Salzburger Nachrichten

Josef K. wehrt sich im Netz der Gesetze

Die Passion eines Angeklagte­n verstört seit 100 Jahren. Am Salzburger Landesthea­ter wird aus Kafkas „Der Prozess“eine Oper.

- Hängt fest: George Humphreys als Josef K. „The Trial“, Oper v. Philip Glass. Salzburger Landesthea­ter, bis 29. Mai.

SALZBURG. Das Leben ist ein Rätsel. Da versucht ein Mann, Einblick in das Gesetz zu erhalten. Doch der Türhüter erweist sich als unüberwind­bares Hindernis. Er überzeugt den Mann, dass hinter seinem Tor noch unzählige weitere Kollegen warten; einer mächtiger als der andere. Der Mann verbringt konsternie­rt sein gesamtes Leben vor diesem Tor. Als es dem Ende zugeht, schließt der Hüter das Tor. Es sei allein für ihn bestimmt gewesen, teilt er dem Mann mit.

Franz Kafka hat die Parabel „Vor dem Gesetz“in seinen Roman „Der Prozess“eingebaut, um der seltsamen Leidensges­chichte des Josef K. einen bildlichen Widerhall zu verleihen. Der Protagonis­t sieht sich an seinem 30. Geburtstag einer Anklage ausgesetzt, deren Grund sich nicht und nicht erfassen lässt. Immer tiefer verfängt sich der anfangs hochmütige, letztlich kleinmütig­e Prokurist im Geflecht der Instanzen, bis ihm der Domkaplan diese erhellend unerklärli­che Parabel erzählt. „Richtiges Auffassen einer Sache und Missverste­hen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständi­g aus“, sagt der Geistliche und bringt dieses Stück Weltlitera­tur in einem Satz auf den Punkt.

Es ist folgericht­ig, dass der New Yorker Komponist Philip Glass aus Kafkas Roman eine Oper formt. Glass’ Musik besitzt ein mantraarti­ges Wesen, das der buddhistis­chen Schicksals­haftigkeit des Plots durchaus gerecht wird. In Fachkreise­n wird der populärste Vertreter der sogenannte­n Minimal Music auch als ihr gefälligst­er betrachtet. Er schuf Filmmusik zu HollywoodH­its wie „The Hours“und „Kundun“, viele seiner Werke könnten auch in Einkaufsze­ntren gespielt werden, ohne größeren Aufruhr zu entfachen.

Seine 2014 entstanden­e Kammeroper „The Trial“gelangte am Samstag am Salzburger Landesthea­ter zur österreich­ischen Erstauffüh­rung. Über knapp zwei Stunden reiner Spielzeit entfalten zwölf Musiker des Mozarteumo­rchesters unter der Leitung von Robin Davis einen transparen­ten Klangteppi­ch, von Szene zu Szene ändert sich dessen Charakter. Metrum, Instrument­ation und Tempo passen sich der Situation an, in der sich Josef K. gerade befindet. George Humphreys verkörpert die Hauptfigur. Der Brite überzeugt nicht nur als souveräner „Native Singer“, er verfügt auch über eleganten Charme, der immer wieder ins leicht Arrogante kippt – very british, und der Ambivalenz des Josef K. zuträglich. Dieser Mensch ist kein platter Sympathiet­räger.

Auch die meisten weiteren Rollen werden aus dem Ensemble besetzt – ein Beleg für die hohe Qualität der Landesthea­ter-Opernspart­e. Anne-Fleur Werner und Katie Coventry teilen sich die Frauenroll­en des Stücks, die auch als erotische Projektion­en dienen. Raimundas Juzuitis wechselt zwischen virilem Untersuchu­ngsrichter und vergreiste­m Winkeladvo­katen, den Michael Schober als Onkel Albert erfolglos einzusetze­n versucht. Franz Supper und Jacob Scharfman geben die beiden Wärter, die ihrerseits der Prügelstra­fe nicht entkommen.

Auch wenn Kostümschn­eider Alois Dollhäubl durchaus kühne Farbakzent­e in die monochrome­n Bühnenschi­chten von Thomas Pekny einbaut, verweigert sich die Regie greller Charakterz­eichnung. Intendant Carl Philip von Maldeghem hat zwar enormem Spaß an der Buffo-Figur des Titorelli – Gastsänger William Ferguson versieht den Maler mit markantem italoangli­zistischem Akzent –, legt aber aber ansonsten eine fokussiert­e Arbeit vor, die dem unaufgereg­ten Grundton der Oper entspricht. Was dem Menschen auch zustoßen mag: Es ist einfach, wie es ist. Oper:

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BILD: SN/SN/SLT/LÖFFELBERG­ERSLT/LÖFFELBERG­ER

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