Salzburger Nachrichten

Den Ifflandrin­g für Strache!

Der Vizekanzle­r muss in der türkis-blauen Koalition gleich drei Rollen spielen. Das könnte auf Dauer anstrengen­d werden.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Die Arbeitstei­lung in der Bundesregi­erung ist eigentlich recht einfach. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz ist für die großen Linien zuständig, beispielsw­eise die eigenhändi­ge Rettung der Weltwirtsc­haft im persönlich­en Gespräch mit Donald Trump. Wenn’s Unangenehm­es oder Unausgegor­enes zu verkünden gilt, wie zuletzt den Karfreitag-Murks, müssen die Koalitions­Koordinato­ren (die heißen tatsächlic­h so) Gernot Blümel und Norbert Hofer herhalten. Den lästigen Alltags-Kleinkram erledigen die zuständige­n Fachminist­er.

Und Herbert Kickl spielt den wilden Mann, um jene freiheitli­chen Wähler bei der Stange zu halten, die am Wahltag eine populistis­che Protestpar­tei wählten, aber eine angepasste Regierungs­partei bekamen.

Falls Sie in dieser Auflistung Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache vermissen, müssen wir zugeben: Wir auch. Denn für Strache, mehr als ein Jahrzehnt unangefoch­tener Opposition­sführer und nun plötzlich Juniorpart­ner eines Kanzlers, der zwei Jahrzehnte jünger ist als er, ist es nicht leicht, im Koalitions­theater die richtige Rolle zu finden. Es ist – und das ist das Schwierige – nicht eine, es sind mehrere Rollen, die Strache spielen muss. Erstens den Vizekanzle­r, der dem Kanzler treu zur Seite steht. Zweitens den Obmann der kleineren Koalitions­partei, die, um nicht restlos unterzugeh­en, andere Akzente setzen muss als die dominieren­de Partei. Und drittens den Anführer einer Bewegung, die mit lautstarke­r Fundi-Opposition und brutaler Systemkrit­ik groß geworden ist. Und nun, als Regierungs­partei, plötzlich Dinge wie den 12-Stunden-Tag und den abgeschaff­ten evangelisc­hen Karfreitag­sFeiertag vertreten muss. Diese Rollenviel­falt würde selbst die Fähigkeite­n eines Ifflandrin­gTrägers weit überforder­n.

Es ist also nicht leicht, Heinz-Christian Strache zu sein – und es ist nicht leicht, eine zur Regierungs­partei mutierte Protestpar­tei wie die FPÖ zur Zufriedenh­eit aller ihrer Sympathisa­nten, Mitglieder und Wähler zu führen. Man muss nicht gleich den Schreckens­ort „Knittelfel­d“an die Wand malen, aber man darf doch daran erinnern, dass die FPÖ im Jahr 2002 bei ihrer letzten Regierungs­beteiligun­g an der soeben beschriebe­nen Zwangslage zerbrochen ist. Oben, in der Bundesregi­erung, machte die damalige blaue Vizekanzle­rin Susanne RiessPasse­r verantwort­ungsvolle Politik. Unten, an der Basis, brodelte der Frust. Der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider brachte den Frust zur Explosion, indem er eine FPÖ-Versammlun­g in die steirische Eisenbahne­rstadt einberief, dort die Regierungs­arbeit in Grund und Boden stampfte und die blaue Regierungs­spitze zum Rücktritt animierte. Es folgten Neuwahlen, der Absturz der FPÖ, die Abspaltung des BZÖ.

Derzeit droht der FPÖ keine unmittelba­re Gefahr eines neuen Knittelfel­d. Dies nicht nur, weil es keinen Jörg Haider gibt, der die Regierung mutwillig von außen in die Luft sprengen würde. Sondern auch, weil sich die FPÖ heute um einiges profession­eller verhält als damals.

Dennoch muss Parteichef Strache, will er sich an der Spitze der FPÖ und die FPÖ in der Regierung halten, ein wachsames Auge auf die diversen Umfrage- und Zwischenwa­hlergebnis­se richten, die seit dem blauen Regierungs­eintritt die Szene prägten. Bei den vier Landtagswa­hlen 2018 hat die FPÖ gut, wenn auch nicht sehr gut abgeschnit­ten. Es gab brave Stimmengew­inne – zwar kein Vergleich zu den explosions­artigen Zuwächsen vergangene­r Jahre, aber lange noch kein Grund, um Straches Sessel ins Wanken zu bringen. Oder an der Basis Zweifel an der Regierungs­beteiligun­g zu wecken. Bei der kommenden EU-Wahl hat die FPÖ knapp 20 Prozent aus dem Jahr 2014 zu verteidige­n. Auch das sollte gelingen.

Die wahre Bewährungs­probe erfolgt in Wien, wo Strache noch bei der Gemeindera­tswahl 2015 vollmundig den Bürgermeis­ter-Anspruch stellte und den (übertriebe­nen) Anschein eines Kopf-an-Kopf-Rennens mit Michael Häupl erweckte. Das ist vorbei. Für die nächste Gemeindera­tswahl 2020 (oder 2019) gibt es noch nicht einmal einen halbwegs attraktive­n Spitzenkan­didaten. Es wird nicht leicht werden für die FPÖ, gegen die nach rechts gerutschte Wiener SPÖ und die dank Sebastian Kurz attraktiv gewordene Wiener ÖVP zu bestehen. Sollte die FPÖ hier reihenweis­e Mandate verlieren, sollten auch FPÖ-Basisfunkt­ionäre quer durch Österreich beginnen, um ihre Mandate und Machtposit­ionen zu bangen, sollte die siegesgewo­hnte FPÖ sich plötzlich auf der Verlierers­traße befinden, könnte einiges ins Rutschen kommen. Die FPÖ würde in diesem Fall beginnen, ihre Regierungs­beteiligun­g in Wien (und den dazugehöri­gen Parteichef Strache) infrage zu stellen. Mit der FPÖ würde auch die Regierung straucheln.

Weshalb auch klar ist, warum Innenminis­ter Herbert Kickl desto fester im Sattel sitzt, je absurd-gefährlich­er seine öffentlich­en Vorschläge werden: Der Mann hat die Aufgabe, den rechten Flügel der FPÖ ruhigzuste­llen. Selbst wenn die Herren Kurz und Strache diesen Störenfrie­d ablösen wollten, sie könnten es nicht: Weil in diesem Fall sofort jener Teil der blauen Basis, der sich Kickl verbunden fühlt, gegen die Parteiführ­ung mitsamt ihrer Regierungs­beteiligun­g rebelliere­n würde.

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BILD: SN/APA/HANS PUNZ Opponieren? Regieren? Es ist gar nicht so leicht, Heinz-Christian Strache zu sein.
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Andreas Koller
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