Bei der Anni und an der Urne ist bestimmt alles endgeil
Über den Untergang von Wörtern, die alte Säckinnen und Säcke nicht vergessen wollen.
„Wählen ist saugeil“steht auf dem Transparent. Es schaut recht überparteilich offiziell aus, wie es da hängt hoch über einer Brücke über der Salzach. In Salzburg wird ja in einer Woche gewählt. Da schadet ein bisschen Werbung für dieses Grundrecht unserer Demokratie nicht. Und so schön bunt wie das Transparent da im Frühlingsföhn flattert, zielt seine Botschaft auf Jungwählerinnen und Jungwähler. Irre Idee, oder? Hip geradezu, nicht richtig krass, aber doch fast geil.
Es ist ja schon ein bisschen Politikverdrossenheit festzustellen in der Jungwählerschaft. Das ist das Problem vom ersten Mal: Man darf und möchte auch, aber so richtig sicher ist man sich seiner Sache nicht. Und eine gewisse Wurstigkeit gegenüber politischen Diskursen existiert in dem Alter auch bei einigen. Mit 16 kann man durchaus andere Sachen im Kopf haben als die richtige Partei. Party. Schule. Sneakers kaufen. Netflix. Das sind zeitraubende Angelegenheiten. Da könnte man auf so eine Wahl schon auch vergessen. Damit das nicht passiert, gibt es dieses Transparent. Es soll die Jungen quasi zur Urne treiben. Dafür wurde ein Reizwort ausgesucht, mit dem man sich so etwas von brutal an die Jungen von heute heranschmeißt; ein Wort, das Party und Lässigkeit verspricht: „Saugeil!“
Saugeile Idee! So hätte man das noch vor zwei, drei Jahrzehnten gar nicht sagen können. „Geil“hat sich von seiner Jahrhunderte langen Bedeutung als „kraftvoll“, „mutig“oder „lustvoll“in den 1970er-Jahren hin zu einem Ausdruck für „sexuell erregt“oder „sexuell attraktiv“entwickelt. Das Wort wurde eher geflüstert als ausgesprochen. Ich war dabei, als Freunden eine Watschn angedroht wurde, bloß weil wir sagten, dass die Anni geil ist. Irgendwann hat sich das aufgehört. Irgendwann gab es keine Watschn-Drohung mehr. Die Anni ist weggezogen. „Geil“mutierte zum Allerweltswort. Sogar der Geiz wurde geil, womit das Wort endgültig seine Kraft eingebüßt haben dürfte. Spätere Steigerungsstufen des Wortes wie „endgeil“oder eben „saugeil“waren nur mehr ein schlaffer Abglanz seiner ursprünglichen Erregung. „Wählen ist saugeil“steht da also. Und mit ein paar anderen alternden Säckinnen und Säcken steh ich unter dem Transparent und lächle. „Saugeil“– da reißt es dich doch nur, wenn du in den 1970ern aufgewachsen bist. Womit die Plakataufhänger ihr Ziel auch erreicht haben. Wir sind vielleicht nicht mehr die Zukunft, aber für immer jung. Krass.