Bissen Gefährliche
Tierschutz ist Klimaschutz. Wie ein Stück Fleisch die Zusammenhänge veranschaulichen kann.
Es beginnt an Orten wie Lucas do Rio Verde im brasilianischen Mato Grosso. Dort, wo sich früher die unberührte Natur des Regenwalds und Lebensraum der Ureinwohner befand, wird nun auf Land, das sich Agrarkonzerne gesichert haben, genmanipuliertes Soja angebaut. Die Ernten dienen nicht etwa zur Versorgung der eigenen Bevölkerung, sondern gehen in den Export. Die Sojabohnen werden verarbeitet, ein Teil von ihnen über 10.000 Kilometer hinweg weit nach Europa transportiert. Bei uns landen sie in den Futtertrögen von Schweinen und Rindern, damit diese mit dem zusätzlichen Kraftfutter möglichst schnell ihre Schlachtreife erreichen. Danach wird das Fleisch in Plastik verpackt, gekühlt und kommt in den Verkauf, nicht nur auf dem Kontinent, sondern bis nach Asien. In diesem Fall werden weitere 10.000 Kilometer überwunden, bis es seinen endgültigen Bestimmungsort auf einem chinesischen Teller findet.
Wenn das Schnitzel schließlich in einem Restaurant in China verspeist wird, hat es also eine Reise von rund 20.000 Kilometern hinter sich. Es entspringt dem brasilianischen Urwald, wuchs im Herzen Europas auf und wurde am anderen Ende der Welt verzehrt. Dort zahlt der Konsument sicherlich einige Yuan dafür, doch die realen Kosten wären selbst für Wohlhabende unbezahlbar – auch wenn wir einen Augenblick lang die Verletzung der Menschenrechte, das gestohlene Land, die verschmutzten Flüsse und Böden oder das Tierleid bei Intensivhaltung und Transport ausblenden.
Gewaltige Klimaschäden als unsichtbares Nebenprodukt
Der Schaden für das Klima ist gewaltig. Da sind die für die Sojaplantagen vernichteten Urwälder, die keine Schadstoffe mehr binden können. Da ist der Schadstoffausstoß der Lastwagen und Schiffe, die für den Transport benötigt werden. Und da ist natürlich auch die Emission von Treibhausgasen in der Intensivlandwirtschaft.
In Summe werden für die Herstellung eines Schnitzels also Unmengen an Schadstoffen produziert. Dabei wäre das alles gar nicht notwendig. Doch noch ist es schlicht lukrativer für einige wenige, während alle den Schaden haben und die Rechnung unsere Nachkommen werden bezahlen müssen.
Natürlich können wir nicht die ganze Welt retten. Aber müssen wir wirklich weiterhin genmanipuliertes Soja aus Südamerika importieren? Müssen wir wirklich das Schlachthaus Chinas werden? Wollen wir wirklich eine Landwirtschaft mit Steuergeld fördern, die immer mehr von multinationalen Agrarkonzernen dominiert wird? Und wollen wir wirklich auch noch auf diese Weise die Erhitzung der Erdatmosphäre weiter befeuern?
Nun, wir wollen das nicht. Auch deswegen gibt es jetzt das Tierschutzvolksbegehren. Tierschutz wird zwar für gewöhnlich mit streunenden Katzen oder Hunden in übervollen Tierheimen assoziiert. Medien berichten dann über die „Welpenmafia“oder Kätzchen in Mülltonnen, derer sich irgendwelche Menschen gewissenlos entledigt haben. Doch gesamtheitlich gedachter Tierschutz ist mehr als die dringend nötige Hilfe für die vielen Hunde und Katzen, so wichtig diese auch ist.
Die negativen Folgen minimieren
Ein zeitgemäßer Tierschutz versteht sich auch als integraler Bestandteil des Umwelt- und Naturschutzes. Er reflektiert die Auswirkungen des Umgangs mit Lebewesen auf das Klima und unsere Gesundheit.
Wie obiges Beispiel zeigt, ist es von enormer Bedeutung, dass wir uns dieser Zusammenhänge mehr als bisher bewusst werden. Noch wichtiger ist es, dass wir Maßnahmen setzen und gegensteuern.
Europäische und nationale Fördermittel müssen künftig in viel größerem Ausmaß in die heimische, kleinteilige Landwirtschaft fließen, wo biologisch und ökologisch wertvolle Lebensmittel hergestellt werden.
Es darf kein Steuergeld mehr dazu verwendet werden, den Kreislauf der Klimazerstörung anzuheizen.
Den wachsenden chinesischen Hunger auf Fleisch werden wir damit natürlich nicht stoppen. Aber wir müssen ihn nicht auch noch auf unsere Kosten stillen.
Am Ende darf nicht länger nur die Maximierung des Profits stehen. Es geht nicht darum, das Fleisch von den Tellern zu verbannen – aber die 20.000-Kilometer-Schnitzel sollten in unser aller Interesse möglichst bald der Vergangenheit angehören.
Sebastian Bohrn Mena (33) ist Wiener Ökonom und Sozialforscher. Er arbeitet im Jahr 2019 an der Auflage eines Tierschutzvolksbegehrens. Bohrn Mena war zuletzt bei der Liste Pilz politisch tätig.