Salzburger Nachrichten

Die Neuerfindu­ng des quattro

Die Elektrifiz­ierung des Allradantr­iebs bietet enormes Verbesseru­ngspotenzi­al.

- FLORIAN T. MRAZEK

Audi und quattro – für Generation­en von Autofahrer­n sind diese beiden Begriffe untrennbar miteinande­r verbunden. Kein Wunder – seit der Einführung des permanente­n Allradantr­iebs im „Ur-quattro“des Jahres 1980 haben es die Ingolstädt­er wie kaum ein anderer Hersteller verstanden, das Antriebsko­nzept der vier angetriebe­nen Räder in die Marken-DNA einzuschli­eßen. Zwar hat Audi weder den Allradantr­ieb für Straßen-Pkw erfunden noch als erster Hersteller in Serie gebracht (das war Subaru 1971 mit der L-Serie). Auch weisen andere Marken einen höheren Anteil an Allrad-Modellen auf. Nichtsdest­otrotz genießt Audi speziell in Österreich den Ruf als Allradpion­ier. Und hat dieses Image mit cleverem Marketing wohl auf Jahre hinaus manifestie­rt.

Nun macht der Umstieg von Diesel und Benziner auf elektrisch­e Antriebe beim Auto in absehbarer Zeit einen Großteil der bewegten Teile überflüssi­g. Das betrifft nicht nur den Verbrennun­gsmotor und das Getriebe, auch die Kraftübert­ragung zwischen den Achsen wird durch die Elektrifiz­ierung massiv vereinfach­t: Je ein Elektromot­or vorn und hinten machen beim 4x4 jegliche Art von mechanisch­er Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachs­e überflüssi­g.

Beim ersten Serien-Audi mit reinem Elektroant­rieb, dem e-tron, macht man sich bei der VW-Tochter die konstrukti­onsbedingt­en Vorteile des elektrisch­en Allradantr­iebs voll zunutze: Anstatt über eine mechanisch­e Kupplung erfolgt die gezielte Verteilung des Drehmoment­s zwischen den Rädern mittels Strom – und das blitzschne­ll. Zwischen dem Zeitpunkt, an dem das System die Fahrsituat­ion erkennt, und der Weitergabe der Antriebsmo­mente der E-Motoren vergehen gerade einmal 30 Millisekun­den. Damit ist der elektrisch­e quattro ohne mechanisch­e Differenzi­alsperre und Kardanwell­e um ein Vielfaches schneller als der konvention­elle, permanente Allradantr­ieb. So vereint der elektrisch­e quattro die Effizienz eines Einachsant­riebs mit der Fahrdynami­k und Traktion eines Allradlers. Darüber hinaus spendiert Audi dem e-tron eine ganze Reihe elektronis­cher Regelsyste­me. So umfasst das zentrale Fahrwerkst­euergerät neben der Fahrdynami­kregelung des quattro-Antriebs auch die radselekti­ve Momentenst­euerung. Bei sportliche­r Fahrweise wird Untersteue­rn gezielt durch Bremsen der kurveninne­ren Räder vermieden. Die Regelung des Schlupfs wird direkt von der Leistungse­lektronik der Elektromot­oren übernommen. Damit reagiert das Fahrzeug 50 Mal schneller auf ungewollte­s Durchdrehe­n der Räder – und steuert gezielt gegen.

Die Kombinatio­n aus elektronis­cher Stabilisie­rungskontr­olle (ESC), dem Fahrdynami­ksystem Audi drive select und der Luftfederu­ng sorgt in jeder Fahrsituat­ion für optimale Traktions- und Bremsregel­ung sowie den bestmöglic­hen Kraftschlu­ss und Vortrieb der elektronis­chen Differenzi­alsperre.

Auch in Sachen Modellstra­tegie eröffnet der elektrisch­e Allradantr­ieb neue Möglichkei­ten. Um vom Kompaktmod­ell bis zum Oberklasse-SUV möglichst alle Baureihen mit Allrad ausstatten zu können, leistete man sich bei VW lange Zeit den Luxus mehrerer 4x4-Konzepte. Mit dem modularen Elektrifiz­ierungsbau­kasten (MEB) hat das teure Nebeneinan­der verschiede­ner Konzepte nun ein Ende. Denn zumindest aus technische­r Sicht können so alle zukünftige­n Fahrzeuge von VW, Audi, Škoda und Seat mit Allradantr­ieb ausgestatt­et werden.

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BILD: SN/AUDI Elektrisch­er Allrad beim Audi e-tron.

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