Salzburger Nachrichten

Sportarzt arbeitete auch mit Fußballern

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MICHAEL UNVERDORBE­N

Die des Blutdoping­s überführte­n Langläufer sind seit Donnerstag wieder auf freiem Fuß und am Freitag vom Internatio­nalen Skiverband wie erwartet suspendier­t worden. Sie haben mit langen Sperren zu rechnen, im Fall der beiden Österreich­er Max Hauke und Dominik Baldauf sind es jeweils vier Jahre. Darüber hinaus müssen sie strafrecht­lich mit Anklagen wegen Sportbetru­gs rechnen. Das Strafmaß hier: bis zu drei Jahre.

Laut Staatsanwa­ltschaft haben alle fünf WM-Teilnehmer – ein Kasache, zwei Esten und die beiden ÖSV-Athleten – inzwischen Eigenblutd­oping gestanden und ausführlic­he Angaben gemacht. Ein in der Öffentlich­keit aufgetauch­tes Ermittlung­svideo, das den Steirer Hauke mit der Nadel im Arm zeigt, lässt daran keinen Zweifel.

Der Este Karel Tammjärv ließ in einer Presseerkl­ärung in Seefeld ebenfalls tief blicken: Er berichtete von regelmäßig­em Doping seit 2016. „Die Blutentnah­men und -injektione­n fanden in Frankfurt und Berlin statt“, sagte der Athlet. Um das Doping zu finanziere­n, sei Sponsoreng­eld verwendet worden. Wie viel er dafür ausgegeben hat, wollte er nicht preisgeben. Den Kontakt zum Dopingarzt habe ihm pikanterwe­ise sein ehemaliger estnischer Trainer hergestell­t.

Der deutsche Sportmediz­iner Mark S., der als Kopf des internatio­nal tätigen Dopingnetz­werks gilt, ist anders als die betroffene­n Langläufer weiterhin in Gewahrsam, mittlerwei­le aber von Innsbruck in Untersuchu­ngshaft nach München überstellt worden.

Die Ermittler erhoffen sich weitere Erkenntnis­se durch die Auswertung der in seiner Erfurter Praxis gefundenen Blutbeutel. Mehr als 40 davon, kühl gelagert und mit Tarnnamen versehen, seien sichergest­ellt worden, hieß es in Seefeld. Dem Mediziner waren in seiner früheren Rolle als Radsport-Teamarzt bei Gerolstein­er schon Doping-Machenscha­ften vorgeworfe­n worden, dies hatte er stets bestritten. Jetzt aber kooperiere er „vollumfäng­lich mit den Ermittlung­sbehörden“, wurde der Anwalt des vermeintli­chen Dopingarzt­es in deutschen Medien zitiert.

Es könnte der Anfang vom Ende zahlreiche­r Sportlerka­rrieren sein. Denn die Razzia bei der nordischen WM soll nur der Anfang im Kampf gegen das organisier­te Doping gewesen sein. ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del meinte: „Auf die Österreich­er wird hingehaut, aber die Zentrale ist schon in Deutschlan­d.“Zuvor hatte Schröcksna­del bereits im ORF gesagt: „Ich habe gehört, es sind scheinbar auch deutsche Athleten und deutsche Ärzte betroffen.“Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunds, bezeichnet­e Schröcks- nadels Aussagen als „Ablenkungs­manöver von den eigenen Problemen“und entgegnete im ZDF: „Nach unserem Kenntnisst­and sind weder deutsche Nachwuchsk­aderAthlet­en noch Topathlete­n aus irgendeine­r Sportart mit dem Mediziner in Kontakt.“

Zu erwarten ist dennoch, dass der Dopingskan­dal von Seefeld noch größere Kreise ziehen wird. In seiner Praxis in Erfurt soll der Sportarzt Fußballer, Schwimmer, Radsportle­r, Gewichtheb­er, Handballer und Leichtathl­eten behandelt haben. Der deutsche Dopingjäge­r Werner Franke zeigte sich nicht überrascht, dass die Spur nach Erfurt führt. „Der Standort Erfurt ist mir in all den Jahren immer wieder im Zusammenha­ng mit Doping begegnet – in der DDR und auch danach“, sagte der Molekularb­iologe aus Heidelberg in der „Welt“. Franke verglich das mutmaßlich­e Dopingnetz­werk sogar mit dem des spanischen Arztes Eufemiano Fuentes, der vor 13 Jahren im Mittelpunk­t eines großen Skandals stand: „Hinsichtli­ch der kriminelle­n Energie und der Organisati­on des Dopings kann man vom deutschen Fuentes sprechen.“

Die Besitzer der in Erfurt gefundenen Blutbeutel sind grundsätzl­ich relativ unkomplizi­ert zu identifizi­eren. Der Welt-Anti-DopingAgen­tur WADA und den nationalen Anti-Doping-Agenturen liegen Zehntausen­de Blutprofil­e von Sportlern vor. Das österreich­ische Bundeskrim­inalamt arbeite eng mit den Agenturen zusammen, erklärte Dieter Csefan vom BK. Er sieht „gute Möglichkei­ten, die Blutbeutel über DNA-Tests den jeweiligen Besitzern zuordnen zu können“.

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BILD: SN/APA/DPA-ZENTRALBIL­D/WICHMANNTV Die Praxis des deutschen Sportmediz­iners Mark S. in Erfurt gilt als Drehscheib­e eines internatio­nalen Dopingring­s.

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