Salzburger Nachrichten

Man muss das Gewaltprob­lem an der Wurzel packen

Es geht um mehr als nur körperlich­e Gewalt. Sobald sich eine Frau auch nur in geringstem Maße bedroht fühlt, ist sie schon ein Opfer.

- Eva Hammerer EVA.HAMMERER@SN.AT

Seit Jahresbegi­nn wurden in Österreich vier Frauen getötet. Es ist eine traurige Bilanz, die nun auch die Politik auf den Plan ruft. Es soll einen eigenen Notruf geben, strengere Strafen für Wiederholu­ngstäter, eine Bannmeile, mehr Übergangsw­ohnungen für Frauen, die von Gewalt bedroht sind. Und Männer sollen sofort nach einer Wegweisung dazu gezwungen werden, sich mit ihrer Tat auseinande­rzusetzen.

Dass es höchste Zeit ist zu handeln, ist schon längst klar: Im Lauf ihres Lebens wird jede fünfte Frau Opfer von Gewalt. Die Täter sind meist im nahen Umfeld der Opfer zu finden. Es sind (Ex-)Partner, Verwandte, Bekannte. Gewalt hat viele Formen, und sie tritt selten plötzlich auf. Sie schleicht sich an, fast unbemerkt, beginnt subtil, etwa mit kontrollie­rendem Verhalten, mit Kränkungen, Einschränk­ungen der Freiheit. Sobald sich eine Frau auch nur in geringstem Maße bedroht fühlt, ist sie bereits ein Opfer. Doch der umfassende Teil der Maßnahmen, die nun präsentier­t wurden, setzt erst dann an, wenn Frauen bereits körperlich­e Gewalt erlitten haben.

Aber das ist viel zu spät. Opferschut­z muss greifen, bevor überhaupt irgendetwa­s passiert. Der Vorschlag, Antigewalt­kurse bereits in den Ethikunter­richt zu integriere­n, ist gut. Aber das ist längst nicht genug. Es muss allen Menschen in diesem Land klar sein, dass Frauen hier selbstbest­immt über ihr Leben entscheide­n dürfen. Der Großteil der Männer in Österreich hält das für selbstvers­tändlich. Aber es gibt auch jene, die damit ein Problem haben. Sie sehen Frauen als Freiwild und nicht als gleichwert­ige Menschen. Jeder von ihnen ist einer zu viel. Es sind nicht nur Täter aus anderen Kulturkrei­sen. Es gibt auch hier geborene Männer, die nie gelernt haben, Konflikte gewaltfrei zu lösen, die gern Macht und Kontrolle ausüben.

Solange wir das Problem nicht an der Wurzel packen, werden wir den Opfern auch weiterhin erst helfen können, wenn es zu spät ist. Damit sich das ändert, sollten potenziell­e Täter rasch in den Fokus der Aufmerksam­keit rücken – bevor sie zuschlagen oder gar töten. Sie müssen erkennen, wie falsch ihr Verhalten ist, und lernen, das zu ändern. Das kann aber erst passieren, wenn es kein Tabu mehr ist, über Gewalt an Frauen zu sprechen. Ihnen darf nie die Schuld für ihr Leid zugeschobe­n werden. Um Opfern zu helfen, braucht es mehr Gewaltschu­tzeinricht­ungen, an die sich Frauen wenden können, vor allem auf dem Land. Sie sollten sich nicht schämen müssen, wenn sie Hilfe suchen. Je früher, desto besser.

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