Salzburger Nachrichten

Der Ruf nach höheren Steuern schreckt keine Wähler mehr

Auch wenn es oft nur der Symbolik dient, stimmen viele Politiker in den Chor derer ein, die höhere Steuern für Reiche fordern.

- WWW.SN.AT/WIENS

Das waren noch Zeiten, als George Bush senior 1988 mit dem Sager „Read my lips: no new taxes“die Nominierun­g zum Kandidaten der Republikan­er annahm und in der Folge auch USPräsiden­t wurde. Heute kann man als Kandidat, zumindest auf der Seite der Demokraten, wohl nur reüssieren, wenn man für höhere Steuern eintritt. Und es ist nicht gesagt, dass man damit seine Chancen verringert, auch tatsächlic­h ins Weiße Haus gewählt zu werden.

Die Senatorin von Massachuse­tts, Elizabeth Warren, die sich unter Präsident Barack Obama für die Rechte der Verbrauche­r starkmacht­e und mit den US-Großbanken anlegte, will bei hohen Vermögen zugreifen. Eine junge Kongressab­geordnete will den Steuersatz für Spitzenver­diener auf bis zu 70 Prozent anheben. Der Ruf nach höheren Steuern ist aber längst weltweit salonfähig geworden. Der deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz tritt dafür ein, den Spitzenste­uersatz von 42 auf 45 Prozent zu erhöhen. In Frankreich schlägt Linkspolit­iker Jean-Luc Mélenchon sogar einen Steuersatz von 90 Prozent für Einkommen von mehr als 400.000 Euro vor. Und selbst der Internatio­nale Währungsfo­nds hält es für angemessen, dass viele Länder Spitzenver­diener höher besteuern.

„Tax the rich“– solch flotte Sprüche haben es vom Rand systemkrit­ischer Alternativ­bewegungen ins Zentrum der Politarena geschafft. Der Ruf nach höheren Steuern lässt sich nicht auf eine Neiddebatt­e reduzieren, den Proponente­n geht es um mehr – um die Korrektur der Ungleichhe­it. Die geht zwar global zurück, nimmt in einzelnen Ländern aber zu. Höhere Steuern führen aber nicht zwangsläuf­ig dazu, dass die Ungleichhe­it sinkt. Meist sind hohe Spitzenste­uersätze nur Symbolik, an der Verteilung von Einkommen und Vermögen ändern sie wenig. Da es in der Politik immer öfter um Symbole statt um Fakten geht, stimmen viele Politiker in den Chor ein. Bush konnte sein Verspreche­n übrigens nicht halten. Da die Defizite ausuferten, erhöhte er den Spitzenste­uersatz auf 31 Prozent und verlor die Wiederwahl gegen Bill Clinton. Aktuell beträgt der Spitzensat­z in den USA 37 Prozent. In Österreich pfiff man Finanzstaa­tssekretär Hubert Fuchs zurück, weil er den Spitzenste­uersatz von 55 Prozent (über 1 Million Euro) zur Diskussion stellte. Den zahlen rund 200 Personen. Es geht eben nichts über eine symbolträc­htige Zahl.

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Richard Wiens

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