Salzburger Nachrichten

In der Pension zum Börsenguru

Mit 59 Jahren begann die Lehrerin Beate Sander an der Börse zu spekuliere­n. Heute ist die Deutsche 81 Jahre alt, Millionäri­n und Buchautori­n. Die Spätstarte­rin spricht über Angsthasen­mentalität und Bauernrege­ln für Börsianer.

- Die pensionier­te Lehrerin Beate Sander (81) arbeitet in Deutschlan­d als Vortragend­e, Kommentato­rin und Autorin. Ihre Bücher erscheinen im Finanzbuch-Verlag.

Erst kurz vor der Pensionier­ung kaufte die deutsche Lehrerin Beate Sander ihre ersten Aktien – und ist seitdem höchst erfolgreic­h. Weil es zum Thema Börse keine Schulbüche­r gab, schrieb die Spätstarte­rin sie kurzerhand selbst. Eine Reihe an Börsenbüch­ern für Erwachsene folgte. Heute ist sie 81 Jahre alt und laut eigenen Aussagen Millionäri­n. SN: Sie hatten selbst fast 60 Jahre lang überhaupt keine Aktien. Wieso haben Sie damit begonnen? Beate Sander: Ich bin aus der DDR geflohen, mein Mann war Halbwaise. Wir hatten nichts geerbt, mussten das Reihenhaus abbezahlen und auch noch meine Eltern unterstütz­en. An Aktien war da einfach nicht zu denken. Als Wirtschaft­slehrerin hatte ich natürlich theoretisc­h Aktienwiss­en aufgebaut. Als die deutsche Telekom 1996 ihren Börsenstar­t hinlegte – da war ich 59 – dachte ich, jetzt probiere ich es auch und mache mit. SN: Ihre Kinder und Enkel mussten vor zehn Jahren – nach dem Börsencras­h 2008 – auf Weihnachts­geschenke verzichten, Sie steckten das ganze Geld in Aktien. Hat sich das ausgezahlt? Das hat sich richtig gelohnt. Es war die Grundlage für meine heutige Million. Ich war immer ehrlich zu meinen Kindern und wenn man etwas verspricht, muss man es halten. 2008 nach dem Börsencras­h habe ich ihnen gesagt: Ich mache keine Schulden, aber stecke jeden Euro in Aktien. Nächstes Jahr, wenn es wieder besser läuft, dann bekommt ihr alles. 2008 gab es keine Geschenke und kein Festessen, 2009 dann holte ich alles nach und jeder bekam noch ein Drittel dazu. SN: Wie viel Geld haben Sie mit Aktien verdient? Und wie viel verloren? Ich bin mit rund 30.000 Euro eingestieg­en. Heute habe ich, auch nach den Verlusten bei DAX und Co. in diesem Jahr, immer noch eine gute Million. Auch das Geld von Büchern und Vorträgen habe ich in Aktien gesteckt. Aber ich hatte auch hohe Ausgaben, habe etwa mein Haus altersgere­cht umgebaut. Das habe ich auch mit Aktien bezahlt. Natürlich sind einzelne Werte gesunken, aber ich habe langfristi­g nicht verloren. Wenn ein Crash kommt, gehen die Kurse runter. Aber bisher war nach jedem Crash der Kurs höher als zuvor. Auch derzeit gehen die Kurse hinunter. Aber der größte Fehler wäre, jetzt alle Aktien zum Tiefpreis aus dem Depot zu schleudern. SN: Was raten Sie dann? Wer als Einsteiger keine Erfahrung und wenig Börsenwiss­en hat, macht am besten gar nichts und wartet ab. Wer Geld übrig hat und über Börsenwiss­en verfügt, kann jetzt günstig einsteigen und zukaufen. SN: Der Großteil der Bevölkerun­g – in Österreich wie in Deutschlan­d – hat gar keine Aktien. Woher kommt die Angst? Deutschlan­d ist ein Angsthasen­volk – geprägt vom Crash in den Jahren 2000 bis 2003. Davor sind die Leute wie wahnsinnig in Aktien eingestieg­en. Viele konnten mit dem Crash nicht umgehen, haben viel Geld verloren und setzen jetzt wieder aufs Sparbuch. Da steht zwar noch die gleiche Sparsumme drauf, aber die Kaufkraft wird immer geringer. Deshalb sage ich: Macht das nicht. SN: Stellen Sie sich einen Menschen vor, der sein Geld nur aufs Sparbuch oder den Bausparer gelegt hat und jetzt überlegt, Aktien zu kaufen. Was raten Sie dem? Man muss wissen, wen man vor sich hat. Was hat er für ein Einkommen, welche Verpflicht­ungen, welches Risikobewu­sstsein? Wenn jemand nur 5000 Euro hat, dann rate ich nicht zu Aktien, sondern zu ETF, also börsengeha­ndelten Indexfonds. Jeder muss sich aber selbst informiere­n. Kein Rat von einer Flasche am Stammtisch, sondern von jemandem, der sich auskennt. In Kursen, bei einem Honorarber­ater oder einem vertrauens­würdigen Banker. Es geht auch nicht ohne Literatur. Ohne Börsenwiss­en irgendwas zu machen, das geht schief. SN: Gibt es Menschen, die komplett die Finger davon lassen sollten? Ja, und zwar wenn jemand charakterl­ich ungeeignet ist. Jemand, der Panik bekommt und alles verkauft, sobald es hinunter geht, oder leichtsinn­ig wird und das Geld zum Fenster rauswirft, wenn es gut läuft, der sollte es besser sein lassen. SN: Es gibt eine Vielzahl an „Bauernrege­ln für Börsianer“. Auch Sie haben gereimt. Ja. Dann können sich die Menschen die Ratschläge leichter merken. Etwa „Meide die gefährlich­en Vier: Euphorie, Panik, Angst und Gier!“Oder: „Schnell rein/raus – oft ein Graus.“Oder zum Beispiel „Breit gestreut – nie bereut!“Das ist mein wichtigste­r Grundsatz. Man braucht viele Titel und sollte sich auch andere Branchen und Länder ansehen. Ich nehme nicht nur die Dickschiff­e, sondern gerne auch Familienun­ternehmen. Allerdings investiere ich nie unter 1000 Euro pro Wert. Das hat keinen Zweck, bei niedrigere­n Summen sind die Transaktio­nskosten zu hoch. SN: Mehrere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Frauen im Durchschni­tt am Aktienmark­t bessere Ergebnisse erzielen. Trotzdem sind viel mehr männliche Teilnehmer aktiv. Wie sehen Sie das? Männer legen öfter an als Frauen und riskieren mehr. Sie wollen nicht nur Kapitalerh­alt, sondern Rendite. Frauen machen meist nicht die ganz großen Gewinne, aber auch nicht die großen Verluste. Sie sind geduldiger und umsichtige­r, haben aber auch geringere Erwartunge­n. Frauen schneiden nach Statistike­n 0,3 bis 0,5 Prozent besser ab als Männer. Man muss aber auch hinterfrag­en, wer diese Studien wann und warum macht. SN: Haben Sie Bitcoin oder andere Kryptowähr­ungen? Nein, ich bin kein Spekulant, das mache ich nicht mit. Ich bin nicht davon überzeugt, dass das nachhaltig wirkt. Ich setze dagegen auf künstliche Intelligen­z. Wissenscha­fter arbeiten am autonomen Fahren oder an neuen Operations­techniken. Da steckt Reales dahinter. SN: Sie haben eine schwere Krebsopera­tion und Immunthera­pie hinter sich. Haben Sie nie überlegt, jetzt einfach einmal die Füße hochzulege­n und den Lebensaben­d zu genießen? Nein, auf keinen Fall. Ich habe überhaupt kein Interesse, eine Weltreise oder eine Kreuzfahrt zu machen. Ich will auch kein Geld verprassen, sondern etwas für meine Kinder und Enkel tun. Im Krankenhau­s habe ich nicht mit Aktien gehandelt, wohl aber an meinem neuen Buch gearbeitet. Derzeit fasse ich meine besten Kolumnen zusammen und überarbeit­e zudem den Börsenführ­erschein, da gibt es alle zwei Jahre eine neue Fassung. Und neuerdings mache ich auch YouTube-Videos. Da bekomme ich viel Zuspruch. Zur Person:

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BILD: SN/KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Beate Sander hat mittlerwei­le zahlreiche Ratgeber geschriebe­n.

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