Orbán-Partei wechselt Zielscheibe aus
Statt EU-Kommissionschef Juncker soll in Ungarn eine diffamierende Plakatkampagne EU-Vize Timmermans attackieren.
Ungarns rechtskonservative Regierung will ihre umstrittene Plakatkampagne gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am 15. März beenden – aber eine neue gegen dessen sozialdemokratischen Vize Frans Timmermans starten. Letzteres kündigte Premier Viktor Orbán an. Zugleich wehrte er sich gegen Forderungen, seine Fidesz-Partei aus der Europäischen Volkspartei (EVP) zu werfen.
Seit eineinhalb Wochen hängen in ganz Ungarn Plakate, auf denen Juncker und der liberale US-Milliardär ungarischer Herkunft, George Soros, unvorteilhaft abgebildet sind. Darunter stehen Behauptungen, die suggerieren, die beiden wollten illegale Migration nach Europa fördern. Die EU-Kommission hatte diese Behauptungen mehrfach Punkt für Punkt widerlegt.
Bisher war offiziell nicht bekannt, dass die Anti-Juncker-Kampagne bis zum 15. März dauern soll. Das Datum war erstmals erwähnt worden, nachdem CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Dienstag den Fidesz-Vizechef und Orbán-Vertrauten Gergely Gulyás in Berlin zu einem Gespräch empfangen hatte.
Die Kampagne hatte selbst in der Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) Empörung ausgelöst. Ihr gehören neben der FideszPartei von Ministerpräsident Viktor Orbán aus Österreich die ÖVP oder aus Deutschland CDU und CSU an. Juncker war als Spitzenkandidat der EVP bei der Europawahl 2014 zum Kommissionspräsidenten gewählt worden. Annähernd zehn EVP-Mitgliedsparteien verlangen den Ausschluss von Fidesz aus der EVP. ÖVP-Chef Bundeskanzler Sebastian Kurz hat einen Parteiausschluss von Fidesz bisher abgelehnt. Der Leiter der ÖVP-Delegation im EU-Parlament und ÖVPSpitzenkandidat bei der EU-Wahl, Othmar Karas, forderte eine Suspendierung der Orbán-Partei.
Kramp-Karrenbauer und EVPFraktionschef und -Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) hatten wie Kurz die Plakataktion mit Juncker und Soros gleichfalls scharf verurteilt, sich aber den Rufen nach einem Fidesz-Ausschluss aus der EVP bisher ebenfalls nicht angeschlossen. Weber, der nach der Europawahl im Mai Nachfolger von Juncker werden möchte, erklärte in einem Interview, dass der FideszAusschluss als „Option auf dem Tisch“liege. In einem anderen Interview beschrieb Weber das Verhältnis zwischen der EVP und Orbáns Fidesz-Partei als „äußerst kompliziert“. Das Verhalten von Ungarns Regierung erschwere die Zusammenarbeit, sagte er. Weber pochte auf „die Einhaltung der Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Medien und Gerichte sowie Freiheit der wissenschaftlichen Forschung“. Darauf basiere die ganze Europäische Union.
Orbán schlägt eine Neuordnung von Europas Migrationspolitik vor. Diesen Politikbereich müsse man der EU-Kommission aus der Hand nehmen, sagte der Premier. Orbán sprach sich für eine neue Institution auf europäischer Ebene aus: „Man muss ein gesondertes Gremium schaffen, in dem nur die Innenminister der Schengenzone vertreten sind.“