Rätsel um den Erzherzog lichten sich
Ludwig Viktor war Schlossherr in Kleßheim. Wie hat er gelebt? Womit hat er sich umgeben? Stimmen die Gerüchte um ihn?
SALZBURG. Vom jüngsten Bruder Kaiser Franz Josephs wird kaum mehr erzählt als sein kindlicher Spitzname „Luzi-Wuzi“und der Ohrfeigen-Skandal. Angeblich soll der junge Erzherzog in Wien gern in ein öffentliches Schwimmbad gegangen sein, was für ein Mitglied des Kaiserhauses schon unziemlich genug war. Doch einmal soll Ludwig Viktor sogar von einem dortigen Badewaschl geohrfeigt worden sein.
Wie dieses Gerücht ist allerdings vieles über Ludwig Viktor ungewiss. An Geschichte interessierte Salzburger wissen zumeist, dass er lange in Schloss Kleßheim gewohnt hat, dass die heutige „Lehener Brücke“zur Eröffnung 1902 „LudwigViktor-Brücke“geheißen hat und dass der Alte Markt einige Jahrzehnte lang nach ihm benannt war.
Aber sonst? Es gebe keine Biografie und kaum Aufzeichnungen, erläutert Roswitha Juffinger, frühere Direktorin der Residenzgalerie, die sich für eine Ausstellung etwa zehn Jahre lang auf Spurensuche begeben hat. Da Ludwig Viktor nicht für die Thronfolge infrage gekommen sei, „war er politisch nicht interessant“. Weil der mit Salzburg verbundene Erzherzog vor 100 Jahren gestorben ist, hat Roswitha Juffinger jene Ausstellung im Domquartier samt Katalog gestaltet, die ab heute, Freitag, zugänglich ist.
Zunächst räumt sie mit einem anderen Gerücht auf: Es stimme nicht, dass Kaiser Franz Joseph seinen jüngsten Bruder – dessen Homosexualität dürfte seit jungen Jahren unverborgen gewesen sein – nach Salzburg in Verbannung geschickt habe. Dieser sei als 19-Jähriger erstmals für einige Zeit offiziell nach Salzburg gekommen, um sich angeblich mit hiesiger Administration vertraut zu machen. Hier bezog er im dritten Stock der Residenz – in den Räumen, die nun die Ausstellung bergen – ein Appartement.
Doch ein offizielles Regierungsamt hatte Ludwig Viktor hier nicht. 1866 kaufte Franz Joseph aus Privatvermögen das einstige erzbischöfliche Jagdschloss in Kleßheim. Er habe es seinem Bruder geschenkt, damit dieser „nach seiner Fasson ungestört leben“habe können, schildert Roswitha Juffinger. Dieser hatte in Kleßheim ab 1862 die Sommer verbracht. War der Kaiser in Ischl, war Ludwig Viktor in Salzburg. Auch zur Wittelsbacher Verwandtschaft in Bayern war es nicht weit.
Ludwig Viktor wohnte in Wien in jenem Palais am Schwarzenbergplatz, in dem heute das Kasino des Burgtheaters ist. Das hatte Heinrich von Ferstel gebaut. Also ließ Ludwig Viktor diesen Wiener Architekten auch in Kleßheim ein „Winterschloss“planen, da das barocke Jagdschloss nicht beheizbar war.
Dieses „Winterschloss“habe Adolf Hitler in den 1940er-Jahren so umbauen lassen, dass von Ferstels Architektur fast nichts übrig sei, sagt Roswitha Juffinger. Auch der aus der NS-Zeit stammende Name „Kavaliershaus“habe nichts mit Ludwig Viktor zu tun. Der wäre „eine Beleidigung für einen Erzherzog“gewesen.
Ab dem Alter von 20 Jahren habe Ludwig Viktor eine jährliche Apanage von umgerechnet 1,2 Millionen Euro bekommen, berichtet Roswitha Juffinger. Damit finanzierte er nicht nur exquisite Feste in Kleßheim, bei denen er kostbares Porzellan – eine seiner Sammlerleidenschaften – präsentierte. Er ließ beispielsweise die Volksschule Siezenheim bauen. Zudem förderte er stets die Vinzenz-Vereine (Vorläufer der heutigen Caritas) und war Mäzen des Vereins für Fischzucht. Neben dem Protektorat für das Museum Carolino Augusteum (heutiges Salzburg Museum) hat er Juffinger zufolge den Bau des Künstlerhauses maßgeblich mitfinanziert. Und als der Kunstverein in Finanznot war, hat er dessen Schulden getilgt.
Mit welcher Kunst hat er sich umgeben? In Kleinarbeit, vor allem über mit Lupe verfeinertes Studium alter Fotos, hat Roswitha Juffinger Gemälde, Vasen, Porzellan und Möbel identifiziert. Ludwig Viktors „bemerkenswerte Sammlung“habe Schwerpunkte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im Barock. Vieles wurde Anfang der 1920er-Jahre verkauft und im Wiener Dorotheum versteigert. Was noch in Salzburger Sammlungen auffindbar ist, hat sie für die Ausstellung aufbereitet. Darunter ist eine chinesische Vase, die in einem Büro des Landes als Schirmständer in Einsatz war, ebenso wie beliebte Gemälde aus der Residenzgalerie – wie je ein Bild Friedrich von Amerlings und Moritz Daffingers sowie das vor allem in Salzburg populäre Gemälde Heinrich Bürkels vom tief verschneiten Petersfriedhof. Ausstellung: