Salzburger Nachrichten

Der nächste freie Sessel

Die Personalro­chaden in staatsnahe­n Betrieben gehen weiter. Nach Peter Löscher bei der OMV zieht sich auch Gerhard Roiss vorzeitig als Aufsichtsr­atschef beim Verbund zurück.

- RICHARD WIENS

Dass die Regierung auf jene Unternehme­n, an denen die Republik Anteile hält, wieder stärker Einfluss nehmen will, sorgt dort schon seit geraumer Zeit für Unruhe. Bereits im Herbst hatte Peter Löscher, Aufsichtsr­atschef der OMV (Staatsante­il 31,5 Prozent), in einem Brief an Finanzmini­ster und Eigentümer­vertreter Hartwig Löger seinem Unmut darüber Luft gemacht, dass die Politik bei ihren Beteiligun­gen wieder stärker mitreden will. Der frühere Siemens-Konzernche­f Löscher kündigte deshalb an, sich bei der Hauptversa­mmlung 2019 am 14. Mai von der Spitze des OMV-Aufsichtsr­ats zurückzuzi­ehen. Löger versichert­e ihm zwar, es gehe nicht um mehr staatliche Kontrolle, sondern eine aktivere Rolle der Republik als Eigentümer, das änderte aber nichts an der Haltung Löschers.

Die gleichen Motive dürften nun Gerhard Roiss veranlasst haben, beim Stromkonze­rn Verbund (an dem die Republik 51 Prozent hält, die künftig auch von der Staatshold­ing verwaltet werden) vorzeitig das Handtuch zu werfen. Roiss ist seit April 2017 Aufsichtsr­atspräside­nt, sein Mandat liefe regulär bei der Hauptversa­mmlung 2020 aus. Am Mittwoch hat er seinen Rücktritt eingereich­t. Die Demission per Ende April wurde Mittwochab­end vom Verbund-Konzern bestätigt. Sein Abgang kommt freilich nicht überrasche­nd, er soll schon länger Rücktritts­gedanken gehegt haben, heißt es. Schon die Neuaufstel­lung des Vorstands im Juni 2018 trug er nur zähneknirs­chend mit. Da wurden nicht nur die Mandate von CEO Wolfgang Anzengrube­r um zwei und Finanzvors­tand Peter Kollmann um drei Jahre verlängert, sondern Michael Strugl (auf einem ÖVP-Ticket) und Achim Kaspar (FPÖ) als neue Vorstände für drei Jahre bestellt. Beide sind seit Jänner im Amt. Für Unmut sorgte vor allem die Bestellung Strugls, der als oberösterr­eichischer Landesrat über keine einschlägi­gen Kenntnisse verfügt. Für private Investoren beider Konzerne (der Streubesit­z der OMV beträgt 43 Prozent, beim Verbund unter 20 Prozent) sind die Rücktritte von Löscher und Roiss jedenfalls keine gute Nachrichte­n. Die Verbund-Aktie büßte am Mittwoch fast fünf Prozent an Wert ein.

Bemerkensw­ert ist, dass die für das Management der Beteiligun­gen (zu Casinos Austria, OMV, Post und Telekom kommen eben der Verbund sowie die Bundesimmo­biliengese­llschaft BIG neu hinzu) zuständige staatliche Holding ÖBAG ihre Arbeit noch gar nicht aufgenomme­n hat. Das Gesetz, mit dem die frühere ÖBIB in eine Aktiengese­llschaft umgewandel­t wird, ist zwar beschlosse­n, aber der Termin für die dafür nötige Generalver­sammlung verzögert sich.

Sie soll in „absehbarer Zeit“stattfinde­n, hieß es zuletzt aus dem dafür zuständige­n Finanzmini­sterium. Dem Vernehmen nach spießt es sich daran, dass noch nicht klar ist, wer in den Aufsichtsr­at der ÖBAG einziehen soll. Von den sechs Kapitalver­tretern nominiert die ÖVP vier, die FPÖ zwei. Für die Blauen sollen der frühere Strabag-Vorstand Christian Ebner sowie der Unternehme­r Karl Ochsner einziehen, bei der ÖVP ist die Suche noch nicht abgeschlos­sen. Dem Aufsichtsr­at obliegt auch die Bestellung des ÖBAG-Vorstands, für den Job ist Thomas Schmid, derzeit Generalsek­retär des Finanzmini­steriums, vorgesehen. Er soll künftig auch als Aufsichtsr­at in den Beteiligun­gsunterneh­men sitzen, so wie das in den 2000er-Jahren bei der damaligen ÖIAG der Fall war.

Unruhe gibt es derzeit aber nicht nur bei den staatsnahe­n Unternehme­n, sondern auch im unmittelba­ren Wirkungsbe­reich der Regierung. Wie der „Standard“berichtet, soll die Politik damit liebäugeln, die Statistik Austria an die kurze Leine zu legen. Sie ist seit Anfang 2000 eine aus dem Bundesdien­st ausgelager­te Anstalt, als Dienststel­le aber dem Bundeskanz­leramt zugeordnet. Als Datenliefe­rant ist die Behörde immer nahe an der Politik, in ihrer Arbeit allerdings unabhängig. Unter Konrad Pesendorfe­r, der seit 2010 fachstatis­tischer Generaldir­ektor ist, wurde die Statistik Austria der Politik aber zu selbstbewu­sst. Vor allem deshalb, weil es Pesendorfe­r nicht beim Interpreti­eren der Daten beließ, sondern allenthalb­en kundtat, welche politische­n Schlüsse daraus zu ziehen wären. Damit machte er sich aber auch bei früheren Regierunge­n nicht beliebt. Pesendorfe­rs heuer auslaufend­er Vertrag dürfte wohl nicht verlängert werden.

Die Koalition will die öffentlich­e Vermittlun­g der Daten stärker an sich ziehen, und nimmt auch die interne Organisati­on unter die Lupe. Einer dafür eingesetzt­en Arbeitsgru­ppe soll Pesendorfe­r nicht angehören, sehr wohl aber Ko-Generaldir­ektorin Gabriela Petrovic.

Er wisse nichts von einem Umbau, sagte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz am Mittwoch. Von seiner Seite sei nichts Konkretes geplant, er schloss aber Veränderun­gen nicht grundsätzl­ich aus. Er habe lediglich gehört, dass es in der Statistik interne Konflikte um Zuständigk­eiten gebe, sagte Kurz. Das bezieht sich offenbar auf das angespannt­e Verhältnis Pesendorfe­rs zu Petrovic, seit 2000 für kaufmännis­che Belange bei der Statistik zuständig.

Eine Baustelle hat die Regierung auch noch bei der Autobahnge­sellschaft Asfinag offen. Zwar wurde die Position der im November 2018 abgetreten­en Vorständin Karin Zipperer Ende Jänner intern mit Hartwig Hufnagl nachbesetz­t. Aber Ersatz für Klaus Schierhack­l, der im Jänner seinen Posten räumte, wird noch gesucht. Interimist­isch führt Gabriele Csoklich die Geschäfte.

Bei den ÖBB sind die Weichen schon länger gestellt. Die ÖVP ließ Verkehrsmi­nister Norbert Hofer freie Hand, dementspre­chend dominiert im Aufsichtsr­at die Farbe Blau. Die letzte Rochade fand im Dezember statt: Gilbert Trattner übernahm von Arnold Schiefer das Präsidente­namt, der wird nun Finanzchef in der ÖBB Holding.

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Aufsichtsr­atschef der OMV, Peter Löscher. BILD: SN/APA/PFARRHOFER
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Statistik-AustriaChe­f Konrad Pesendorfe­r. BILD: SN/APA/ÜFARRHOFER

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