Merkel tritt zum Duell mit US-Vize Pence an
Beim großen Expertentreffen der Münchner Sicherheitskonferenz rücken Spannungen zwischen Europa und Amerika in grelles Licht.
Ursprünglich sollte von der Münchner Sicherheitskonferenz in diesem Jahr ein klares Signal ausgehen: Trotz Brexit zerbröselt Europa nicht. Wolfgang Ischinger, Leiter dieses international größten Expertentreffens zur Sicherheitsund Außenpolitik, lud dafür den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zu einem gemeinsamen Auftritt ein. Beide sagten zu. Doch dann überlegte Macron es sich angesichts der „Gelbwesten“-Proteste zu Hause anders. Die Konferenzplaner gerieten ins Schleudern.
Ein europäisches Signal gibt es mit der gemeinsamen Eröffnung durch die Verteidigungsminister Deutschlands und Großbritanniens, Ursula von der Leyen und Gavin Williamson, am Freitagnachmittag zwar trotzdem. Aber der inhaltliche Schwerpunkt verlagert sich erheblich. Merkel wird sich nun mit US-Vizepräsident Mike Pence messen müssen. Pence war schon vor zwei Jahren erstmals in München, um wenige Tage nach dem Amtsantritt von Donald Trump dessen außenpolitischen Kurs vorzustellen. Seine wichtigste Botschaft war damals ein Treueschwur: „Das ist Präsident Trumps Versprechen: Wir werden zu Europa stehen, heute und jeden Tag, weil uns dieselben Ideale zusammenschweißen: Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit.“ Transatlantisches Verhältnis Seitdem ist es zwischen Trump und den Europäern, zumindest den meisten Westeuropäern wie Deutschland, nicht so gut gelaufen. Der US-Präsident hat wichtige Abkommen aufgekündigt, ist in Handelsfragen auf Konfrontationskurs gegangen, droht Verbündeten mit Sanktionen und stellt internationale Organisationen infrage.
Merkel wird der national orientierten US-Außenpolitik ein Plädoyer für die internationale Zusammenarbeit entgegensetzen. „Der Multilateralismus, also die Überzeugung, dass wir miteinander mehr gewinnen, als wenn wir gegeneinander arbeiten, steht zur Debatte“, sagte die CDU-Politikerin zuletzt in einer Videobotschaft. „Ich werde mich in München sehr stark dafür einsetzen, dass die multilateralen Strukturen weiterentwickelt werden, aber erhalten bleiben.“In dem Rededuell wird es ohne Zweifel um den Streit über die NATO-Verteidigungsausgaben und wohl auch um die umstrittene GasPipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland gehen. Aus für INF-Vertrag Nach jahrelangen gegenseitigen Vorwürfen haben die USA und Russland Anfang Februar angekündigt, sich nicht mehr an ihr Abkommen zum Verzicht auf landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen gebunden zu fühlen. Vor allem die europäischen NATO-Partner der USA wollen ein neues Wettrüsten vermeiden und werden bei der Sicherheitskonferenz versuchen, Schlüsselpersonen wie den russischen Außenminister Sergej Lawrow zu Zugeständnissen zu bewegen. Die Erfolgsaussichten aber sind gering. Grund ist, dass sowohl den USA als auch Russland unterstellt wird, kein großes Interesse am Erhalt des INF-Vertrags zu haben. Das liegt vor allem daran, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Deal nur Amerikaner und Russen bindet, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China. Weltmacht China China ist bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit einer so großen und hochrangigen Delegation vertreten wie noch nie. Angeführt wird sie von dem Chef-Außenpolitiker der Kommunistischen Partei Chinas, Yang Jiechi. Der 67-Jährige redet am Samstag nach US-Vizepräsident Pence und ist dabei durchaus auf Augenhöhe. Wie weiter mit dem Iran? Die USA und Europa sind in dieser Frage tief gespalten. Während die USA Teheran mit Sanktionen dazu bewegen wollen, auf sein Raketenprogramm und die Einmischung in regionale Konflikte zu verzichten, setzen die wichtigsten europäischen Verbündeten auf Dialog. Sie wollen das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe retten, aus dem die Amerikaner ausgestiegen sind. Brisanterweise kommt US-Vizepräsident Pence direkt von einer Konferenz in Warschau nach München, die von Kritikern als Anti-Iran-Treffen gebrandmarkt wurde. Krisenherd Nahost Anders als in Warschau wird der Iran in München vertreten sein. Am Sonntag wird sich Außenminister Mohammad Javad Zarif ein Rededuell mit dem saudischen Staatssekretär Adel al-Jubeir liefern. Die zwei regionalen Großmächte sind direkt oder indirekt in die großen regionalen Konflikte wie in Syrien und im Jemen involviert. Abzug aus Afghanistan Etwa 18 Jahre nach Beginn des internationalen Militäreinsatzes kommt Bewegung in die Bemühungen um eine Lösung des blutigen Konflikts mit den Taliban. US-Präsident Trump strebt einen politischen Deal mit den radikalislamischen Kräften an, um amerikanische Soldaten nach Hause holen zu können. Bei NATO-Partnern werden die Pläne allerdings sehr kritisch gesehen. Sie befürchten, dass es im Fall eines schnellen Truppenabzugs wieder zu Rückschritten bei Demokratie und Menschenrechten kommen könnte.