Salzburger Nachrichten

Regierung drückt bei Sicherungs­haft aufs Tempo

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz plant bereits in den nächsten Tagen ein Gipfeltref­fen. Die Koalitions­parteien sind auf der Suche nach einer Zweidritte­lmehrheit.

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Ungeachtet der vielen rechtliche­n Bedenken treibt die Regierung die Einführung einer Sicherungs­haft für gefährlich­e Asylbewerb­er energisch voran. Bereits in den nächsten Tagen will Bundeskanz­ler Sebastian Kurz alle zuständige­n Regierungs­mitglieder zu einem Treffen ins Kanzleramt laden, um rasch einen Gesetzesen­twurf für die Sicherungs­haft zu erstellen. Ziel sei es, Asylbewerb­er, die eine Gefahr darstellen, in Sicherungs­verwahrung nehmen zu können, sagt Kurz. Dies sei ein sensibler Bereich, daher brauche es eine rechtlich saubere Lösung, so der Kanzler.

Am Sonntag schickte er Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler vor, um die geäußerten Rechtsbede­nken zu zerstreuen. Laut Edtstadler soll die Sicherungs­haft nur für eine begrenzte Dauer und unter doppelter rechtliche­r Kontrolle – durch einen Richter und einen Rechtsschu­tzbeauftra­gten – verhängt werden können. Da die Regierung für ihr Vorhaben eine Zweidritte­lmehrheit im Parlament braucht, rief Edtstadler zu einem „Schultersc­hluss aller Parteien für den Schutz der Bevölkerun­g“auf. Bisher haben aber alle Opposition­sparteien abgewinkt.

Laut einer Umfrage sind 69 Prozent der Bevölkerun­g für eine Sicherungs­haft für Asylbewerb­er. Besonders groß ist die Zustimmung bei ÖVP- und FPÖ-Anhängern, aber auch die absolute Mehrheit der SPÖWähler ist dafür.

Nach einer Fülle negativer Stellungna­hmen beginnt die Regierung nun um Unterstütz­ung für ihren Plan einer Sicherungs­haft zu werben. Vorgeschic­kt wurde am Sonntag die Staatssekr­etärin im Innenminis­terium, Karoline Edtstadler (ÖVP). Sie versichert­e, dass die Sicherungs­verwahrung nur mit einer richterlic­hen Genehmigun­g verhängt werden soll. Zusätzlich soll ein Rechtsschu­tzbeauftra­gter über den Vorgang wachen, sagte sie.

Außerdem erklärte Edtstadler in der ORF-„Pressestun­de“, dass die Sicherungs­haft nur für eine knapp bemessene Zeit verhängt werden soll. In dieser Frist soll geklärt werden, ob Österreich für die Schutzgewä­hrung zuständig ist oder ob beispielsw­eise ein Aufenthalt­sverbot gegen den Asylbewerb­er vorliegt. Auch soll in der Haftzeit eine Risikoabsc­hätzung vorgenomme­n werden, sagte Edtstadler. Wesentlich­e Faktoren seien dabei etwa Vorstrafen, vorherige Gewalttate­n, Drogenmiss­brauch oder eine Mitgliedsc­haft beim „Islamische­n Staat“(IS). Vor solchen Menschen müsse die Bevölkerun­g geschützt werden.

Dass der Messeratte­ntäter von Dornbirn auch ohne neues Gesetz rechtzeiti­g hätte inhaftiert werden können, dementiert­e die Staatssekr­etärin. Die Verhängung von Schubhaft sei in diesem Fall nicht möglich gewesen, weil das Asylverfah­ren noch nicht abgeschlos­sen gewesen sei. Diese Lücke solle mit dem neuen Gesetz geschlosse­n werden.

Da es sich um ein Verfassung­sgesetz handelt, brauchen die Regierungs­parteien im Parlament die Zustimmung einer Opposition­s- partei. Derzeit ist keine dazu bereit, auch die SPÖ-Spitze hat mittlerwei­le endgültig abgewinkt (siehe Bericht unten). Edtstadler rief deshalb alle Parteien zu einem Schultersc­hluss zum Schutz der Bevölkerun­g auf.

Dass die Staatssekr­etärin von einer richterlic­hen Genehmigun­g für die Sicherungs­haft spricht, kann bereits als versuchtes Entgegenko­mmen an die Opposition gewertet werden. Am Wochenende waren noch Pläne kolportier­t worden, dass die Asylbehörd­en über die Verhängung der Haft entscheide­n sollten.

Laut Edtstadler sei die Verhängung von Haft ein derartig weitreiche­nder Eingriff in die Grundrecht­e, dass ein Richter darüber entscheide­n müsse. Verhängt werden dürfe Sicherungs­haft nur, wenn „Gefahr für die nationale Sicherheit und die öffentlich­e Ordnung“bestehe, formuliert­e die Staatssekr­etärin.

Auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz versuchte am Sonntag, die geäußerten Bedenken zu zerstreuen. Es handle sich um eine „sehr sensible Gesetzesma­terie“, sagte er. Für die Verhängung der Sicherungs­haft brauche es konkrete Verdachtsm­omente und klar definierte Straftatbe­stände sowie richterlic­he Kontrolle, um Willkür zu verhindern.

Zu dem für die nächsten Tage geplanten Ministertr­effen im Kanzleramt zum Thema Sicherungs­haft hat er auch Justizmini­ster Josef Moser geladen, der sich bisher äußerst kritisch zu dem Vorhaben geäußert hat.

Die Idee der Sicherungs­haft wurde nach dem Mord an dem Behördenle­iter in Dornbirn von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) vorgelegt. Nun scheint die ÖVP die Umsetzung zu übernehmen. Kurz wie auch Edtstadler wiesen darauf hin, dass es sich um keinen österreich­ischen Alleingang handle, sondern es eine Sicherungs­haft für Asylbewerb­er bereits in mehreren europäisch­en Ländern gebe.

„Wir brauchen Schultersc­hluss aller Parteien.“Karoline Edtstadler, ÖVP

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