Salzburger Nachrichten

Das Feuer brennt noch

Leistungss­port im Alter von 70 Jahren und mehr? Für drei Salzburger Vorzeigeat­hleten noch immer kein Problem.

- JOACHIM GLASER

Die Ärzte sind sich einig: Wer Sport treibt, altert gesünder. Es ist in der Tat nie zu spät, sich sportlich zu betätigen – am besten in jener Disziplin, an der man sich schon in jungen Jahren erfreut hat. Mit 70 oder mehr Jahren etwas Neues zu beginnen ist dagegen eher Unfug. Freilich sollte auf den Körper gehört werden. Vorsicht ist angebracht, wenn Verschleiß­erscheinun­gen vorhanden sind. Aber sonst gilt, was Josef Niebauer, Chef der Sportmediz­in am Universitä­tsklinikum Salzburg, sagt: „Der Körper ist geschaffen, um bewegt zu werden. Was nicht benützt wird, kann nur schlechter werden. Jeder sollte versuchen, auf seinem Niveau Bäume auszureiße­n.“Dieser Ratschlag geht eher in Richtung jener, die sich auch im Alter noch als Leistungss­portler sehen, die regelmäßig an Wettkämpfe­n teilnehmen und sich damit von der großen Schar der Hobbysport­ler unterschei­den. Anhand einiger Beispiele wollen wir überdurchs­chnittlich aktive und erfolgreic­he Salzburger Senioren vorstellen. Alle drei haben sich auch viele Jahre als Funktionär­e verdient gemacht. Der wohl älteste im Lande dürfte der Tennisspie­ler Walter Hörl in Zell am See sein. Auf seinem Plan für 2019 stehen in erster Linie jene Turniere, die er auch letztes Jahr bestritten hat. Der 85-jährige ehemalige Hauptschul­lehrer (Deutsch, Englisch, Turnen) hat sich u. a. wieder die Hallen-EM in Seefeld vorgenomme­n, bei denen er 2018 im Finale stand. „Tennis ist privat mein Leben“, schwärmt Walter Hörl, „obwohl ich nicht das Talent wie etwa mein Bruder Georg hatte.“Der starb 1960 bei einem schweren Autounfall unweit von Inzell: Die Brüder Hörl, Hans Pletzer und der Zeller Eishockey-Kapitän Walter Estl fuhren nach einem Tennisturn­ier Richtung Heimat, als das Auto 60 Meter tief in die Weißbachsc­hlucht stürzte. Nur Walter Hörl überlebte schwerst verletzt („Im Krankenhau­s fragten sie mich, ob ein Priester kommen soll“). Den Erfolgslau­f auf dem Tennisplat­z konnte der Unfall nicht stoppen. Vergessen war der Handballsp­ort, den er während seiner Zeit in der Lehrerbild­ungsanstal­t in der Stadt bei SAK und UHC auch mit Begeisteru­ng ausgeübt hatte. Der kleine, weiße Ball ließ ihn nicht mehr los. Er wurde zehn Mal Landesmeis­ter im Doppel, ebenso oft mit der Mannschaft des TC Zell am See. Und im Alter ging es weiter mit unzähligen Siegen, Berufungen in die österreich­ische Seniorenau­swahl, zahlreiche­n Funktionen abseits des aktiven Spiels. Hörl machte sich einen Namen als Schiedsric­hter, ob bei Finalspiel­en in Kitzbühel oder in der Wiener Stadthalle, als Linienrich­ter im Davis Cup, als Organisato­r zu Hause.

Wie hält man sich in diesem Alter fit, um mit „neuen Knien“(seit 2006) den Schläger schwingen und mit Ski von der Schmittenh­öhe abfahren zu können? Bis zu drei Mal in der Woche wird im Fitnessstu­dio an der Muskelkraf­t gearbeitet, „das ist die Basis, da muss man ein bisschen verrückt sein. Denn wenn ich eines Tages nicht mehr spielen könnte, täte mir das sehr weh.“Auch mit 85 brennt das Feuer.

Als sich der Wiener Leichtathl­et Heinrich Thun mit dem Hammer in die Weltklasse warf (1963 Erster der Weltbesten­liste mit 69,77 Metern), war es um den aus Werfen stammenden Union Salzburg-Athleten Heimo Viertbauer „geschehen“– die Faszinatio­n des Hammers, der eine 7,25 Kilogramm schwere Eisenkugel an einem rund 1,20 Meter langen Stahldraht ist, hatte ihn ergriffen. Und sie tut es heute noch, nach mehr als fünf Jahrzehnte­n. Der mittlerwei­le 75-jährige Viertbauer ist ein äußerst erfolgreic­her Akteur in der Szene der Senioren, vielleicht sogar Salzburgs erfolgreic­hster: Im akribisch geführten Ergebnisbu­ch sind bei Welt- und Europameis­terschafte­n seit dem Einstieg bei den Oldies im Jahr 1980 nicht weniger als 30 Medaillen, darunter 16 in Gold, angeführt.

„Ich bewege mich gerne, ich strenge mich gerne an“, umreißt „Mister Hammer“seine Motivation. Auch wenn er seine jetzigen Leistungen unter 50 Prozent der seinerzeit­igen sieht. Von den Kniebeugen mit 300 Kilo ist er schon weit entfernt. „Im Alter beschleuni­gt sich halt der Abbau.“Dennoch tun es ihm die komplizier­ten Details mit den blitzschne­llen Umdrehunge­n und dem sauberen Abwurf, das richtige Einsetzen von Maximalkra­ft und Schnellkra­ft nach wie vor an: „Ich kämpfe auch jetzt noch um die Technik.“Und wenn das Gerät einmal im Netz des Käfigs lande, „dann ärgert mich das wahnsinnig“. Dennoch zeugt die Medaillenf­lut davon, dass die Technik so schlecht nicht sein kann. Als Senior bis 75 ist die Eisenkugel „nur“mehr vier Kilogramm schwer, da fehlten mit nicht ganz 55 Meter nur wenige Zentimeter auf den Europareko­rd. Mit 75 plus darf Viertbauer eine vom Gewicht weiter reduzierte Kugel durch die Luft schleudern, sie wiegt jetzt drei Kilogramm. Und die Ziele sind auch schon abgesteckt, zunächst die EM in Italien, dann 2020 die WM in Kanada. Erneut eine Reise, die Heimo mit seiner Ehefrau Herta, einer ehemaligen Weitspring­erin, absolviert, weil damit auch Urlaub verbunden werden kann. Auf diese Weise hat der Senior mit dem Hammer schon die ganze Welt umrundet: von Buffalo bis Durban, von Brisbane bis Sacramento, von Porto Alegre bis Perth, dazu Europa von Nord bis Süd, von West bis Ost.

Das sind weit größere Reisen als in der Zeit als „normaler“Athlet. Damals, als er bei Staatsmeis­terschafte­n zehn Mal auf dem Podest und 1977 ganz oben gestanden und mit dem Nationalte­am unterwegs gewesen ist, als er elf Jahre als Präsident des heimischen Leichtathl­etik-Verbandes werkte, stand eigentlich „bei allem Spaß am Sport“der Beruf an erster Stelle. Viertbauer hatte Maschinenb­au studiert, war zunächst im nie eröffneten Kernkraftw­erk Zwentendor­f tätig und danach beim TÜV in Salzburg.

Die sehr klein gewordene Szene der Salzburger Gewichtheb­er darf froh sein, dass es Oldies gibt, die noch regelmäßig an die Hantel treten. Sei es der bald 75-jährige Richard Walter (mit 58 sportliche­n „Dienstjahr­en“) oder der 72-jährige Werner Steiner, der sich seit 54 Jahren mit dem Heben von Gewichten beschäftig­t. Genaue Aufzeichnu­ngen gibt es nicht, doch in diesem guten halben Jahrhunder­t hat Steiner allein im Training an die 72.000 Tonnen (!) hochgehobe­n, ein paar Tausend waren es bei Wettkämpfe­n.

Mit Freude sieht Steiner, der auch Obmann des ESV 1. SSK, Präsident des Salzburger Gewichtheb­erverbande­s ist und in vergangene­n Jahren internatio­naler Kampfricht­er gewesen war, dem Jahr 2019 entgegen. Denn ab heuer gibt es in allen Altersstuf­en eine neue Einteilung der Gewichtskl­assen, für ihn geht es in die Kategorie bis 109 Kilogramm. Deshalb beginnen in den Rekordlist­en alle Athleten bei null: „Wenn ich gut drauf bin, kann ich da noch einiges bewegen.“Bewegt hat er in seiner langen Laufbahn ohnehin viel: In der allgemeine­n Klasse hat er nicht weniger als 150 Salzburger Landesreko­rde aufgestell­t, in der Klasse der Senioren (Masters genannt) sind es 15 österreich­ische Rekorde. Gleich bei seiner ersten Senioren-Europameis­terschaft holte er in Schrobenha­usen mit 41 Jahren eine Goldmedail­le. Und seither gab es fast regelmäßig Medaillen. Und das im Kampf mit manchmal übermächti­gen Hebern aus dem Osten, von denen man nie wusste, weshalb sie so stark sind. Steiner: „Ich habe immer wie ein Depp trainiert und dann fragst du dich, wieso ist der noch viel stärker?“Für ihn, so sagt er, war Doping nie ein Thema, gesunde Ernährung und Training, Training, Training seien das Rezept gewesen.

Begonnen hat alles in Bürmoos, wo der junge Mann im Dentalwerk in Feinmechan­ik und Elektrik ausgebilde­t wurde. 1970 schloss er sich der damals starken Sektion im Eisenbahne­rsportvere­in in Gnigl an und dann ging es bergauf mit unzähligen Titeln und Rekorden. Und Erinnerung­en: „Ich war der erste Salzburger mit 170 Kilogramm im Stoßen und 300 Kilogramm im Zweikampf.“Unter der Anleitung von Peter Schnabl aus Lochen wurde damals drei Mal wöchentlic­h trainiert, pro Training wurden bis zu 20 Tonnen gestemmt – heute sind es immer noch fünf Tonnen pro Einheit. Gefahr für die Gesundheit sieht er keine, auch sechs Meniskusop­erationen und seit drei Jahren ein neues Kniegelenk können seinen Elan nicht stoppen. Neben den Hanteln geht es auch zum Schwimmen und aufs Mountainbi­ke. Dem Sport hält er auch zugute, dass er sein Körpergewi­cht seit weit über drei Jahrzehnte­n bei 105, 106 Kilogramm halte. Und der Seniorensp­ort boomt: Bei der letzten Weltmeiste­rschaft in Barcelona gab es fast 1000 Teilnehmer.

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BILDER: SN/PRIVAT (3) Hammerwerf­er Heimo Viertbauer (75), Tennisspie­ler Walter Hörl (85) und Gewichtheb­er Werner Steiner (72) sind in ihren Sportarten noch immer internatio­nale Spitze – und das nach Jahrzehnte­n im Spitzenspo­rt.
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