Gesucht: Der ideale Bürgermeister
Ex-Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer erklärt, warum es immer schwerer wird, Bürgermeisterkandidaten zu finden.
SN: Wie hat sich der Job des Bürgermeisters verändert? Eigentlich hat er sich in den letzten 25 Jahren massiv verändert. Ursprünglich war das eine Repräsentationsaufgabe. Heute ist es eine Managementaufgabe mit großer Verantwortung. SN: Wie schwer ist das Amt geworden, nachdem jeder Gemeindebürger, der will, heutzutage die Handynummer des Bürgermeisters hat? Der Bürgermeister ist praktisch rund um die Uhr im Einsatz und hat auch erreichbar zu sein. Da stellen die Bürger sehr hohe Ansprüche: Er ist Psychologe und Beichtvater; hat aber auch die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Bei Bauprojekten hat er die Wünsche der Nachbarn zu berücksichtigen. Diesbezüglich hat die Streitlust zugenommen – und auch der Egoismus. SN: Inwieweit ist die Gefahr real, als Bürgermeister vor Gericht zu landen? Die ist riesig. Es ist eine Amerikanisierung unseres Rechtssystems eingetreten. Das heißt, man versucht, für alles einen Schuldigen zu finden und nie die eigene Verantwortung zu sehen. Das beginnt beim vereisten Gehsteig und endet bei der Veranstaltung. Viele haben eine Rechtschutzversicherung und versuchen, einen Teil ihrer Kosten wieder hereinzubringen. Der Grat zwischen dem Im-Recht-Sein und dem Angeklagt-Werden ist schmal. Denn bei vielen ist die Versuchung groß zu sagen: Jetzt klagen wir ihn an und patzen ihn an – dann wird er schon nachgeben. Auch Haftung ist ein Problem: Denn der Bürgermeister haftet mit seinem Privatvermögen bei fahrlässigen und grob fahrlässigen Entscheidungen. Und er ist auch politisch nicht immun – im Gegensatz zu Abgeordneten von Landtag und Nationalrat. SN: Wie würden Sie die idealtypische Anatomie eines Ortschefs charakterisieren? Es braucht eine sehr starke Persönlichkeit. Und einen unwahrscheinlich breiten Rücken. Ein sehr großes Herz zum Verzeihen. Gleichzeitig ein Hirn mit Hausverstand und zwei kräftige Hände zum Anpacken. (schmunzelt) SN: Immer öfter werfen auch junge Ortschefs wie Rene Idealtypus . . . Kuel (45) aus Mattsee oder Hannes Weitgasser (41) aus Werfen das Handtuch. Das macht insofern nachdenklich, als die Bürgermeisterei ein sehr anspruchsvolles Geschäft ist. Aber die Zeit der Methusalems ist abgelaufen. Früher war ein 30-Jahr-Amtsjubiläum fast alltäglich. Jetzt sehen die Betroffenen, dass sie durch das Amt im Brotberuf keine Entwicklungsmöglichkeiten haben. Drum hören sie wieder auf, weil sie noch einen Job bis zur Pension brauchen und sonst nicht abgesichert sind. In Deutschland bekommt man nach zehn Jahren als Bürgermeister einen Job im Staatsdienst. Das brauchen wir in Österreich noch nicht. Aber man sollte sich für die Zukunft mit solchen Modellen beschäftigen, um die Bürgermeisterei so attraktiv zu machen, dass man die bestgeeigneten Leute bekommt. SN: Reichen gegen die rechtlichen Bedrohungen bessere Haftpflichtversicherungen? Nein, das geht leider nicht. Denn es ist praktisch ein Verfassungsgrundsatz, dass Bürgermeister bei grob fahrlässigen und fahrlässigen Delikten mit dem Privatvermögen haften. Dagegen gibt es auch kaum eine Versicherung. Da gab es bei Bauverfahren auch Verurteilungen von Bürgermeistern, die heftig waren – etwa wegen des Nichtabrisses einer illegalen Hütte am See, die nachträglich sogar rechtlich legalisiert wurde. SN: Wäre es besser, Bauund Widmungsfragen auf höhere Ebenen zu verlagern? Je weiter weg Entscheidungen getroffen werden, desto weniger Verständnis für die Region und die Betroffenen gibt es in der Regel. Daher wehre ich mich dagegen, dass ein Beamter vom grü-