Den Ifflandring für Strache!
Der Vizekanzler muss in der türkis-blauen Koalition gleich drei Rollen spielen. Das könnte auf Dauer anstrengend werden.
Die Arbeitsteilung in der Bundesregierung ist eigentlich recht einfach. Bundeskanzler Sebastian Kurz ist für die großen Linien zuständig, beispielsweise die eigenhändige Rettung der Weltwirtschaft im persönlichen Gespräch mit Donald Trump. Wenn’s Unangenehmes oder Unausgegorenes zu verkünden gilt, wie zuletzt den Karfreitag-Murks, müssen die KoalitionsKoordinatoren (die heißen tatsächlich so) Gernot Blümel und Norbert Hofer herhalten. Den lästigen Alltags-Kleinkram erledigen die zuständigen Fachminister.
Und Herbert Kickl spielt den wilden Mann, um jene freiheitlichen Wähler bei der Stange zu halten, die am Wahltag eine populistische Protestpartei wählten, aber eine angepasste Regierungspartei bekamen.
Falls Sie in dieser Auflistung Vizekanzler Heinz-Christian Strache vermissen, müssen wir zugeben: Wir auch. Denn für Strache, mehr als ein Jahrzehnt unangefochtener Oppositionsführer und nun plötzlich Juniorpartner eines Kanzlers, der zwei Jahrzehnte jünger ist als er, ist es nicht leicht, im Koalitionstheater die richtige Rolle zu finden. Es ist – und das ist das Schwierige – nicht eine, es sind mehrere Rollen, die Strache spielen muss. Erstens den Vizekanzler, der dem Kanzler treu zur Seite steht. Zweitens den Obmann der kleineren Koalitionspartei, die, um nicht restlos unterzugehen, andere Akzente setzen muss als die dominierende Partei. Und drittens den Anführer einer Bewegung, die mit lautstarker Fundi-Opposition und brutaler Systemkritik groß geworden ist. Und nun, als Regierungspartei, plötzlich Dinge wie den 12-Stunden-Tag und den abgeschafften evangelischen KarfreitagsFeiertag vertreten muss. Diese Rollenvielfalt würde selbst die Fähigkeiten eines IfflandringTrägers weit überfordern.
Es ist also nicht leicht, Heinz-Christian Strache zu sein – und es ist nicht leicht, eine zur Regierungspartei mutierte Protestpartei wie die FPÖ zur Zufriedenheit aller ihrer Sympathisanten, Mitglieder und Wähler zu führen. Man muss nicht gleich den Schreckensort „Knittelfeld“an die Wand malen, aber man darf doch daran erinnern, dass die FPÖ im Jahr 2002 bei ihrer letzten Regierungsbeteiligung an der soeben beschriebenen Zwangslage zerbrochen ist. Oben, in der Bundesregierung, machte die damalige blaue Vizekanzlerin Susanne RiessPasser verantwortungsvolle Politik. Unten, an der Basis, brodelte der Frust. Der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider brachte den Frust zur Explosion, indem er eine FPÖ-Versammlung in die steirische Eisenbahnerstadt einberief, dort die Regierungsarbeit in Grund und Boden stampfte und die blaue Regierungsspitze zum Rücktritt animierte. Es folgten Neuwahlen, der Absturz der FPÖ, die Abspaltung des BZÖ.
Derzeit droht der FPÖ keine unmittelbare Gefahr eines neuen Knittelfeld. Dies nicht nur, weil es keinen Jörg Haider gibt, der die Regierung mutwillig von außen in die Luft sprengen würde. Sondern auch, weil sich die FPÖ heute um einiges professioneller verhält als damals.
Dennoch muss Parteichef Strache, will er sich an der Spitze der FPÖ und die FPÖ in der Regierung halten, ein wachsames Auge auf die diversen Umfrage- und Zwischenwahlergebnisse richten, die seit dem blauen Regierungseintritt die Szene prägten. Bei den vier Landtagswahlen 2018 hat die FPÖ gut, wenn auch nicht sehr gut abgeschnitten. Es gab brave Stimmengewinne – zwar kein Vergleich zu den explosionsartigen Zuwächsen vergangener Jahre, aber lange noch kein Grund, um Straches Sessel ins Wanken zu bringen. Oder an der Basis Zweifel an der Regierungsbeteiligung zu wecken. Bei der kommenden EU-Wahl hat die FPÖ knapp 20 Prozent aus dem Jahr 2014 zu verteidigen. Auch das sollte gelingen.
Die wahre Bewährungsprobe erfolgt in Wien, wo Strache noch bei der Gemeinderatswahl 2015 vollmundig den Bürgermeister-Anspruch stellte und den (übertriebenen) Anschein eines Kopf-an-Kopf-Rennens mit Michael Häupl erweckte. Das ist vorbei. Für die nächste Gemeinderatswahl 2020 (oder 2019) gibt es noch nicht einmal einen halbwegs attraktiven Spitzenkandidaten. Es wird nicht leicht werden für die FPÖ, gegen die nach rechts gerutschte Wiener SPÖ und die dank Sebastian Kurz attraktiv gewordene Wiener ÖVP zu bestehen. Sollte die FPÖ hier reihenweise Mandate verlieren, sollten auch FPÖ-Basisfunktionäre quer durch Österreich beginnen, um ihre Mandate und Machtpositionen zu bangen, sollte die siegesgewohnte FPÖ sich plötzlich auf der Verliererstraße befinden, könnte einiges ins Rutschen kommen. Die FPÖ würde in diesem Fall beginnen, ihre Regierungsbeteiligung in Wien (und den dazugehörigen Parteichef Strache) infrage zu stellen. Mit der FPÖ würde auch die Regierung straucheln.
Weshalb auch klar ist, warum Innenminister Herbert Kickl desto fester im Sattel sitzt, je absurd-gefährlicher seine öffentlichen Vorschläge werden: Der Mann hat die Aufgabe, den rechten Flügel der FPÖ ruhigzustellen. Selbst wenn die Herren Kurz und Strache diesen Störenfried ablösen wollten, sie könnten es nicht: Weil in diesem Fall sofort jener Teil der blauen Basis, der sich Kickl verbunden fühlt, gegen die Parteiführung mitsamt ihrer Regierungsbeteiligung rebellieren würde.