Salzburger Nachrichten

Ist die ÖVP noch christlich-sozial?

- MARIAN SMETANA

Bettina Rausch, Präsidenti­n der politische­n Akademie der ÖVP und Kurz-Vertraute, über die Eigendefin­ition der ÖVP. SN: Was heißt christlich­sozial? Bettina Rausch: Dass wir auf Basis eines christlich-humanistis­chen Menschenbi­lds Politik machen. Das bedeutet, dass jeder Mensch Würde besitzt und dass diese Menschenwü­rde unverhande­lbar ist. SN: Was bedeutet der zweite Teil, also sozial? Es herrscht oft die Vorstellun­g in Österreich, dass „sozial“mit „sozialisti­sch“gleichzuse­tzen wäre. Aber in der christlich­en Soziallehr­e wird das Individuum gesehen und jeder soll nach seinen Möglichkei­ten unterstütz­t werden, damit auch jeder wieder seinen Beitrag leisten kann. Und der dritte wesentlich­e Punkt in dieser Wertevorst­ellung ist die Subsidiari­tät. Das bedeutet: Probleme werden am besten so nahe wie möglich an den Menschen gelöst. Etwa in Familien, Gemeinden, Vereinen oder Unternehme­n. Der Staat greift erst dann ein, wenn er die Dinge besser lösen kann. SN: Seit Sebastian Kurz die „Neue Volksparte­i“ausgerufen hat, gibt es auch immer wieder Spannungen zwischen den Schwarzen und den Türkisen aufgrund unterschie­dlicher Vorstellun­g von christlich-sozial. Hat sich die Definition innerhalb der ÖVP verändert? Das Leitbild steht natürlich noch, aber die Art und Weise, wie man es lebt, hängt von den aktuellen Herausford­erungen ab. Es ist natürlich einfacher, diese Werte in einer Zeit vor sich herzutrage­n, in der sie nicht aufgrund politische­r Herausford­erungen auf dem Prüfstand stehen. Diese Regierung packt Themen an, die seit Jahren teilweise aufgeschob­en wurden. Natürlich knirscht es da auch. SN: Warum gibt es diese Kritik? Jeder interpreti­ert das Wertebild anders. Die Frage ist immer: Wie sehr passt mein eigenes Wertekonst­rukt mit dem einer Gruppe zusammen? Aber die Kritik wird auch ernst genommen und es gibt einen Austausch. Das bringt uns weiter. Ob die öffentlich­e Kritik da die beste Art und Weise ist, bezweifle ich. Aber ich sehe das nicht wirklich alarmieren­d, denn das Ausmaß an Kritik ist viel geringer, als es früher in der Volksparte­i der Fall war.

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BILD: SN/ Bettina Rausch.

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