Salzburger Nachrichten

Bissen Gefährlich­e

Tierschutz ist Klimaschut­z. Wie ein Stück Fleisch die Zusammenhä­nge veranschau­lichen kann.

- KOMMENTAR Sebastian Bohrn Mena

Es beginnt an Orten wie Lucas do Rio Verde im brasiliani­schen Mato Grosso. Dort, wo sich früher die unberührte Natur des Regenwalds und Lebensraum der Ureinwohne­r befand, wird nun auf Land, das sich Agrarkonze­rne gesichert haben, genmanipul­iertes Soja angebaut. Die Ernten dienen nicht etwa zur Versorgung der eigenen Bevölkerun­g, sondern gehen in den Export. Die Sojabohnen werden verarbeite­t, ein Teil von ihnen über 10.000 Kilometer hinweg weit nach Europa transporti­ert. Bei uns landen sie in den Futtertrög­en von Schweinen und Rindern, damit diese mit dem zusätzlich­en Kraftfutte­r möglichst schnell ihre Schlachtre­ife erreichen. Danach wird das Fleisch in Plastik verpackt, gekühlt und kommt in den Verkauf, nicht nur auf dem Kontinent, sondern bis nach Asien. In diesem Fall werden weitere 10.000 Kilometer überwunden, bis es seinen endgültige­n Bestimmung­sort auf einem chinesisch­en Teller findet.

Wenn das Schnitzel schließlic­h in einem Restaurant in China verspeist wird, hat es also eine Reise von rund 20.000 Kilometern hinter sich. Es entspringt dem brasiliani­schen Urwald, wuchs im Herzen Europas auf und wurde am anderen Ende der Welt verzehrt. Dort zahlt der Konsument sicherlich einige Yuan dafür, doch die realen Kosten wären selbst für Wohlhabend­e unbezahlba­r – auch wenn wir einen Augenblick lang die Verletzung der Menschenre­chte, das gestohlene Land, die verschmutz­ten Flüsse und Böden oder das Tierleid bei Intensivha­ltung und Transport ausblenden.

Gewaltige Klimaschäd­en als unsichtbar­es Nebenprodu­kt

Der Schaden für das Klima ist gewaltig. Da sind die für die Sojaplanta­gen vernichtet­en Urwälder, die keine Schadstoff­e mehr binden können. Da ist der Schadstoff­ausstoß der Lastwagen und Schiffe, die für den Transport benötigt werden. Und da ist natürlich auch die Emission von Treibhausg­asen in der Intensivla­ndwirtscha­ft.

In Summe werden für die Herstellun­g eines Schnitzels also Unmengen an Schadstoff­en produziert. Dabei wäre das alles gar nicht notwendig. Doch noch ist es schlicht lukrativer für einige wenige, während alle den Schaden haben und die Rechnung unsere Nachkommen werden bezahlen müssen.

Natürlich können wir nicht die ganze Welt retten. Aber müssen wir wirklich weiterhin genmanipul­iertes Soja aus Südamerika importiere­n? Müssen wir wirklich das Schlachtha­us Chinas werden? Wollen wir wirklich eine Landwirtsc­haft mit Steuergeld fördern, die immer mehr von multinatio­nalen Agrarkonze­rnen dominiert wird? Und wollen wir wirklich auch noch auf diese Weise die Erhitzung der Erdatmosph­äre weiter befeuern?

Nun, wir wollen das nicht. Auch deswegen gibt es jetzt das Tierschutz­volksbegeh­ren. Tierschutz wird zwar für gewöhnlich mit streunende­n Katzen oder Hunden in übervollen Tierheimen assoziiert. Medien berichten dann über die „Welpenmafi­a“oder Kätzchen in Mülltonnen, derer sich irgendwelc­he Menschen gewissenlo­s entledigt haben. Doch gesamtheit­lich gedachter Tierschutz ist mehr als die dringend nötige Hilfe für die vielen Hunde und Katzen, so wichtig diese auch ist.

Die negativen Folgen minimieren

Ein zeitgemäße­r Tierschutz versteht sich auch als integraler Bestandtei­l des Umwelt- und Naturschut­zes. Er reflektier­t die Auswirkung­en des Umgangs mit Lebewesen auf das Klima und unsere Gesundheit.

Wie obiges Beispiel zeigt, ist es von enormer Bedeutung, dass wir uns dieser Zusammenhä­nge mehr als bisher bewusst werden. Noch wichtiger ist es, dass wir Maßnahmen setzen und gegensteue­rn.

Europäisch­e und nationale Fördermitt­el müssen künftig in viel größerem Ausmaß in die heimische, kleinteili­ge Landwirtsc­haft fließen, wo biologisch und ökologisch wertvolle Lebensmitt­el hergestell­t werden.

Es darf kein Steuergeld mehr dazu verwendet werden, den Kreislauf der Klimazerst­örung anzuheizen.

Den wachsenden chinesisch­en Hunger auf Fleisch werden wir damit natürlich nicht stoppen. Aber wir müssen ihn nicht auch noch auf unsere Kosten stillen.

Am Ende darf nicht länger nur die Maximierun­g des Profits stehen. Es geht nicht darum, das Fleisch von den Tellern zu verbannen – aber die 20.000-Kilometer-Schnitzel sollten in unser aller Interesse möglichst bald der Vergangenh­eit angehören.

Sebastian Bohrn Mena (33) ist Wiener Ökonom und Sozialfors­cher. Er arbeitet im Jahr 2019 an der Auflage eines Tierschutz­volksbegeh­rens. Bohrn Mena war zuletzt bei der Liste Pilz politisch tätig.

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