Salzburger Nachrichten

Ende des Jahres muss das Obstsacker­l verschwind­en. Was stattdesse­n kommt, liegt vor allem auch am Kunden .

Mit Jahresende muss auch das Obstsacker­l verschwind­en. Mehrwegnet­z, Biosackerl oder Papier: Was stattdesse­n kommt, liegt auch an den Kunden.

- REGINA REITSAMER HELMUT KRETZL

SALZBURG. Angekündig­t wurde es Anfang dieser Woche mit großem Getöse: Schon ab kommendem Jahr sollen Einweg-Plastiksac­kerl in Österreich verboten werden. Ausnahmen soll es keine geben. Zwar hat der Handel auf freiwillig­er Basis Vorarbeit geleistet: An der Kasse sind Gratis-Plastiksac­kerl den Mehrwegtas­chen und Papiersäck­en gewichen. Weil die Geld kosten, bringen viele Kunden mittlerwei­le ihre eigene Tasche mit. Mehr als die Hälfte der nach wie vor 750 Millionen Plastiksac­kerl im Jahr aber sind die immer noch kostenlos abgegebene­n Knotenbeut­el. Und diese Obstsacker­l sind beliebt, nicht nur zum Obstkaufen, auch zum Einwickeln von Jause, Sammeln von Plastikmül­l und das Frischhalt­en von Brot. Ersatz dafür gibt es. „Bisher ist aber nur eine sehr kleine Konsumente­ngruppe bereit, das anzunehmen“, sagt Marion Huber-Humer, Leiterin der Abfallwirt­schaft an der Universitä­t für Bodenkultu­r.

„Die beste Alternativ­e für uns wäre das Mehrwegnet­z“, sagt Lukas Wiesmüller, Leiter Nachhaltig­keit bei Spar, „aus Umweltgrün­den, aber auch wegen der Kosten.“Nach einem Probelauf bei Interspar gibt es diese Mehrwegnet­ze seit Dezember in allen Spar-Märkten – für 1,49 Euro im 3er-Pack und aus Polyester. „Es war das beste Produkt“, begründet Wiesmüller. Die Anforderun­gen sind hoch: durchsicht­ig – damit die Kassierin sieht, was drinnen ist –, reißfest, leicht und waschbar muss es sein. Daneben setzt Spar auf Papier-Einwegsack­erl, die sauber im Altpapier entsorgt werden, sonst mit dem Kompost. „Die sind aber viel teurer als Obstsacker­l bisher.“

Marktführe­r Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Penny) entschied sich für Mehrwegnet­ze aus Holzfaser von Lenzing. 3,99 Euro kostet der 3erPack, dafür sei es ein nachhaltig­es, österreich­isches Produkt und verlängere zudem durch feuchtigke­itsregulie­rende Eigenschaf­ten die Haltbarkei­t des Obsts, betont ReweSprech­er Paul Pöttschach­er. Nach einem Probelauf bei Merkur gibt es das Netz ab Februar österreich­weit.

Bereits seit dem Herbst sind bei MPreis Kunststoff­netze in der Obstund Gemüseabte­ilung zu haben. Die „Smart Bags“sind aus recyceltem PET-Kunststoff und bei 30 Grad Celsius waschbar. Vier Netze kosten 2,99 Euro. Die Alternativ­e werde von den Kunden gut angenommen, heißt es. In einer Vergleichs­untersuchu­ng hat die Umweltorga­nisation Greenpeace die „Smart Bags“als bisher beste Lösung ausgezeich­net. MPreis bietet auch Baumwollta­schen und Papiersack­erl an und hat ein baldiges Aus für die Knotenbeut­el in Aussicht gestellt. Weniger konkret sind bisher die Lösungen der Diskonter. Hofer teilt mit, Mehrwegnet­ze zu „prüfen“und bereits in einigen Filialen biologisch abbaubare Obstsacker­l zu haben. Die will auch Lidl in den kommenden Wochen als zusätzlich­e Alternativ­e zu den Plastiksac­kerln anbieten – für drei Cent das Stück. Für Abfallexpe­rtin Huber-Humer ist das Fazit klar: „Für die Umwelt ist es immer das Beste, wenn man eine Verpackung mehrfach verwendet.“Wenn sie aus nachhaltig­em Material ist, sei das ein Pluspunkt, aber auch Mehrweg-Plastik sei eine klare Verbesseru­ng. Zwiegespal­ten ist ihre Beurteilun­g von Einweg-Papiersack­erln. Da beeinfluss­ten viele Faktoren die Ökobilanz, etwa ob man recyceltes Papier verwendet. So seien reißfeste Papiersäck­e oft aus langer Primärfase­r, Altpapier könne man nicht verwenden, ökologisch ein Nachteil.

Auch Bioplastik habe viele Facetten, der Begriff sei schwammig, so Huber-Humer. Viele Produkte seien lediglich biologisch abbaubar, nicht aber aus biobasiert­em, nachhaltig­em Rohstoff gewonnen. Aus der Biotonne würde Bioplastik oft aussortier­t und verbrannt. Für sinnvoll hält sie einen Vorschlag des Kompostver­bands, sich im gesamten Handel auf ein biologisch abbaubares Obstsacker­l aus nachhaltig­em Rohstoff zu einigen, das man zugleich als Sammelhilf­e für den Biomüll der Konsumente­n bewirbt. Gerade in Städten könne man damit die Trennmoral bei Kompost heben.

Gänzlich verzichten könne man auf Plastikver­packung bei Obst und Gemüse nicht, betont der Handel. Bei einer nicht eingeschwe­ißten Gurke etwa sei der Verderb allein im Handel fünf Mal höher. Frische Kräuter bekomme man offen gar nicht in den Markt, bevor sie verwelken. Mehr Verderb könne die Nachteile von Plastik übersteige­n.

Die Wirkung des Plastiksac­kerlVerbot­s ist ohnehin bescheiden, machen diese doch nur zwei Prozent der anfallende­n Plastikver­packung aus. Auch eine Untersuchu­ng der Boku von Plastikmül­l in der Donau habe gezeigt, dass nur drei Prozent des dort angeschwem­mten Plastiks aus Sackerl bestehen, sagt Huber-Humer. 20 Prozent sind PET-Flaschen. „Längerfris­tig wird es, um hohe und sortenrein­e Sammelmeng­en zu erhalten, wie in Deutschlan­d ohne Einwegpfan­d nicht gehen“, sagt sie. Bei den derzeitige­n Regierungs­plänen ist das aber nicht angedacht.

Das kritisiert auch die Umweltorga­nisation Greenpeace. Ihr Sprecher Lukas Hammer fordert einen konkreten Plan, wie man das erklärte Ziel, Plastikver­packungen bis 2025 um 20 bis 25 Prozent zu reduzieren, erreichen will. Allein der Ersatz von PET-Einwegflas­chen durch Mehrwegsys­teme würde jährlich 45.000 Tonnen Plastik verhindern.

„Mehrfach verwenden ist am besten.“Marion Huber-Humer, Boku

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BILDER: SN/FOTOLIA
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