Burn-out durch Partnersuche im Internet
Große Auswahl und trotzdem keine Garantie auf Erfolg: Warum die moderne Suche nach der Liebe krank machen kann.
WIEN. Klick, wisch, weg: Was sich Frauen und Männer vor dem Smartphone-Zeitalter mit Tanzabenden, Briefen und Telefonaten erarbeiten mussten, überspringen heute viele mit ein paar Fingerbewegungen am Handy-Display. Ob auf Tinder, Parship oder anderen Seiten – mehr braucht es nicht, um im Internet kundzutun, ob einen ein anderer Mensch auf der Suche nach Liebe interessiert. Oder eben nicht.
Dieses Tempo, gerade auch rund um den Valentinstag, kann krank machen. Davor warnt Sabine Weiss, Coach und psychologische Lebensberaterin aus Wien. „Wer intensiv auf der Suche nach einem Partner ist, vielleicht auch noch auf zwei oder drei Plattformen gleichzeitig, der kann von seiner angestrengten Suche Burn-out bekommen.“
Wieso das möglich ist? „Ich arbeite mit Klienten, die sich DatingApps auf ihr Handy geladen und dann die gefühlte Auswahl an 1000 Partnern gehabt haben. Nach mehreren Treffen im echten Leben hat sich trotzdem nichts Fixes ergeben. Geblieben ist doppelter Frust, weil man sich ja so angestrengt hat. Das kann extrem belastend sein.“
Weiss betonte, dass das Kennenlernen im Internet für manche richtiggehende „Machbarkeitsfantasien“auslöse. Damit meint sie das trügerische Gefühl, dass Nutzer über den Erfolg in der Liebe selbst entscheiden könnten.
Heutzutage wird beinahe jede zweite Beziehung in Österreich geschlossen, nachdem die Partner im Netz aufeinander aufmerksam geworden sind. Das zeigt eine aktuelle Akonsult-Umfrage im Auftrag einer österreichischen Dating-App. 703 Singles gaben Auskunft über ihr Liebesleben.
Zwei Drittel der im Internet aktiven Singles sind an festen Beziehungen interessiert. Ein Viertel gibt zu, lockere Flirts zu suchen; die Digitalisierung hat auch die Suche nach einem Abenteuer unkomplizierter gemacht. Der Großteil der Befragten, nämlich 75 Prozent, hat seinen fixen Partner im Internet gefunden. War der Ort zum Verlieben früher oft der Arbeitsplatz, spielt in der vernetzten Zeit also das weltweite Web eine starke Rolle.
„Jemanden vorab in der virtuellen Welt kennenzulernen ist heute völlig normal. Ich habe es selbst getan und kenne kaum jemanden, der es nicht auch schon ausprobiert hat“, bestätigt die Wiener Beraterin Sabine Weiss. Die Zeiten, dass eine Internet-Liebe etwas Peinliches sei, über das man mit Familie und Freunden nicht offen spricht, seien längst vorbei. Das ist für Weiss ein großer Vorteil.
Sie lobt die Darstellung vieler Plattformen, die das Benutzen einfach machen. Nicht nur junge Singles könnten sich so auf die Suche nach ihrem idealen Lebensgefährten machen – sondern durchaus auch Seniorinnen und Senioren.
Negativ bewertet Weiss allerdings die Beliebigkeit, die mit der Partnersuche im Internet oft auftritt. „Die Verbindlichkeit geht verloren“, klagt sie und erinnert sich an ihre Kindheit und an die dicken Versandhaus-Kataloge, die im Postkasten steckten. Diese seien voll mit verlockenden Angeboten gewesen. Man habe gar nicht gewusst, was man auswählen soll. „Das kann uns heute auch beim Online-Daten passieren. Viele Singles sind außerdem nach dem Motto unterwegs, dass sie sich zwar einen Menschen näher ansehen und sogar treffen – dann aber weiterschauen, ob nicht noch jemand Besseres zu finden ist.“Dann baue sich großes Frustrationspotenzial auf, das sich – ebenso wie missglückte Kennenlernversuche – zum Burn-out auswachsen könne.
Damit das Suchen nach der Liebe nicht unbedingt in unnötigem Leiden endet, rät Sabine Weiss Nutzern von Online-Portalen und Dating-Apps zuallererst zu einer realistischen Selbsteinschätzung: „Ist man überhaupt wirklich bereit für eine neue Beziehung oder braucht man noch Zeit für sich selbst?
Diese Frage zu klären halte ich für sehr wichtig. Dann muss einem klar werden, was genau man sucht, einfach einen Freizeitpartner oder tatsächlich jemanden, mit dem man sein Leben teilen möchte.“
All jenen, die sich ein InternetProfil zulegen und für sich werben, legt die Wienerin ans Herz, sich seriös zu präsentieren. Das bedeutet etwa keine tiefen Ausschnitte für Frauen, keine angeberischen Posen für Männer. Weiss: „Die Darstellung sollte zu dem passen, was man sucht.“
Apropos Suche: Glücklich werden laut der Lebensberaterin diejenigen, die ihre Erwartungen an den nächsten Partner realistisch halten. Wer von einem intelligenten, gut aussehenden Partner träumt, muss sich vielleicht bilden und gut pflegen, um das zu bieten, was man selbst an seiner Seite haben möchte.
Bei allem Guten, das OnlineDating für eine geglückte Beziehung bringen kann, sollen Frauen und Männer aber nicht den „herkömmlichen“Weg aus den Augen lassen. „Da heißt es: Handy wegstecken, Kopf heben und die Menschen live und in Farbe wahrnehmen“, sagt Weiss. Verständnis hat sie jedoch für alle, die nicht in der Großstadt leben – für die sei das Internet dann wichtig, wenn der eigene Heimatort keine potenziellen Partner bereithält.
„Auswahl birgt doppelten Frust.“Sabine Weiss, Coach