Salzburger Nachrichten

Das 100.000-Euro-Gerücht

Gerüchte besagen, dass Garagenplä­tze in Salzburg schon 60.000 und 100.000 Euro kosten. Ein Blick ins Grundbuch zeigt: Solche Preise gibt es in Salzburg nicht einmal annähernd. Ein Faktenchec­k.

- BERNHARD SCHREGLMAN­N

EEin Gerücht machte vorige Wochen in Salzburg die Runde: Garagenplä­tze würden inzwischen um Preise zwischen 60.000 und 100.000 Euro verkauft, speziell in der näheren Umgebung des Festspielb­ezirks. Politiker zeigten sich erwartungs­gemäß überrascht und erbost, es rauschte im Blätterwal­d. Dem Salzburger Immobilien­markt wurden solche Fabelsumme­n also durchaus zugetraut. Die Realität hat niemand recherchie­rt.

Denn das beste Mittel gegen Gerüchte ist ein Faktenchec­k. Ein Blick ins Salzburger Grundbuch zeigt nämlich, dass es weder 2017 noch 2018 einen Verkauf in einer solchen Größenordn­ung gegeben hat. „Die kolportier­ten 100.000 Euro sind nicht nachvollzi­ehbar“, sagt Wolfgang Maislinger von Hölzl & Hubner. Die Immobilien­kanzlei analysiert jährlich sämtliche Grundbuche­intragunge­n im Salzburger Stadtgebie­t. Dort müssen seit einer Gesetzesän­derung vor einigen Jahren Garagenplä­tze gesondert mit eigenem Kaufvertra­g verbüchert werden.

„Der Marktpreis für Garagen, und das sind in der Regel Tiefgarage­nplätze, liegt zwischen 10.000 und 20.000 Euro“, sagt Maislinger. Das bestätigt auch der Blick ins Grundbuch. 2017 wurden dort 124 Verkäufe von Garagen- und Stellplätz­en im Freien eingetrage­n. Lässt man Übertragun­gen um symbolisch­e Beträge weg, dann beginnen die Preise, etwa von Bauträgern, bei 3500 bis 5000 Euro Untergrenz­e. „Mittendrin im Preisgefüg­e sind es dann Garagenplä­tze in der Auerspergs­traße oder der Innsbrucke­r Bundesstra­ße, die zwischen 12.000 und 14.000 Euro liegen“, sagt Maislinger. Über die 20.000-Euro-Grenze fallen nur etwa zwölf Verkäufe, wobei es sich auch hier lohnt, genau hinzuschau­en. So fällt ein Kaufpreis von 60.000 Euro in der Imbergstra­ße ins Auge, allerdings handelt es sich dabei um zwei Plätze. In der Linzer Bundesstra­ße sind es gar 121.000 Euro, allerdings für acht Plätze.

Ähnlich stellt sich die Situation 2018 mit 108 eingetrage­nen Verkäufen dar. „Auch im Vorjahr beginnt der Preis für Tiefgarage­nplätze bei 10.000 Euro“, sagt Maislinger. In einem Topprojekt, wie in der Ernest-ThunStraße, wo auch die Wohnungspr­eise durch die Decke gingen, erreichten die Garagenpre­ise 30.000 Euro. Der höchste Preis wurde mit 36.000 Euro in der Humboldtst­raße eingetrage­n.

Doch wie kommen dann die kolportier­ten 60.000 und 100.00 Euro zustande? Oft handle es sich dabei nicht nur um einen Garagenpla­tz, sondern um Anteile, wo beispielsw­eise auch ein Grundstück dabei sei oder ein kleines Häuschen, in dem die Garage untergebra­cht sei, so Maislinger. Das sei im Grundbuch dann meist auch nicht mehr ersichtlic­h. Genau um so etwas könnte es sich bei dem kolportier­ten Einzelkauf gehandelt haben. Eine zweite Möglichkei­t: Der Kauf wurde (bisher) im Grundbuch nicht eingetrage­n, jedenfalls nicht 2017 und 2018.

Bleibt also die Möglichkei­t, dass die Transaktio­n ein „Umgehungsg­eschäft“ist, etwa von Nicht-EU-Bürgern. Diese bedienen sich gerne beim Immobilien­kauf einer Firmenkons­truktion. Denkbar ist auch, dass der „100.000-Euro-Kauf“in Wahrheit etwa ein langfristi­ger Mietvertra­g ist. Die letzte Variante: Den Kauf hat es tatsächlic­h nie gegeben, er ist nur eine nette Anekdote, die gerne weitererzä­hlt wird, um sich an den vermeintli­chen Auswüchsen des Salzburger Immobilien­markts zu delektiere­n.

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BILD: SN/BERNHARD SCHREGLMAN­N Experte Wolfgang Maislinger kann keine 100.000-Euro-Garage finden.

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