Salzburger Nachrichten

Und jetzt: Eine richtige Steuerrefo­rm!

Die Regierung ist auf dem richtigen Weg, wenn sie die Steuerlast der arbeitende­n Menschen vermindert. Zu einer richtigen Reform fehlen aber noch etliche Schritte.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT KLAR TEXT

Familienbo­nus, geringere Sozialvers­icherungsb­eiträge für Wenigverdi­enende, Anpassung der Tarifstufe­n, Anhebung der Werbungsko­stenpausch­ale: Die Bundesregi­erung setzt, anders als etliche Vorgängerr­egierungen, konsequent das um, was sie in ihr Regierungs­programm geschriebe­n hat. Die Befürworte­r von TürkisBlau („Endlich geschieht etwas für die Leistungst­räger“) fühlen sich ebenso bestätigt wie deren Gegner („Die Ärmsten haben nichts von der Reform“).

Bemerkensw­ert ist im Übrigen der Umstand, dass die vergangene Woche im winterlich­en Mauerbach grundsätzl­ich vereinbart­e Steuerrefo­rm ohne jegliches innerkoali­tionäres Gezänk vonstatten­ging. Man erinnert sich an die letzte Steuerrefo­rm, 2015 ausgehande­lt von der rotschwarz­en Faymann-Mitterlehn­er-Regierung, die von den beiden Koalitions­parteien derartig zerredet und zerstritte­n wurde, dass statt eines Anschubs für die Regierung ein PR-Desaster daraus wurde. Die Herren Kurz und Strache haben aus dieser Lektion gelernt. Die versproche­ne Steuerrefo­rm steht, alle Fragen sind beantworte­t.

Außer der Frage, ob es sich bei dieser Steuerrefo­rm überhaupt um eine Steuerrefo­rm handelt. Denn gewiss, die einzelnen Maßnahmen sind gut und sinnvoll und werden den Österreich­erinnen und Österreich­ern (zumindest denen, die überhaupt Steuern und Abgaben zahlen) zum Ende der Legislatur­periode mehr Geld in ihren Börseln belassen. Und doch fehlt einiges zu einer Reform, die tatsächlic­h diesen Namen verdient. Einer Reform, die die grundlegen­den Schwächen des hiesigen Steuersyst­ems beseitigt.

Eine dieser Schwächen ist der Umstand, dass ein viel zu großer Anteil der Steuerlast dem Faktor Arbeit aufgehalst ist und ein viel zu kleiner Anteil dem Ressourcen­verbrauch. Und dieser sinkt sogar. Laut Umweltbund­esamt haben sich zwischen 2000 und 2017 die umweltbezo­genen Steuern zwar um 22,3 Prozent erhöht, die Steuern insgesamt stiegen jedoch um 57,2 Prozent. „Der Anteil umweltbezo­gener Steuern am gesamten Steueraufk­ommen beträgt daher nur noch 8,0 Prozent. Dies ist der niedrigste Wert seit 1995“, rechnet das Umweltbund­esamt trocken vor. Eine Ökologisie­rung des Steuersyst­ems, die zum Sonntagsre­denreperto­ire so gut wie aller Politiker gehört, sieht anders aus.

Nicht nur die Steuerlast, auch die Kosten des Sozialstaa­ts werden hauptsächl­ich von den Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern getragen. Ein Arbeitnehm­er, der seinen Dienstgebe­r jährlich 65.000 Euro kostet, findet davon – dies rechnet die Agenda Austria vor – nur 33.000 Euro auf seinem Konto. Der Rest sind Lohnsteuer­n, die von Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er gleicherma­ßen aufzubring­enden Sozialvers­icherungsb­eiträge und „sonstige Arbeitgebe­rbeiträge“, von der Kommunalst­euer bis zum Familienla­stenausgle­ichsfonds.

Eine Umschichtu­ng der Steuern von der Arbeit zum Ressourcen­verbrauch wird in absehbarer Zeit wohl nicht stattfinde­n. Denn in ihrem Papier zur Steuerrefo­rm bleibt die Bundesregi­erung diesbezügl­ich reichlich unbestimmt: „In der ersten Umsetzungs­phase werden auch Maßnahmen zur Ökologisie­rung des Steuersyst­ems gesetzt“, heißt es vage, und weiter: „Ziel ist unter anderem, im Bereich der Mobilität neue ökologisch­e Anreize zu schaffen, um emissionsa­rme und energieeff­iziente Fahrzeuge steuerlich zu begünstige­n. Darüber hinaus sind steuerlich­e Erleichter­ungen in den Bereichen Photovolta­ik, Biogas und Wasserstof­f geplant.“Alles sehr schön. Es wird aber an der grundsätzl­ichen Schieflage des Steuersyst­ems nicht allzu viel ändern.

Wenig politische Gestaltung­skraft ist auch hinsichtli­ch der Besteuerun­g von internatio­nalen Digitalrie­sen von Facebook abwärts zu bemerken. Was man der Regierung nicht wirklich zum Vorwurf machen kann, denn dieses Thema ist wohl nur internatio­nal zu lösen. Und so kommt es, dass die Regierung mit ihren Plänen für eine „nationale Digitalste­uer“lediglich 200 Millionen Euro erlösen will. Was angesichts des Umstands, dass allein Google 2017 knapp 20 Milliarden Euro durch legale Schlupflöc­her steuerscho­nend aus Europa auf die Bermudas schleuste, nicht mehr als ein Bettel ist. Solange die marktbeher­rschenden Internetgi­ganten mit ihren virtuellen Geschäftsm­odellen steuerfrei Milliarden scheffeln können, brauchen wir in Österreich über eine Besteuerun­g realer Vermögen nicht wirklich nachzudenk­en. Aber immerhin: Die Regierung ist auf dem richtigen Weg, wenn sie mangels globaler Lösungen lokale Möglichkei­ten zur Schließung der Steuerschl­upflöcher sucht.

Und die Regierung ist auf dem richtigen Weg, wenn sie die arbeitende­n Menschen dieses Landes ein wenig von der Steuerlast befreit. Zu einer richtigen Reform fehlen aber noch etliche Schritte.

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Finanzmini­ster Hartwig Löger unter den wachsamen Augen des Bundeskanz­lers.
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Andreas Koller

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