Viktor Orbán passt nicht mehr in diese Parteienfamilie
Trotz aller Ermahnungen setzt Ungarns Premier Viktor Orbán die Agitation gegen die EU fort – ein politischer Testfall.
Was zählt am Ende, wenn es darauf ankommt, in der Europäischen Union wirklich? Sind es die vielbeschworenen Werte, auf denen der Verbund der europäischen Staaten beruht, wie Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit? Oder ist es der schnöde politische Vorteil, also die Parteitaktik, die schließlich das eigene Handeln bestimmt?
Vor diese Frage sieht sich jetzt die Europäische Volkspartei, der Zusammenschluss der konservativen und christdemokratischen Parteien im Europaparlament, gestellt. Es ist, wenige Monate vor der EUWahl, eine sichtlich unangenehme und unbequeme Alternative. Die EVP windet und wendet sich, aber am Ende kann sie der Klärung dieser Frage nicht ausweichen: Ist Ungarns Premier Viktor Orbán noch tragbar für sie? Oder muss dessen Fidesz-Partei aus ihren Reihen ausgeschlossen werden?
Auf Plakaten suggeriert Ministerpräsident Orbán, dass Spitzen der EU-Kommission daran arbeiteten, die illegale Migration nach Ungarn zu fördern. Das ist diffamierend und wahrheitswidrig. Brüssel hat diese Desinformation längst in aller Schärfe zurückgewiesen. Es gibt eine Welle der Empörung darüber auch in der EVP. Orbán bleibt trotzdem bei seinem Kurs.
Denn er weiß: Die EVP ist sich nicht einig; und sie befindet sich in einem Dilemma. Zwar drängen Mitgliedsparteien aus Skandinavien und den BeneluxStaaten auf einen Hinauswurf der Fidesz. Doch andere Konservative, die nach der EU-Wahl den EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber zum neuen EUKommissionschef küren wollen, fürchten um den Verlust wichtiger Mandate und damit um die Mehrheit, wenn die Orbán-Partei tatsächlich ausgeschlossen wird und sich der Gruppe der Rechtspopulisten und der Rechtsextremen anschließt.
Aber besser ist auch hier ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Dass die EVP derart in der Zwickmühle ist, hat sie eigenen Versäumnissen zuzuschreiben. Schon seit Jahren ist die Orbán-Partei erkennbar auf einem Weg, der im Widerspruch zu Europas Fundamentalprinzipien steht. Damit ist sie auch nicht mehr im Einklang mit grundlegenden Positionen der EVP. Die scheute dennoch den nötigen Trennungsstrich. Die konkurrierende Parteienfamilie der Sozialdemokraten machte den gleichen Fehler, indem sie den Korruptionisten in Rumänien die Stange hielt. Tatsächlich hätte es für die Hauptparteien im EU-Parlament ein Postulat sein müssen, tendenziell antidemokratischen Kräften rechtzeitig die Tür zu weisen.