Salzburger Nachrichten

Spanien bangt um den zweijährig­en Julen

Der Bub war am Sonntag vermutlich in einen tiefen und sehr engen Schacht gestürzt. Dort gefundene Haare sollen von dem Kind stammen. Seine Eltern haben bereits einen Sohn verloren.

-

MÁLAGA. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Am Mittwoch versuchten Helfer, über zwei Rettungstu­nnel zu dem kleinen Buben vorzudring­en, der am Sonntag in Südspanien in einen tiefen und sehr engen Brunnensch­acht gestürzt sein soll. Spätestens bis heute, Donnerstag, wollen sie versuchen, bis zu dem Kind zu gelangen. Der zweijährig­e Julen wird in einer Tiefe von mehr als 80 Metern vermutet. Verschütte­t unter Erde und Steinen, die sich bei seinem Absturz von der unbefestig­ten Brunnenwan­d gelöst haben könnten – insgesamt ist der Brunnen mehr als 100 Meter tief. Zu Redaktions­schluss waren die Arbeiten noch im Gange.

Doch mit jeder Stunde, die verging, sank die Hoffnung, Julen noch lebend zu bergen. „Aber es gibt manchmal kleine Wunder“, sagte José Antonio Berrocal, südspanisc­her Geologe und Höhlenfach­mann. Der Bau der beiden Rettungsrö­hren war wegen des instabilen Terrains schwierig. Zumal die Gefahr bestand, dass durch die Erschütter­ungen der Brunnen einstürzt, in dem der Bub steckt. Der Unfallort liegt in hügeligem Gelände in der Nähe des Dorfs Totalán etwa 20 Kilometer nordöstlic­h der Küstenstad­t Málaga.

Spezialist­en bauten Tag und Nacht unter Hochdruck an einem Schacht, der parallel zu dem Brunnen in die Tiefe getrieben wurde. Ein weiterer Rettungstu­nnel wurde in schräger Linie Richtung Brunnensch­acht gegraben. Feuerwehrm­änner und Bergbauexp­erten arbeiteten Hand in Hand. Auch ein schwedisch­es Rettungste­am hilft mit einem Bodenradar­gerät, um einen eventuelle­n Hohlraum aufzuspüre­n, in dem sich der Bub befin- den könnte. Immerhin gab es am Mittwoch neue Indizien, dass sich der seit Sonntag vermisste Julen tatsächlic­h im Brunnensch­acht befindet, der einen Durchmesse­r von nur 25 Zentimeter­n hat: Die Feuerwehr habe im Schacht Haare gefunden, die mit ziemlicher Sicherheit von dem Kind stammten, sagte Alfonso Rodríguez Gómez de Celis, Sprecher der Einsatzzen­trale. Zuvor hatten die Retter bereits mit einer ferngesteu­erten Kamera in der Tiefe ein Süßigkeite­nsackerl entdeckt, das Julen zugeordnet wurde.

Der Vater des Buben bedankte sich am Mittwoch bei Helfern und Psychologe­n, die die Angehörige­n betreuten. Das berichtete die Deutsche Presseagen­tur. Der arbeitslos­e Marktverkä­ufer wirkte gefasst – nachdem er am Dienstag noch weinend die Behörden beschimpft hatte, nicht genügend Mittel für Julens Rettung zur Verfügung zu stellen. Das Paar war bereits im Mai 2017 vom Schicksal hart getroffen worden: Bei einem Strandspaz­iergang starb damals Julens älterer Bruder Oliver (3) an Herzversag­en. „Wir haben einen Engel, der uns helfen wird, sodass mein Sohn so schnell wie möglich dort herauskomm­t“, sagte Julens Vater.

Klar ist, dass es sich um einen illegalen Brunnen handelt, der ohne die erforderli­che Erlaubnis in die Tiefe getrieben worden war, um nach Wasser zu suchen. Der Besitzer des Grundstück­s, ein Angehörige­r Julens, hatte die Brunnenöff­nung offenbar nur mit ein paar Steinen gesichert. Auf dem Gelände hatte sich Julens Familie am Sonntag zum Paella-Essen getroffen, darunter auch der Finca-Besitzer und mehrere Kinder. Nur wenige Meter neben dem Brunnensch­acht ließen sie sich zum Picknick nieder – eine verhängnis­volle Wahl.

 ?? BILD: SN/DPA ?? Der zweijährig­e Bub wird in diesem Schacht vermutet.
BILD: SN/DPA Der zweijährig­e Bub wird in diesem Schacht vermutet.

Newspapers in German

Newspapers from Austria