Und jetzt: Eine richtige Steuerreform!
Die Regierung ist auf dem richtigen Weg, wenn sie die Steuerlast der arbeitenden Menschen vermindert. Zu einer richtigen Reform fehlen aber noch etliche Schritte.
Familienbonus, geringere Sozialversicherungsbeiträge für Wenigverdienende, Anpassung der Tarifstufen, Anhebung der Werbungskostenpauschale: Die Bundesregierung setzt, anders als etliche Vorgängerregierungen, konsequent das um, was sie in ihr Regierungsprogramm geschrieben hat. Die Befürworter von TürkisBlau („Endlich geschieht etwas für die Leistungsträger“) fühlen sich ebenso bestätigt wie deren Gegner („Die Ärmsten haben nichts von der Reform“).
Bemerkenswert ist im Übrigen der Umstand, dass die vergangene Woche im winterlichen Mauerbach grundsätzlich vereinbarte Steuerreform ohne jegliches innerkoalitionäres Gezänk vonstattenging. Man erinnert sich an die letzte Steuerreform, 2015 ausgehandelt von der rotschwarzen Faymann-Mitterlehner-Regierung, die von den beiden Koalitionsparteien derartig zerredet und zerstritten wurde, dass statt eines Anschubs für die Regierung ein PR-Desaster daraus wurde. Die Herren Kurz und Strache haben aus dieser Lektion gelernt. Die versprochene Steuerreform steht, alle Fragen sind beantwortet.
Außer der Frage, ob es sich bei dieser Steuerreform überhaupt um eine Steuerreform handelt. Denn gewiss, die einzelnen Maßnahmen sind gut und sinnvoll und werden den Österreicherinnen und Österreichern (zumindest denen, die überhaupt Steuern und Abgaben zahlen) zum Ende der Legislaturperiode mehr Geld in ihren Börseln belassen. Und doch fehlt einiges zu einer Reform, die tatsächlich diesen Namen verdient. Einer Reform, die die grundlegenden Schwächen des hiesigen Steuersystems beseitigt.
Eine dieser Schwächen ist der Umstand, dass ein viel zu großer Anteil der Steuerlast dem Faktor Arbeit aufgehalst ist und ein viel zu kleiner Anteil dem Ressourcenverbrauch. Und dieser sinkt sogar. Laut Umweltbundesamt haben sich zwischen 2000 und 2017 die umweltbezogenen Steuern zwar um 22,3 Prozent erhöht, die Steuern insgesamt stiegen jedoch um 57,2 Prozent. „Der Anteil umweltbezogener Steuern am gesamten Steueraufkommen beträgt daher nur noch 8,0 Prozent. Dies ist der niedrigste Wert seit 1995“, rechnet das Umweltbundesamt trocken vor. Eine Ökologisierung des Steuersystems, die zum Sonntagsredenrepertoire so gut wie aller Politiker gehört, sieht anders aus.
Nicht nur die Steuerlast, auch die Kosten des Sozialstaats werden hauptsächlich von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen. Ein Arbeitnehmer, der seinen Dienstgeber jährlich 65.000 Euro kostet, findet davon – dies rechnet die Agenda Austria vor – nur 33.000 Euro auf seinem Konto. Der Rest sind Lohnsteuern, die von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen aufzubringenden Sozialversicherungsbeiträge und „sonstige Arbeitgeberbeiträge“, von der Kommunalsteuer bis zum Familienlastenausgleichsfonds.
Eine Umschichtung der Steuern von der Arbeit zum Ressourcenverbrauch wird in absehbarer Zeit wohl nicht stattfinden. Denn in ihrem Papier zur Steuerreform bleibt die Bundesregierung diesbezüglich reichlich unbestimmt: „In der ersten Umsetzungsphase werden auch Maßnahmen zur Ökologisierung des Steuersystems gesetzt“, heißt es vage, und weiter: „Ziel ist unter anderem, im Bereich der Mobilität neue ökologische Anreize zu schaffen, um emissionsarme und energieeffiziente Fahrzeuge steuerlich zu begünstigen. Darüber hinaus sind steuerliche Erleichterungen in den Bereichen Photovoltaik, Biogas und Wasserstoff geplant.“Alles sehr schön. Es wird aber an der grundsätzlichen Schieflage des Steuersystems nicht allzu viel ändern.
Wenig politische Gestaltungskraft ist auch hinsichtlich der Besteuerung von internationalen Digitalriesen von Facebook abwärts zu bemerken. Was man der Regierung nicht wirklich zum Vorwurf machen kann, denn dieses Thema ist wohl nur international zu lösen. Und so kommt es, dass die Regierung mit ihren Plänen für eine „nationale Digitalsteuer“lediglich 200 Millionen Euro erlösen will. Was angesichts des Umstands, dass allein Google 2017 knapp 20 Milliarden Euro durch legale Schlupflöcher steuerschonend aus Europa auf die Bermudas schleuste, nicht mehr als ein Bettel ist. Solange die marktbeherrschenden Internetgiganten mit ihren virtuellen Geschäftsmodellen steuerfrei Milliarden scheffeln können, brauchen wir in Österreich über eine Besteuerung realer Vermögen nicht wirklich nachzudenken. Aber immerhin: Die Regierung ist auf dem richtigen Weg, wenn sie mangels globaler Lösungen lokale Möglichkeiten zur Schließung der Steuerschlupflöcher sucht.
Und die Regierung ist auf dem richtigen Weg, wenn sie die arbeitenden Menschen dieses Landes ein wenig von der Steuerlast befreit. Zu einer richtigen Reform fehlen aber noch etliche Schritte.