Für den letzten Ritter hebt das Jubiläum an
Maximilian I. 500 Jahre nach seinem grandios inszenierten Sterben ist der Kaiser neu zu entdecken.
Der Tod erwischt den Kaiser am 12. Jänner auf der Reise, die ihn eigentlich nach Linz führen sollte. Obwohl der fast 60Jährige mit zähem Lebensmut unterwegs ist, muss er in Wels haltmachen. Bis vor Kurzem ist er noch selbst geritten, obwohl er seit drei, vier Jahren schwer krank ist. Er hat mehrere Schlaganfälle erlitten. Und wie die Historikerin Sabine Weiss in ihrer neuen, fabelhaft detaillierten Biografie schildert, plagen ihn seit Langem die „bösen Blattern“, also die Syphilis. Zudem ist ein Bein wund. In Wels kann Maximilian I. kaum aus dem Bett. Ein Mal, Anfang Jänner, tut er es doch, um eine englische Delegation zu empfangen und Weltpolitik zu besprechen. Dass er dabei am offenen Fenster dem Flug der Falken zugesehen haben soll, ist eine so fantastische Szene für einen martialischen Kriegführer, eleganten Lebemann und leidenschaftlichen Jäger, dass man stutzt: erfunden oder klug beobachtet?
Die dabei zugezogene Verkühlung, die Kolik nach der wärmenden Krautsuppe halten den Schwerkranken nicht davon ab, noch an seinem Testament zu feilen. Demnach betraut er seine Enkel Karl und Ferdinand mit den Erblanden sowie mit horrenden Schulden. Nach einem weiteren Schlaganfall sei er am 12. Jänner 1519 um 3 Uhr früh sanft entschlafen, berichtet Sabine Weiss. Weil dies jetzt 500 Jahre her ist, wird 2019 zum „Maximilianjahr“erklärt.
In Büchern, Ausstellungen und vielen Veranstaltungen, meist in Tirol, lässt sich dieser Mann erkunden, dessen Beiname „der letzte Ritter“vor allem seit dem 19. Jahrhundert kursiert. Viel von seinem Wirken war so bahnbrechend, dass mit ihm ein neues Zeitalter anbrechen sollte. Wie die Entdeckung Amerikas symbolisiert Maximilian I. den Übergang von Mittelalter zu Neuzeit. Immerhin war er der erste Kaiser, der nicht vom Papst geweiht, sondern nur aufgrund der Wahl in Frankfurt und der Krönung in Aachen die höchste Autorität in Europa behauptet hat.
Den Coup einer großen Maximilian-Ausstellung hat bereits 2012 die Albertina gelandet und da deutlich gemacht, wie geschickt dieser Habsburger seinen Ruhm verbreitet und dafür die besten Künstler seiner Zeit eingespannt hat – wie Albrecht Dürer und Albrecht Altdorfer. Mit Kunst, Musik, Humanismus und Wissenschaft sowie mit Übernahme der burgundischen Tradition wurde er zum maßgeblichen Fürsten der Renaissance nördlich der Alpen.
Obgleich Schloss Ambras in Innsbruck und die Nationalbibliothek in Wien mit den meisten Originalen dieser Zeit aufwarten, werden die beiden nicht mit der einstigen Albertina-Schau mithalten können, die damals sogar den 54 Meter langen, von Albrecht Altdorfer auf Pergament gemalten Triumphzug gezeigt hat. Wer heuer das Beste sehen will, muss ab Herbst nach New York. Das dortige, seit Mitte des Vorjahrs vom Österreicher Max Hollein geleitete Metropolitan Museum wird seine eigenen Bestände unter anderem um Leihgaben aus Wien erweitern. Das Kunsthistorische Museum schickt den ebenso martialisch wie grazil wirkenden Harnisch aus dem Besitz des Kaisers und dreißig weitere Objekte.
Bleiben wir, weil er heute den Anlass gibt, beim Sterbetag. Nie zuvor ist ein Tod so lang vorbereitet worden wie jener am 12. Jänner 1519. Sabine Weiss zufolge hat Maximilian seit 1501 – als er die Fresken der Burg Runkelstein bei Bozen sah – sein eigenes Grabmal geplant: überlebensgroße Bronzefiguren von Familienmitgliedern und früheren Herrschern sollten es umringen, dazu 100 Statuetten von Heiligen. Dafür sollte eine Grabkirche auf dem Falkenstein bei St. Wolfgang gebaut werden. So immens war dieser Plan, dass er beim Tod des Auftraggebers nicht umgesetzt war. Erst sein Enkel Ferdinand I. sollte eine verkleinerte Version realisieren, immerhin mit einer dafür gebauten Hofkirche in Innsbruck. Doch ist der dortige Sarg ein leerer Kenotaph: Wie Christoph Haidacher in dem mit Michael Forcher herausgegebenen neuen Maximilian-Buch schildert, liegt das Herz des Kaisers bei seiner ersten Frau, Maria von Burgund, in Brügge, sein Körper ruht in Wiener Neustadt.
Auch hat nie zuvor ein Sterbender solch akribische Anweisungen für seinen Leichnam gegeben. Maximilian ordnete an, seinen demnächst toten Körper mit Kalk und Asche zu bestreuen, sein Haupthaar abzuschneiden, seine Zähne auszubrechen und seinen Leichnam zu geißeln. Er gab offenbar sogar ein Porträt in Auftrag, mit dem das Bild des nackten, frommen Büßers in peinlicher Akkuratesse festgehalten ist. Wer je dieses blasse Gesicht mit der Hakennase gesehen hat, dazu die unter der roten Kappe aschfahlen Wangen und das graue Kinn, das in Relation zum Grün im Hintergrund in ein ungustiöses Blau changiert, wird es nie mehr aus dem Sinn bekommen – schon gar nicht das scheinbare Lächeln und das schlampig geschlossene linke Auge, aus dessen Winkel eine Pupille lugt. Dieses entleerte Gesicht ist unvergesslich. Doch es ist noch mehr: Es ist das erste Porträt eines toten Herrschers.
Diese Details lassen dieses Sterben wie die folgerichtige Mündung des Lebens erscheinen: Vieles ist unvollendet und misslungen. Burgund, das Kernland seiner ersten Frau Maria, hat er auf immer verloren. Die versuchte Eroberung Norditaliens war ein strategisches und finanzielles Desaster. Die wegen horrender Mitgift eingefädelte Heirat mit Bianca Maria Sforza war ein Flop. Und doch hat Maximilian das damalige Österreich in eine europäische Dimension katapultiert. Er hat Weichen so gestellt, dass seine Enkel ihre Macht noch mehren konnten und den Habsburgern bis zur Säkularisierung die Autorität der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs bleiben sollte.
Bücher: Sabine Weiss, „Maximilian I. – Habsburgs faszinierender Kaiser“, 400 Seiten, Tyrolia, Innsbruck 2018. M. Forcher, C. Haidacher, „Kaiser Maximilian I. – Tirol. Österreich. Europa. 1459–1519“, in Deutsch, Englisch und Italienisch, 216 Seiten, Haymon, Innsbruck 2018.
Ausstellungen: „Des Kaisers neuer Heiliger – Maximilian I. und Markgraf Leopold III. in Zeiten des Medienwandels“, Stift Klosterneuburg, 9. März bis 17. Nov. „Kaiser Maximilian I. – Ein großer Habsburger“, Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien, 15. März bis 3. Nov. „Maximilian I. – Zu lob und ewiger gedachtnus“, Schloss Ambras, Innsbruck, 11. 4. bis 31. 10.
Weitere Veranstaltungen: maximilian2019.tirol