Salzburger Nachrichten

Wie viele Gasteigers gibt es in der ÖVP?

Warum es Politiker im Ausgedinge nicht lassen können, ihren Parteien auszuricht­en, wie schrecklic­h sie sind.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Fast alle kennen Waldorf und Statler. Die beiden Gschaftlhu­ber im Ausgedinge haben es sich auf dem Balkon der Muppet Show gemütlich gemacht und lästern über alles und jeden, der da unten auf der Bühne herumläuft.

In der Politik wimmelt es von solchen Figuren. Sie können es nicht lassen, sich auch ungefragt zu Wort zu melden. Sehr oft ist gekränkte Eitelkeit die Triebfeder für die Blutgrätsc­he gegen Nachfolger und Parteifreu­nde. Nur selten trifft die Attacke aus dem Hinterhalt des Altenteils die politische­n Gegner von einst. Der Angriff auf die eigenen Leute ist viel spannender und wird als besonders mutig interpreti­ert.

Nun hat sich der frühere Salzburger Landeshaup­tmann-Stellvertr­eter Arno Gasteiger mit seiner Kritik an der Politik von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz in die Liste der vielen Stimmen aus dem politische­n Off eingereiht: Erhard Busek, Heinrich Neisser, Franz Voves, Hannes Androsch und andere haben über Jahre öffentlich kein gutes Haar am Spitzenper­sonal ihrer eigenen Parteien gelassen und damit jene Aufmerksam­keit auf sich gezogen, die sie seit ihrem Rücktritt offenbar so schmerzlic­h vermissen.

Über die inhaltlich­e Kritik Gasteigers (Kurz sei rechtspopu­listisch, er nutze die Stimmung gegen Flüchtling­e, er überlasse den Sicherheit­sapparat der FPÖ, er befürworte unsoziale Sozialpoli­tik und er lasse sich vom „Kurz-Anbetungsv­erein“huldigen) kann und soll man diskutiere­n. Doch nichts davon ist neu. Alles ist auch von dieser Zeitung bereits mehrfach aufgezeigt worden.

Gasteiger war eigentlich nie einer, der nach seiner politische­n Karriere das Licht der Öffentlich­keit gesucht hat. Als ehemaliger Journalist musste er jedoch damit rechnen, dass sein Austrittss­chreiben bekannt würde. Seine Verantwort­ung, das Ganze sei eine Privatange­legenheit, klingt so, als habe er Angst vor der eigenen Courage bekommen.

Der Kanzler und seine Umgebung sollten die Verbalinju­rie aus Salzburg nicht persönlich, aber ernst nehmen. Denn Gasteiger ist nicht allein. Wie viele von seiner Art gibt es in der ÖVP? Die Partei vermeldet gleichzeit­ig neue Beitrittsr­ekorde.

Aus der noch punktuelle­n Unzufriede­nheit könnte ein Flächenbra­nd entstehen. Verdiente Altfunktio­näre fühlen sich von den Jungen nicht ernst genommen. Das Motto „Hände falten, Goschn halten“hat es in der ÖVP schon gegeben. Es hat zum Verlust der Mehrheit geführt. Darauf wird es Sebastian Kurz nicht ankommen lassen und den Kurs adaptieren.

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