„Wir können nur überraschen“
Schichtwechsel: Auf die Abfahrerinnen folgen nun die Technikerinnen und damit eine neue, ganz andere Erwartungshaltung der ÖSV-Damen im Riesentorlauf am Donnerstag.
ÅRE. Auf die Frage nach der Stimmung im heimischen Damenteam antwortete Bernadette Schild mit entwaffnender Offenheit: „Die kann ich nicht beurteilen, denn wir haben mit den Abfahrerinnen eigentlich gar nichts zu tun“, meinte Schild, „wir kommen erst an, wenn die abreisen, und die meisten Abfahrtstrainer kenne ich nicht einmal.“
So ist das in Zeiten der Spezialisten und Spezialistinnen, doch das kann in dem Fall auch ein Vorteil sein: Nach dem Frust in den SpeedDisziplinen und in der Kombination, wo zwei Mal Medaillen nur um je vier Hundertstelsekunden verpasst wurden, ist ein neuer Schwung durchaus gefragt. Doch nicht nur die handelnden Personen ändern sich, auch die Sichtweisen: War bei den Abfahrerinnen wegen der fünf Saisonsiege eine Medaille fast Pflicht, so wäre bei den Technikbewerben eine Medaille eine Überraschung. Zwei Chancen haben die ÖSV-Damen noch, um die erste medaillenlose WM seit Schladming 1982 zu verhindern, am Donnerstag im Riesentorlauf und am Samstag im Slalom.
Vor allem im Riesentorlauf ist man krasser Außenseiter: Die beiden besten Riesentorläuferinnen der letzten Jahre, Anna Veith und Stephanie Brunner, haben sich verletzt, Eva-Maria Brem steckt seit geraumer Zeit in einer Schaffenskrise und hat es daher gar nicht zur WM geschafft.
Die routinierteste Läuferin aus dem heimischen Quartett ist eindeutig Bernadette Schild. Zwar räumt sie sich selbst bessere Chancen im Slalom ein, doch „der Riesentorlauf ist dennoch kein Bewerb zum Aufwärmen, den nehme ich sehr ernst“. Die größte Stärke der Österreicherinnen in den nächsten Tagen: „Wir können nur überraschen, haben keinen Druck. Das war bei den Abfahrerinnen ganz anders, da wurden die Medaillen erwartet. Jetzt haben andere den Druck.“
Den hat vor allem Mikaela Shiffrin, die drei der sechs Weltcuprennen in der Disziplin gewonnen hat und amtierende Olympiasiegerin ist. Shiffrin verzichtete zuletzt auf Kombi und Teambewerb und stieß damit auf viel Unverständnis. „Ich weiß, dass die nicht jeder nachvollziehen kann, aber es war für mich die richtige Entscheidung, darauf kommt es an“, meinte die 23-jährige US-Amerikanerin. Ihre größte Konkurrentin ist wie im Slalom am Samstag Petra Vlhová (Slk). Die Titelverteidigerin könnte hier WMGeschichte schreiben: Tessa Worley könnte als erste Frau drei Mal Riesentorlauf-WM-Gold gewinnen.
Mit Sicherheit wird auch dieses Rennen vom Wetter mit beeinflusst werden. Nach den ersten WM-Tagen mit Temperaturen bis minus 28 Grad und danach tagelangem Schneefall samt Sturm überraschte das Wetter am Mittwoch neuerlich: Strömender Regen setzte der Piste mächtig zu – am Donnerstag soll es zwar trocken bleiben, aber für diese Region völlig ungewöhnlich sieben Plusgrade haben.