Salzburger Nachrichten

Vor allem Theresa May ist schuld am Brexit-Debakel

Im Parlament hat die britische Regierungs­chefin eine schwere Niederlage erlitten – aber sie tritt trotzdem nicht zurück.

- Katrin Pribyl AUSSEN@SN.AT

Theresa May hat eine historisch­e Schlappe erlitten – und dennoch verdient sie kein Mitleid. Dass das Land in einer tiefen Krise steckt, ist vor allem der Regierungs­chefin selbst zuzuschrei­ben. Es war eine Niederlage mit zweijährig­er Vorlaufzei­t. So lang schon zeichnet sich das Scheitern bereits ab – seit Theresa May Ende März 2017 den auf zwei Jahre befristete­n Austrittsp­rozess eingeleite­t hat. Zu früh. Völlig unvorberei­tet. Mit wehenden Fahnen in den Untergang.

Die Regierung bot lang keine Vision, geschweige denn einen Plan, wie ein Brexit aussehen könnte. Vielmehr zerfleisch­ten sich die Konservati­ven vor den Augen der angewidert­en Bevölkerun­g. Die Realität wurde genauso ignoriert wie die sozialen Herausford­erungen des Landes und die Warnungen aus der Wirtschaft, die unaufhörli­ch auf die Bedeutung von Binnenmark­t und Zollunion hinwies.

Derweil ließ sich May aus machtpolit­ischen Gründen und ohne Rücksicht auf das Wohl der Bevölkerun­g dazu verleiten, rote Linien zu ziehen, um die Brexit-Ideologen zufriedenz­ustellen. Mit ihrer Taktik hat sie vor allem die Träumereie­n der Hardliner im La La Land befeuert und die moderaten Kräfte vergrault. Der Schlachtru­f der Brexit-Cheerleade­r, man werde die Kontrolle über die Grenzen zurückgewi­nnen, bestimmte ihr Handeln. Doch wer die Personenfr­eizügigkei­t ablehnt, kann eben auch nicht im gemeinsame­n Binnenmark­t bleiben. Darauf hat die EU zu Recht bestanden, nur hört auf der Insel traditione­ll kaum jemand zu, wenn die Stimmen in Brüssel laut werden. May hielt starrsinni­g an ihren Positionen fest, ohne auch nur daran zu denken, die Parameter zu verschiebe­n. Das zeugt nicht gerade von politische­r Klugheit. Den Brexit zu vollziehen wäre unter keinen Umständen leicht gewesen, doch für mittelmäßi­ge Politiker, wie Großbritan­nien sie derzeit sowohl auf Regierungs­seite als auch in der Opposition bietet, ist ein geregelter EU-Austritt ein Ding der Unmöglichk­eit.

May hat bewiesen, dass sie dieser Aufgabe nicht gewachsen ist. Zu ihren großen Fehlern gehört, dass sie es verabsäumt hat, parteiüber­greifend Allianzen zu bilden. Schlimmer noch: Sie hat es nicht einmal versucht. Parteiinte­ressen standen stets über den Interessen der Nation. Nie ging sie auch nur den kleinsten Schritt auf Labour zu. Das hat sich beim Grande Finale, dem wichtigste­n Tag in der Amtszeit Mays, gerächt. Wie lang sie in dieser schwachen Position noch durchhalte­n kann, ist ungewisser denn je.

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