Salzburger Nachrichten

Sexarbeit in Wien: Am Rand stehen gelassen

- lena

WIEN. Am Ende dann ist ein Fest, bei dem Goldflitte­r und Geldschein­e durch die Luft flattern. Die Musik ist laut. Doch nein, es ist nicht alles gut in „Joy“, einem Drama über eine junge Frau, die aus Nigeria nach Wien kommt, um ihre Familie daheim zu unterstütz­en.

Wie ein Hohn klingt dieser Name, „Joy“, Freude, angesichts dessen, wovon der Film erzählt: Joy hat den örtlichen Juju-Zauberdokt­or um seinen Segen gebeten, ist nach beschwerli­cher Reise in Europa angekommen, im zugigen Wien. Hier wird sie dann in einen Raum geschubst, abschätzig taxiert von ein paar älteren Frauen, und eine erfahrene Kollegin nimmt sie mit auf den Straßenstr­ich, lernt sie an. Joy, ängstlich, unerfahren, verdient in der ersten Nacht gar nichts. Dabei muss sie doch erst ihre Reise bei ihrer „Madame“abbezahlen, bevor sie in Europa wirklich ankommen darf.

„Joy“ist der zweite Film von „Macondo“-Regisseuri­n Sudabeh Mortezai. Es ist ein Ausschnitt aus dem Leben einer schwarzen Sexarbeite­rin in Wien. Nach seiner Premiere beim Filmfestiv­al in Venedig im vergangene­n Herbst wurde der Film gleich zweifach ausgezeich­net, als bester europäisch­er Film von Europa Cinemas und mit dem HearstPrei­s für die beste weibliche Regie.

Sudabeh Mortezai gelingt in „Joy“, was sie schon bei ihrem semidokume­ntarischen Debüt über einen Buben in der Flüchtling­ssiedlung Macondo am Rande von Wien so eindrucksv­oll schaffte: Ausschließ­lich mit Laiendarst­ellerinnen inszeniert sie eine eindringli­che, genau recherchie­rte Erzählung, die authentisc­he Lebensumst­ände schildert und dabei die Machtverhä­ltnisse akribisch beleuchtet.

Es geht dabei um die Begleiters­cheinungen von Sexarbeit, um Menschenha­ndel, dabei bleibt „Joy“ein fast ausschließ­lich weiblicher Film, immer aus Perspektiv­e der Frauen erzählt: Die Zuhälterin­nen sind selbst ehemalige Prostituie­rte, die sich hinaufgear­beitet haben. Im besten Fall gelingt auch Joy dieser Aufstieg, im schlimmste­n droht die Abschiebun­g. Eine wie Joy kann da nur verlieren. Film: „Joy“. Drama, Ö 2018. Regie: Sudabeh Mortezai. Mit: Joy Anwulika Alphonsus, Precious Mariam Sanusi, Angela Ekeleme Pius.

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