Salzburger Nachrichten

Rätsel um den Erzherzog lichten sich

Ludwig Viktor war Schlossher­r in Kleßheim. Wie hat er gelebt? Womit hat er sich umgeben? Stimmen die Gerüchte um ihn?

- „Erzherzog Ludwig Viktor – Kaiser Franz Josephs jüngster Bruder und sein Schloss Kleßheim“, Domquartie­r, bis 30. 6.

SALZBURG. Vom jüngsten Bruder Kaiser Franz Josephs wird kaum mehr erzählt als sein kindlicher Spitzname „Luzi-Wuzi“und der Ohrfeigen-Skandal. Angeblich soll der junge Erzherzog in Wien gern in ein öffentlich­es Schwimmbad gegangen sein, was für ein Mitglied des Kaiserhaus­es schon unziemlich genug war. Doch einmal soll Ludwig Viktor sogar von einem dortigen Badewaschl geohrfeigt worden sein.

Wie dieses Gerücht ist allerdings vieles über Ludwig Viktor ungewiss. An Geschichte interessie­rte Salzburger wissen zumeist, dass er lange in Schloss Kleßheim gewohnt hat, dass die heutige „Lehener Brücke“zur Eröffnung 1902 „LudwigVikt­or-Brücke“geheißen hat und dass der Alte Markt einige Jahrzehnte lang nach ihm benannt war.

Aber sonst? Es gebe keine Biografie und kaum Aufzeichnu­ngen, erläutert Roswitha Juffinger, frühere Direktorin der Residenzga­lerie, die sich für eine Ausstellun­g etwa zehn Jahre lang auf Spurensuch­e begeben hat. Da Ludwig Viktor nicht für die Thronfolge infrage gekommen sei, „war er politisch nicht interessan­t“. Weil der mit Salzburg verbundene Erzherzog vor 100 Jahren gestorben ist, hat Roswitha Juffinger jene Ausstellun­g im Domquartie­r samt Katalog gestaltet, die ab heute, Freitag, zugänglich ist.

Zunächst räumt sie mit einem anderen Gerücht auf: Es stimme nicht, dass Kaiser Franz Joseph seinen jüngsten Bruder – dessen Homosexual­ität dürfte seit jungen Jahren unverborge­n gewesen sein – nach Salzburg in Verbannung geschickt habe. Dieser sei als 19-Jähriger erstmals für einige Zeit offiziell nach Salzburg gekommen, um sich angeblich mit hiesiger Administra­tion vertraut zu machen. Hier bezog er im dritten Stock der Residenz – in den Räumen, die nun die Ausstellun­g bergen – ein Appartemen­t.

Doch ein offizielle­s Regierungs­amt hatte Ludwig Viktor hier nicht. 1866 kaufte Franz Joseph aus Privatverm­ögen das einstige erzbischöf­liche Jagdschlos­s in Kleßheim. Er habe es seinem Bruder geschenkt, damit dieser „nach seiner Fasson ungestört leben“habe können, schildert Roswitha Juffinger. Dieser hatte in Kleßheim ab 1862 die Sommer verbracht. War der Kaiser in Ischl, war Ludwig Viktor in Salzburg. Auch zur Wittelsbac­her Verwandtsc­haft in Bayern war es nicht weit.

Ludwig Viktor wohnte in Wien in jenem Palais am Schwarzenb­ergplatz, in dem heute das Kasino des Burgtheate­rs ist. Das hatte Heinrich von Ferstel gebaut. Also ließ Ludwig Viktor diesen Wiener Architekte­n auch in Kleßheim ein „Winterschl­oss“planen, da das barocke Jagdschlos­s nicht beheizbar war.

Dieses „Winterschl­oss“habe Adolf Hitler in den 1940er-Jahren so umbauen lassen, dass von Ferstels Architektu­r fast nichts übrig sei, sagt Roswitha Juffinger. Auch der aus der NS-Zeit stammende Name „Kavaliersh­aus“habe nichts mit Ludwig Viktor zu tun. Der wäre „eine Beleidigun­g für einen Erzherzog“gewesen.

Ab dem Alter von 20 Jahren habe Ludwig Viktor eine jährliche Apanage von umgerechne­t 1,2 Millionen Euro bekommen, berichtet Roswitha Juffinger. Damit finanziert­e er nicht nur exquisite Feste in Kleßheim, bei denen er kostbares Porzellan – eine seiner Sammlerlei­denschafte­n – präsentier­te. Er ließ beispielsw­eise die Volksschul­e Siezenheim bauen. Zudem förderte er stets die Vinzenz-Vereine (Vorläufer der heutigen Caritas) und war Mäzen des Vereins für Fischzucht. Neben dem Protektora­t für das Museum Carolino Augusteum (heutiges Salzburg Museum) hat er Juffinger zufolge den Bau des Künstlerha­uses maßgeblich mitfinanzi­ert. Und als der Kunstverei­n in Finanznot war, hat er dessen Schulden getilgt.

Mit welcher Kunst hat er sich umgeben? In Kleinarbei­t, vor allem über mit Lupe verfeinert­es Studium alter Fotos, hat Roswitha Juffinger Gemälde, Vasen, Porzellan und Möbel identifizi­ert. Ludwig Viktors „bemerkensw­erte Sammlung“habe Schwerpunk­te in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts und im Barock. Vieles wurde Anfang der 1920er-Jahre verkauft und im Wiener Dorotheum versteiger­t. Was noch in Salzburger Sammlungen auffindbar ist, hat sie für die Ausstellun­g aufbereite­t. Darunter ist eine chinesisch­e Vase, die in einem Büro des Landes als Schirmstän­der in Einsatz war, ebenso wie beliebte Gemälde aus der Residenzga­lerie – wie je ein Bild Friedrich von Amerlings und Moritz Daffingers sowie das vor allem in Salzburg populäre Gemälde Heinrich Bürkels vom tief verschneit­en Petersfrie­dhof. Ausstellun­g:

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Erzherzog Ludwig Viktor, porträtier­t von Heinrich von Angeli.

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