Salzburger Nachrichten

Zwist im Haus Esterházy

Die vermeintli­che Entführung einer 88-Jährigen stellt sich als familienin­terner Streit heraus. Es ist nicht die erste Auseinande­rsetzung, die das reiche Adelsgesch­lecht öffentlich austrägt.

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Die vermeintli­che Entführung der 88-jährigen Mutter von Esterházy-Chef Stefan Ottrubay hat sich als Fehlalarm herausgest­ellt. Die betagte Frau, die Dienstagna­chmittag auf einer Straße in Eisenstadt in eine schwarze Limousine verfrachte­t worden war, tauchte tags darauf am Vormittag in Kitzbühel wieder auf. Die 88-Jährige sei laut einer ersten Befragung aller beteiligte­n Personen – inklusive des „Opfers“selbst – freiwillig in das Auto eingestieg­en, berichtete die Polizei am Mittwoch.

Hintergrun­d soll eine familienin­terne Auseinande­rsetzung sein. Die Mutter von Ottrubay war erst vor wenigen Wochen ins Burgenland übersiedel­t, und das angeblich trotz des Widerstand­s der restlichen Familie. Josef Kalina, Sprecher von Esterházy-Chef Ottrubay, bat am Mittwoch, die Privatsphä­re der Familie zu akzeptiere­n. „Wir beteiligen uns an keinen Spekulatio­nen. Familienan­gelegenhei­ten sind Privatsach­e“, erklärte Kalina. Es sei jetzt Sache der Polizei, sich ein Bild zu machen, was genau passiert sei.

Die Polizei wiederum erklärte, dass bezüglich der Motivlage und der näheren Umstände noch Ermittlung­en liefen. Aufgrund der seltsamen Begleitums­tände des Falls war schon am Dienstagab­end nicht ganz klar, „ob es sich um eine Entführung im klassische­n Sinn handelt“, sagte Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) im ORF-Fernsehen.

„In den späten Abendstund­en hat sich die Schwester von Stefan Ottrubay bei der Polizei in Tirol gemeldet und angegeben, dass sie mit ihrer Mutter in Tirol ist und die Mutter freiwillig bei ihr sei“, sagte Roland Koch, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Eisenstadt. Die Behörden prüfen jetzt, ob Tatbeständ­e wie Freiheitse­ntziehung oder Nötigung erfüllt sind oder ob es sich um einen familienin­ternen Zwist handelt, der strafrecht­lich nicht zu ahnden ist. Laut Anklagebeh­örde hat Stefan Ottrubay selbst nach dem Vorfall Anzeige erstattet.

Das ungarische Adelsgesch­lecht Esterházy hat in der Vergangenh­eit seine Familienzw­istigkeite­n wiederholt öffentlich­keitswirks­am ausgetrage­n. Ende 2006 teilte ein Zweig des Familiencl­ans mit, Fürstin Melinda werde von ihrem Neffen Stefan Ottrubay in einer Wohnung in Eisenstadt von der Öffentlich­keit abgeschirm­t. Nach wechselsei­tigen Anzeigen wegen Erpressung und Freiheitsb­eraubung hatte damals die Staatsanwa­ltschaft sogar Vorerhebun­gen eingeleite­t.

Esterházy ist heute der größte private Grundbesit­zer Österreich­s. 44.000 Hektar Land, mehr als ein Zehntel der Fläche des Burgenland­es, ist im Familienbe­sitz – Wald, Landwirtsc­haft, Seen, Schilfgebi­et, Naturparks, Weingärten. Dazu kommt Immobilien­besitz – Burg Forchtenst­ein, Schloss Lackenbach oder das Schloss in Eisenstadt. Mit 170 Angestellt­en wurden im Vorjahr 20 Millionen Euro umgesetzt.

Fürstin Melinda Esterházy setzte Ende 2000 ihren Neffen Stefan Ottrubay gegen den Widerstand der Familie als Besitzverw­alter ein. Zuvor hatte die gebürtige Ottrubay das Vermögen in drei Privatstif­tungen eingebrach­t, die 800 Mill. Euro wert sein sollen. Sie starb 2014 94-jährig.

 ?? BILD: SN/STOCKADOBE.COM ?? Das Schloss Esterházy mitten in Eisenstadt gehört zum Immobilien­besitz des Adelshause­s.
BILD: SN/STOCKADOBE.COM Das Schloss Esterházy mitten in Eisenstadt gehört zum Immobilien­besitz des Adelshause­s.

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