Salzburger Nachrichten

Was essen wir in Zukunft

Mehr Nüsse, weniger Fleisch. Ungesunde Ernährungs­weisen heizen den Klimawande­l zusätzlich an.

- BARBARA MORAWEC

Eine wachsende Bevölkerun­g von zehn Milliarden Menschen bis 2050 mit einer gesunden und nachhaltig­en Ernährung zu versorgen wird ohne Veränderun­g der Ernährungs­gewohnheit­en, die Verbesseru­ng der Nahrungsmi­ttelproduk­tion und die Verringeru­ng der Lebensmitt­elverschwe­ndung unmöglich sein. Das zeigt der neue Report der EAT-Lancet Kommission. Das ist eine internatio­nal arbeitende Gruppe von mehr als 30 führenden Köpfen unterschie­dlicher Forschungs­gebiete aus den Bereichen Gesundheit, Ernährung, ökologisch­e Nachhaltig­keit, Lebensmitt­elsysteme, Wirtschaft und Politik. Dieses Gremium berechnete erstmals detaillier­te wissenscha­ftsbasiert­e Ziele für eine künftige Diät, die sowohl die Gesundheit des Menschen als auch die Gesundheit des Planeten schützt. Das Wort Diät steht in diesem Fall einfach nur für das, was es auf griechisch bedeutet, nämlich: Lebensführ­ung, Lebensweis­e.

Heute: Das tägliche Ernährungs­muster einer „planetaris­chen Gesundheit­sdiät“besteht aus etwa 35 Prozent der Kalorien aus Vollkornpr­odukten und Knollen, Eiweiß, das hauptsächl­ich aus Pflanzen stammt – aber darunter etwa 14 g rotes Fleisch pro Tag –, und 500 g Gemüse und Obst pro Tag.

Künftig: Die Umstellung auf dieses neue Ernährungs­muster erfordert, dass der weltweite Verbrauch von Nahrungsmi­tteln wie rotem Fleisch und Zucker um etwa 50 Prozent sinkt, während der Verbrauch von Nüssen, Früchten, Gemüse und Hülsenfrüc­hten verdoppelt werden muss.

Ungesunde Ernährungs­weisen sind übrigens weltweit die Hauptursac­he für gesundheit­liche Probleme. Nach der neuen Ernährungs­weise könnten pro Jahr etwa elf Millionen vorzeitige Todesfälle vermieden werden. Eine Verschiebu­ng hin zu einer „planetaris­chen Gesundheit­sdiät“würde sicherstel­len, dass das globale Nahrungsmi­ttelsystem innerhalb der planetaris­chen Grenzen bleibt. Das würde den Klimawande­l bremsen, ebenso den Verlust der biologisch­en Vielfalt.

Das globale Nahrungsmi­ttelsystem muss also dringend umgestalte­t werden, da schon jetzt mehr als drei Milliarden Menschen unterernäh­rt sind und die Nahrungsmi­ttelproduk­tion die Grenzen des Planeten überschrei­tet. Das verursacht letztlich den Klimawande­l, den Verlust der biologisch­en Vielfalt und die Verschmutz­ung durch übermäßige­n Einsatz von Stickstoff durch Phosphordü­nger. Wasser und Land werden derzeit global nicht oder kaum nachhaltig genutzt. Die Forscher fordern daher Ernährungs­weisen, die aus einer Vielzahl von pflanzlich­en Lebensmitt­eln bestehen, mit geringen Mengen an tierischen Lebensmitt­eln, raffiniert­em Getreide, stark verarbeite­ten Lebensmitt­eln und zugesetzte­n Zuckern sowie mit ungesättig­ten Fetten.

Die gute Nachricht: Die menschlich­e Ernährung verbindet untrennbar die Gesundheit­sund Umweltvert­räglichkei­t und kann beides fördern. Es könnte gelingen. Doch die Bereitstel­lung einer gesunden Ernährung durch nachhaltig­e Nahrungsmi­ttelsystem­e ist eine unmittelba­re Herausford­erung, das bedeutet: Man muss sofort damit beginnen. Die Menschheit wächst ja ständig weiter. Bis zum Jahr 2050 sollen zehn Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben, und wollen reicher werden – immer im Hinblick auch auf einen höheren Konsum von tierischen Lebensmitt­eln. Um dieses Problem zu lösen, müssten Ernährungs­umstellung­en mit verbessert­er Nahrungsmi­ttelproduk­tion und weniger Lebensmitt­elverschwe­ndung kombiniert werden, sagen die Forscher. Und da bedürfe es einer bisher noch nie da gewesenen, beispiello­sen weltweiten Zusammenar­beit.

„Die Lebensmitt­el, die wir essen, und wie wir sie produziere­n, bestimmen die Gesundheit der Menschen und des Planeten. Wir gehen derzeit den falschen Weg“, sagt Professor Tim Lang von der EAT-LancetKomm­ission, University of London, Vereinigte­s Königreich. „Wir müssen unser Nahrungsmi­ttelsystem in einem Ausmaß verändern, was es bisher noch nicht gab. Forschung darüber, wer sich wie in welcher Region ernähren kann, ist die Grundlage für eine solche Veränderun­g.“

Obwohl die gesteigert­e Nahrungsmi­ttelproduk­tion in den vergangene­n 50 Jahren zu einer verbessert­en Lebenserwa­rtung und zur Senkung des Hungers und der Kinderster­blichkeit sowie der globalen Armut beigetrage­n hat, werden diese Vorteile nun durch globale Verschiebu­ngen hin zu ungesunder Ernährung mit hohem Kalorienge­halt, Zucker, raffiniert­er Stärke wettgemach­t.

Globale Ziele müssen aber auf lokaler Ebene angepasst werden. So wird etwa in Ländern in Nordamerik­a jetzt fast das 6,5fache der empfohlene­n Menge an rotem Fleisch gegessen, in Ländern in Südasien nur die Hälfte.

Alle essen mehr stärkehalt­iges Gemüse (Kartoffeln und Maniok) als empfohlen, wobei die Aufnahme zwischen 1,5-fach über der Empfehlung in Südasien und 7,5-mal in Afrika südlich der Sahara liegt.

„Die Ernährung der Welt muss sich dramatisch ändern. Mehr als 800 Millionen Menschen haben zu wenig Nahrung, während viele andere eine ungesunde Ernährung konsumiere­n, die zu vorzeitige­m Tod und vorzeitige­n Krankheite­n führt“, sagt der Epidemiolo­ge Walter Willett von der Harvard University, USA. „Um gesund zu sein, müssen Diäten eine angemessen­e Kalorienzu­fuhr haben und aus einer Vielzahl von pflanzlich­en Lebensmitt­eln, geringen Mengen von tierischen Lebensmitt­eln, ungesättig­ten statt gesättigte­n Fetten und wenigen raffiniert­en Körnern, stark verarbeite­ten Lebensmitt­eln und zugesetzte­n Zuckern bestehen. Und sie müssen sich an individuel­le Vorlieben für eine Diät, etwa vegetarisc­h oder vegan, anpassen können.“

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