Knalleffekt nach dreizehn Jahren
Mehr als 13 Jahre nachdem der Bawag-Skandal durch einen Hunderte-Millionen-Blitzkredit an ein US-Brokerhaus ins Rollen gekommen war, erhob die Justiz Anklage gegen vier Bawag-Spitzenmanager.
WIEN. Während die Justiz sich weiter durch den unendlichen GrasserProzess müht, kommt es zu einem Knalleffekt in einer anderen Endloscausa. Im mutmaßlichen Betrugsfall Bawag/Refco, in dem die Staatsanwaltschaft seit mehr als zehn Jahren ermittelt, werden vier ehemaligen Spitzenmanagern der Gewerkschaftsbank gerade die Anklageschriften zugestellt.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien bestätigte den SN am Freitag, dass in der Causa Refco – es geht um einen 350-Mill.-Euro-Blitzkredit der Bawag an die strauchelnde US-Investmentfirma Refco im Jahr 2005 – Anklage wegen schweren Betrugs und Untreue gegen vier ehemalige Bawag-Topbanker erhoben wurde. Der seinerzeit unter recht mysteriösen Umständen an einem Sonntag von den Banken vergebene Millionenkredit hatte in der Folge erst das Auffliegen des BawagSkandals ins Rollen gebracht.
Angeklagt werden, wie den SN aus Kreisen der Verteidiger bestätigt wurde, der ehemalige BawagVorstandschef Johann Zwettler und die beiden Ex-Bawag-Vorstände Peter Nakowitz und Christian Büttner – alle drei saßen auch im Bawag- Prozess auf der Anklagebank – sowie der 51-jährige frühere Generalsekretär der Bank S. Das Justizministerium hat einen dementsprechenden Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Wien gutgeheißen. Für die vier Ex-Bawag-Manager gilt die Unschuldsvermutung.
Der 9. Oktober 2005 ging unrühmlich in die Annalen der ehemaligen Gewerkschaftsbank Bawag ein: An diesem Sonntag gewährte der Bawag-Vorstand unter dem damaligen Vorstandschef Johann Zwettler dem Ex-Chef des unmittelbar vor der Pleite stehenden USBörsenmaklers Refco, Phillip Bennett, einen Blitzkredit in Höhe von 350 Mill. Euro. Der einstige Börsenstar Bennett hatte gewaltige Verluste gemacht und verzweifelt versucht, sie zu vertuschen. Zur Zeit der Blitzüberweisung aus Wien war sein Brokerhaus, an dem die Bawag sogar vorübergehend beteiligt gewesen war, bereits pleite. Als Zwettler und seine Mitvorstände realisierten, wie es um Bennetts Firma stand, versuchten sie vergeblich, das Geld zurückzuholen. Schon am 17. November 2005 trat Zwettler nach drei Jahren an der Spitze der Bawag zurück. „Ich möchte bewirken, dass die Bank aus dem Trommelfeuer kommt, in das sie durch die Causa Refco hineingezogen wurde und das nicht ökonomisch bedingt ist“, sagte der scheidende Bankchef damals. Zwettlers Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Gewerkschaftsbank geriet in der Folge in immer heftigeres Trommelfeuer.
Spätestens seit dem Vorfall um den der Refco in den Konkurs nachgeworfenen Millionenkredit interessierten sich auch US-Ermittler für die Gewerkschaftsbank aus Österreich. Dass die heimische Finanzmarktaufsicht ein Verfahren noch im Dezember 2005 mangels Beweisen einstellte, beirrte die USBehörden und US-Medien nicht. Sie hatten sich längst festgebissen.
Im März 2006 platzte endgültig die Bombe: Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete im Betrugsfall Refco von „Phantomanleihen“in Höhe von Hunderten Millionen Euro in der Karibik. An den Geschäften sei auch die Bawag beteiligt. Nach und nach kam das Ausmaß der Bawag-Katastrophe zum Vorschein, in deren Verlauf Milliardenverluste jahrelang in einem Geflecht aus Briefkastenfirmen und Stiftungen in Steuerparadiesen versteckt worden waren. Die Verluste, die die Bawag mit ihren Krediten an Investmentbanker Wolfgang Flöttl erwirtschaftet hatte, flogen auf.
Der Verbleib der von Flöttl angeblich vollständig verspekulierten 1,4 Milliarden Euro wurde auch im Bawag-Strafprozess nicht geklärt. Das Verfahren endete nach fast sechs Jahren inklusive einer erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde und einer Wiederholung des Prozesses mit fünf Freisprüchen und vier Verurteilungen. Helmut Elsner, der von Juni 1995 bis April 2003 der Bank als Generaldirektor vorstand, bekam mit zehn Jahren Haft die mögliche Höchststrafe. Elsner saß könnte ähnlich wie beim Grasser-Prozess zum massiven Hindernis bei der Wahrheitsfindung werden, wenn sich Angeklagte und Zeugen an 13 Jahre zurückliegende Sachverhalte erinnern müssen. Zehn Jahre Ermittlungen würden im Verurteilungsfall auch eine zwingende massive Strafmilderung bedeuten, die schon die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festschreibt. 2014 wurde in Österreich zudem eine Regelung eingeführt, laut der strafrechtliche Ermittlungsverfahren grundsätzlich eine Drei-JahresGrenze haben. Nach den Endlosermittlungen in der Causa Buwog gilt sie als „Lex Grasser“.
Erst am Donnerstag erklärte Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, bei einer Diskussionsrunde im Justizpalast allgemein im Hinblick auf „hausgemachte“überlange Verfahrensdauern: „Es kann nicht sein, dass die Dauer des Verfahrens die Sanktion ist.“Und schon Ende 2017 hatte Pilnacek zur Causa Refco fast erzürnt erklärt: „Die lange Verfahrensdauer im Fall Refco ist schwer zu argumentieren. Das Refco-Verfahren ist ein schwarzes Loch, das ist infernal, ersparen Sie mir jeden weiteren Kommentar.“