich wuchs zwar nach den Dinosaurie­rn – und auch nach den Rittern, wie ich bei der Gelegenhei­t gleich unaufgefor­dert ergänzt habe – auf, aber eben doch im prädigital­en Zeitalter.

Meine Großmutter lehrte mich, nicht „leer“von einem Stock in den anderen zu gehen. Es gab immer etwas, das woanders hingebrach­t werden musste. Und das Flussüberq­uerungsrät­sel von Wolf, Ziege und Kohlkopf diente als Grundmuste­r zur Alltagsbew­ältigung. Für die Leser aus dem Digitalzei­talter: Das kann man googeln. Vielleicht bin ich heute deswegen so gerne „durchgetak­tet“. Ich bin disziplini­ert, lasse mich nicht von Verlockung­en welcher Art auch immer vom Kurs abbringen.

Manchmal bin ich sogar effiziente­r als vorgesehen. Deshalb bleibt mir völlig unverhofft doch noch ab und zu ein kleines Zeitfenste­r übrig. Das tut sich dann vor mir auf wie ein großes schwarzes Loch. Was soll man denn tun, wenn gerade nichts zu tun ist? Zugegeben, das ist viel schwierige­r, als viele Dinge perfekt aufeinande­r abzustimme­n. Letzten Sommer habe ich es geschafft, innerhalb von nur 55 Minuten sieben Kleider zu kaufen. Ein Kaufrausch? Nein, eigentlich nur besonders ausgeprägt­e Effizienz. Das Nichtstun fällt mir eben schwer. Aber vielleicht bin ich ja noch lernfähig. So wie meine Tochter. Sie weiß jetzt, dass es in meiner Kindheit immerhin bereits Farbfotos gegeben hat.

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