„Niemand weiß, wie es nach dem 29. März weitergeht“
In einem kleinen britischen Supermarkt in Wien herrscht wegen des bevorstehenden Brexit gelassene Ratlosigkeit.
WIEN. Cadbury-Schokolade, Marmite, Typhoo und Tetley’s Schwarztee. Dazu Shortbread, Puddings, Baked Beans und Chips mit Salt & Vinegar. Wiener Bürger, deren Herz auch für das britische Königreich schlägt, finden den Weg zu Bobby’s Foodstore blind. Seit 1996 gibt es den Mini-Supermarkt Ecke Operngasse-Schleifmühlgasse nun schon. Aus dem Freihausviertel in Wieden ist er längst nicht mehr wegzudenken. Immerhin war das Geschäft schon cool, als das Grätzel noch im Tiefschlaf lag.
Eine Wendeltreppe im hinteren Teil des Geschäfts führt hinauf zu David McGregors Büro. Dort hängt der 53-jährige Geschäftsführer vor Bildschirm und am Telefon, checkt Lieferungen und gibt Bestellungen auf. Zwischendurch macht er sich Gedanken über den Brexit. „In Wahrheit weiß niemand, wie es nach dem 29. März weitergeht“, bringt er es gleich auf den Punkt. Klar, es werde Übergangslösungen geben. Aber fixiert sei noch gar nichts. „Wenn es einen No-DealBrexit gibt, dann ist die Zukunft ungewiss.“ Nicht seine persönliche. Denn McGregor ist irischer Staatsbürger. Geboren in Belfast, übersiedelte er mit seinen Eltern als Kind nach London. 2002 kam er nach Österreich und blieb. „Der Liebe wegen“, sagt er, der seinen Wiener Dialekt immer wieder unbeabsichtigt durchblitzen lässt.
Rund 8000 Briten leben in der rot-weiß-roten Hauptstadt, schätzt McGregor grob. Eine beträchtliche Anzahl davon kennt er. „Viele sind entsetzt und verunsichert wegen des Brexit.“Er selbst schätzt, dass es „nicht so ein Problem sein wird, hier zu bleiben und zu arbeiten“.
Was ihm sehr wohl Sorge bereitet, ist die schleichende Entwicklung des britischen EU-Ausstiegs. Vor allem, nachdem Premierministerin Theresa May am Dienstag mit ihrem „sanften“Exit-Plänen krachend gescheitert ist. „Die BrexitKatastrophe ist seither noch unklarer“, klagt der Geschäftsführer von Bobby’s Foodstore.
Panik herrsche bei ihm und seinen Mitarbeitern zwar keine. „Aber wir fangen langsam an, Produkte in größeren Mengen zu kaufen.“Denn McGregors Lieferanten sind – logischerweise – allesamt auf der Insel beheimatet. „Einer dieser Lieferanten ist schon sehr nervös, denn der verkauft 90 Prozent seiner Waren in die EU“, erzählt der 53-Jährige.
Produkte langfristig zu bunkern stellt David McGregor vor keine gröberen Probleme. Tee, Konserven, Whisky, Backmischungen, Keks und andere lang haltbare Nahrungsmittel machen den Großteil des Sortiments im britischen MiniSupermarkt aus. Es werden zwar auch Butter und Käse angeboten, doch hätte ein Wegfall dieser Milchprodukte keine existenzgefährdeten Konsequenzen.
Dennoch hat McGregor ein Worst-case-Szenario im Hinterkopf. Alles andere wäre für einen Geschäftsmann auch naiv. „Was passiert, wenn es plötzlich wieder Zollschranken und Grenzen gibt?“Alles werde dann länger dauern , al-
„Wir fangen langsam an, Produkte in größeren Mengen zu kaufen.“
les werde teurer. Und mit den Preisen deutlich nach oben zu gehen sei jene Option, die ihm am wenigsten gefalle.
Bis es so weit ist, wenn es überhaupt so weit kommen sollte, übt man sich in Bobby’s Foodstore in gelassener Ratlosigkeit. „Die Exklusivität unserer Produkte ist eh nicht mehr so wie früher. Aber die Atmosphäre ist bei uns eine andere, es gibt Beratung, es wird Englisch gesprochen. Deshalb kommen die Leute.“Gut möglich also, dass der Brexit die Schleifmühlgasse niemals erreichen wird.