Sudans despotischer Herrscher steht unter Druck
Trotz des verhängten Ausnahmezustands könnten die Regimegegner in dem Nordafrika-Staat Oberwasser bekommen.
KHARTUM. „Gegen Terrorismus und Ausnahmezustand“, so skandierten die etwa 1000 Demonstranten wütend, als explodierende Rauch- und Tränengasgranaten den zum Busbahnhof von Khartum führenden Hurriye-Boulevard in dichten Nebel hüllten. Drei Tage zuvor hatte der sudanesische Militärdiktator Omar al-Baschir den Ausnahmezustand verkündet und die seit Mitte Dezember 2018 andauernden Protestmärsche unter Androhung von bis zu zehn Jahren Gefängnis verboten.
„Eine abschreckende Wirkung auf die Regimegegner konnte mit dem Notstand jedoch nicht erzielt werden“, sagt ein im Sudan arbeitender deutscher Entwicklungshelfer. „Die Sudanesen fürchten sich nicht mehr, weil ihnen das Regime fast alles genommen hat.“Das bedeute aber nicht, dass die Regimegegner jetzt mit Gewalt auf den Terror der Polizei und Armee reagierten; sie blieben friedfertig.
Garant für den bisherigen Erfolg der Regimegegner im drittgrößten afrikanischen Flächenstaat sind die sudanesischen Berufsverbände (SPA), in denen Lehrer, Ärzte und Ingenieure den Ton angeben. Sie bestimmen, wann und wo demonstriert wird. Die Berufsverbände haben es auch geschafft, die Protestbewegung, die sich den Namen „Sudan Change Now“gegeben hat, im ganzen Land zu verankern. Selbst in Dörfern und Kleinstädten gehen die Menschen offenbar regelmäßig auf die Straßen.
Kraft und Intensität der Proteste haben das Regime wohl veranlasst, den Ausnahmezustand zu erklären. Wie verunsichert die Herrschenden im Sudan inzwischen sind, zeigt auch das Dialogangebot von Diktator al-Baschir an „unsere Jugend“, das nahezu zeitgleich mit der Ausrufung des Notstands kam. „Wir haben verstanden, dass wir bei unseren Reformen die jungen Menschen ignoriert haben“, musste Abdel Sakhi Abbas, Vizechef der regierenden „Nationalen Kongress Partei“(NCP), im Staatsfernsehen zugeben. Man werde ihre Anliegen zukünftig berücksichtigen und Arbeitsplätze für die Jugend schaffen.
Doch solche Versprechen kommen wahrscheinlich zu spät. Die Regimegegner wollen ihre täglich skandierte Parole „Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit“endlich in Politik umgesetzt und Omar al-Baschir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl wegen Völkermordes und Menschenrechtsverbrechen erlassen hat, bestraft sehen.
Omar al-Baschir weiß, dass ihm das Wasser bis zum Hals steht. Doch ein Diktator, der es geschafft hat, sich mit List und Terror 29 Jahre an der Macht zu halten, wird wohl jetzt nicht einfach kapitulieren. Noch hat er nicht alle seine Karten ausgespielt. Unterstützung bei der Bekämpfung der hohen Inflation (80%), der Arbeitslosigkeit und der drohenden Hungersnot erhofft sich al-Baschir vor allem von Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Den GolfArabern hilft der Diktator mit bis zu 6000 Soldaten in ihrem Krieg gegen die jemenitischen Huthi-Rebellen. Die „Waffenbrüderschaft“soll Riad und Abu Dhabi mehr als zwei Milliarden Dollar kosten, mit denen Khartum das schwache sudanesische Pfund zu stützen versucht. Auch der Emir von Katar will al-Baschir nicht fallen lassen und hat diesem einen Kredit von 1,2 Milliarden Dollar zugesagt.
Die untereinander verfeindeten Emirate Katar und Abu Dhabi haben Milliarden in den Ausbau von Sudans Häfen am Roten Meer investiert. Ein plötzlicher Regimewechsel in Khartum könnte diese Investitionen gefährden.