Die Neuerfindung des quattro
Die Elektrifizierung des Allradantriebs bietet enormes Verbesserungspotenzial.
Audi und quattro – für Generationen von Autofahrern sind diese beiden Begriffe untrennbar miteinander verbunden. Kein Wunder – seit der Einführung des permanenten Allradantriebs im „Ur-quattro“des Jahres 1980 haben es die Ingolstädter wie kaum ein anderer Hersteller verstanden, das Antriebskonzept der vier angetriebenen Räder in die Marken-DNA einzuschließen. Zwar hat Audi weder den Allradantrieb für Straßen-Pkw erfunden noch als erster Hersteller in Serie gebracht (das war Subaru 1971 mit der L-Serie). Auch weisen andere Marken einen höheren Anteil an Allrad-Modellen auf. Nichtsdestotrotz genießt Audi speziell in Österreich den Ruf als Allradpionier. Und hat dieses Image mit cleverem Marketing wohl auf Jahre hinaus manifestiert.
Nun macht der Umstieg von Diesel und Benziner auf elektrische Antriebe beim Auto in absehbarer Zeit einen Großteil der bewegten Teile überflüssig. Das betrifft nicht nur den Verbrennungsmotor und das Getriebe, auch die Kraftübertragung zwischen den Achsen wird durch die Elektrifizierung massiv vereinfacht: Je ein Elektromotor vorn und hinten machen beim 4x4 jegliche Art von mechanischer Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachse überflüssig.
Beim ersten Serien-Audi mit reinem Elektroantrieb, dem e-tron, macht man sich bei der VW-Tochter die konstruktionsbedingten Vorteile des elektrischen Allradantriebs voll zunutze: Anstatt über eine mechanische Kupplung erfolgt die gezielte Verteilung des Drehmoments zwischen den Rädern mittels Strom – und das blitzschnell. Zwischen dem Zeitpunkt, an dem das System die Fahrsituation erkennt, und der Weitergabe der Antriebsmomente der E-Motoren vergehen gerade einmal 30 Millisekunden. Damit ist der elektrische quattro ohne mechanische Differenzialsperre und Kardanwelle um ein Vielfaches schneller als der konventionelle, permanente Allradantrieb. So vereint der elektrische quattro die Effizienz eines Einachsantriebs mit der Fahrdynamik und Traktion eines Allradlers. Darüber hinaus spendiert Audi dem e-tron eine ganze Reihe elektronischer Regelsysteme. So umfasst das zentrale Fahrwerksteuergerät neben der Fahrdynamikregelung des quattro-Antriebs auch die radselektive Momentensteuerung. Bei sportlicher Fahrweise wird Untersteuern gezielt durch Bremsen der kurveninneren Räder vermieden. Die Regelung des Schlupfs wird direkt von der Leistungselektronik der Elektromotoren übernommen. Damit reagiert das Fahrzeug 50 Mal schneller auf ungewolltes Durchdrehen der Räder – und steuert gezielt gegen.
Die Kombination aus elektronischer Stabilisierungskontrolle (ESC), dem Fahrdynamiksystem Audi drive select und der Luftfederung sorgt in jeder Fahrsituation für optimale Traktions- und Bremsregelung sowie den bestmöglichen Kraftschluss und Vortrieb der elektronischen Differenzialsperre.
Auch in Sachen Modellstrategie eröffnet der elektrische Allradantrieb neue Möglichkeiten. Um vom Kompaktmodell bis zum Oberklasse-SUV möglichst alle Baureihen mit Allrad ausstatten zu können, leistete man sich bei VW lange Zeit den Luxus mehrerer 4x4-Konzepte. Mit dem modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) hat das teure Nebeneinander verschiedener Konzepte nun ein Ende. Denn zumindest aus technischer Sicht können so alle zukünftigen Fahrzeuge von VW, Audi, Škoda und Seat mit Allradantrieb ausgestattet werden.