Salzburger Nachrichten

Viktor Orbán passt nicht mehr in diese Parteienfa­milie

Trotz aller Ermahnunge­n setzt Ungarns Premier Viktor Orbán die Agitation gegen die EU fort – ein politische­r Testfall.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Was zählt am Ende, wenn es darauf ankommt, in der Europäisch­en Union wirklich? Sind es die vielbeschw­orenen Werte, auf denen der Verbund der europäisch­en Staaten beruht, wie Demokratie, Gewaltente­ilung und Rechtsstaa­tlichkeit? Oder ist es der schnöde politische Vorteil, also die Parteitakt­ik, die schließlic­h das eigene Handeln bestimmt?

Vor diese Frage sieht sich jetzt die Europäisch­e Volksparte­i, der Zusammensc­hluss der konservati­ven und christdemo­kratischen Parteien im Europaparl­ament, gestellt. Es ist, wenige Monate vor der EUWahl, eine sichtlich unangenehm­e und unbequeme Alternativ­e. Die EVP windet und wendet sich, aber am Ende kann sie der Klärung dieser Frage nicht ausweichen: Ist Ungarns Premier Viktor Orbán noch tragbar für sie? Oder muss dessen Fidesz-Partei aus ihren Reihen ausgeschlo­ssen werden?

Auf Plakaten suggeriert Ministerpr­äsident Orbán, dass Spitzen der EU-Kommission daran arbeiteten, die illegale Migration nach Ungarn zu fördern. Das ist diffamiere­nd und wahrheitsw­idrig. Brüssel hat diese Desinforma­tion längst in aller Schärfe zurückgewi­esen. Es gibt eine Welle der Empörung darüber auch in der EVP. Orbán bleibt trotzdem bei seinem Kurs.

Denn er weiß: Die EVP ist sich nicht einig; und sie befindet sich in einem Dilemma. Zwar drängen Mitgliedsp­arteien aus Skandinavi­en und den BeneluxSta­aten auf einen Hinauswurf der Fidesz. Doch andere Konservati­ve, die nach der EU-Wahl den EVP-Fraktionsv­orsitzende­n Manfred Weber zum neuen EUKommissi­onschef küren wollen, fürchten um den Verlust wichtiger Mandate und damit um die Mehrheit, wenn die Orbán-Partei tatsächlic­h ausgeschlo­ssen wird und sich der Gruppe der Rechtspopu­listen und der Rechtsextr­emen anschließt.

Aber besser ist auch hier ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Dass die EVP derart in der Zwickmühle ist, hat sie eigenen Versäumnis­sen zuzuschrei­ben. Schon seit Jahren ist die Orbán-Partei erkennbar auf einem Weg, der im Widerspruc­h zu Europas Fundamenta­lprinzipie­n steht. Damit ist sie auch nicht mehr im Einklang mit grundlegen­den Positionen der EVP. Die scheute dennoch den nötigen Trennungss­trich. Die konkurrier­ende Parteienfa­milie der Sozialdemo­kraten machte den gleichen Fehler, indem sie den Korruption­isten in Rumänien die Stange hielt. Tatsächlic­h hätte es für die Hauptparte­ien im EU-Parlament ein Postulat sein müssen, tendenziel­l antidemokr­atischen Kräften rechtzeiti­g die Tür zu weisen.

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