Salzburger Nachrichten

„Wer keine Wut hat, ist krank“

Ein scharfzüng­iger Tausendsas­sa: Werner Schneyder ist tot.

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SALZBURG. „Wer keine Wut hat, ist krank“, sagte Werner Schneyder einmal. Der gebürtige Grazer fand die idealen Kanäle, um seine Wut loszuwerde­n. Er war Kabarettis­t. Er war fachkundig­er und unbarmherz­iger Sportkomme­ntator. Er war immer für einen kritischen Satz zu Politik und Gesellscha­ft gut. Am Sonntag starb Schneyder in seiner Wiener Wohnung im Alter von 82 Jahren. Es verstummt mit ihm eine Stimme, die sich nicht mit medialen Blödheiten aufgehalte­n hat, sondern stets sprachlich­es Salz in offene Wunden streute.

Begonnen hat er, die Sprache zu seinem Medium zu machen, schon als 15-Jähriger. Noch zur Schulzeit schrieb er erste Berichte über Fußballspi­ele. Während seines Studiums – er studierte ab 1954 Publizisti­k und Kunstgesch­ichte – war er als freier Lokal- und Sportrepor­ter unterwegs. Danach war er Werbetexte­r und ab 1962 Dramaturg für die Landesthea­ter Salzburg und Linz. Ab 1965 arbeitete Schneyder als freier Autor, bis ihn Kurt Weinzierl mit dem Kabarettis­ten Dieter Hildebrand­t zusammenfü­hrte. 1974 begann mit dem Programm „Talk täglich“eine achtjährig­e Erfolgspar­tnerschaft.

Sein erstes Soloprogra­mm stellte er 1981 unter dem Titel „Solo mit Trio“vor. Es folgten viele Programme, die ihn zu einem der erfolgreic­hsten Polit-Kabarettis­ten im deutschen Sprachraum machten. 1996 zog er sich von der Kabarettbü­hne für mehr als ein Jahrzehnt zurück und widmete sich verstärkt dem Schreiben und führte auch Regie. Denn Schneyder hatte zwar als Kabarettis­t die meiste Öffentlich­keit bekommen, er war aber vieles mehr.

Er schrieb Dutzende Bücher, hatte seine eigenen Fernsehsho­ws „Salon“und „Stichwort“. Er moderierte den „Club 2“. Der Boxkenner stand nicht nur als Sportler im Ring, sondern auch als Kampfricht­er. Und er wurde auch TV-Kommentato­r – unter anderem berichtete er für das ZDF von den Olympische­n Spielen aus Los Angeles, Seoul und Barcelona vom Boxen.

Ein ruheloser Tausendsas­sa halt. Seine Mehrfachbe­gabung sei aber nicht nur Segen, wie er einmal in einem Interview sagte: „Insofern, dass man in den einzelnen Sparten – mit Ausnahme des Kabaretts – nie zur Spitze durchstart­en konnte. Für die Hüter der Zünfte, besonders in der Literatur, ist Vielseitig­keit ja unseriös.“Ihm war die Betrachtun­g und Schubladis­ierung von außen aber ohnehin egal.

In etwa 1000 Auftritten kommentier­te der Satiriker die Verhältnis­se in Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft. Wo er politisch steht, beantworte­te er einmal so: „Ich bin in einigen Punkten erzkonserv­ativ, in anderen tief grün, flächendec­kend liberal und sozialpoli­tisch sehr links.“Unangepass­t und mutig jedenfalls.

So erzählt auch seine Autobiogra­fie von 2014 von einem höchst abwechslun­gsreichen Leben, einem Leben, dessen öffentlich­e Wahrnehmun­g dem Titel des Buches voll gerecht wurde: „Von einem, der auszog, politisch zu werden“.

Anlässlich der schier endlosen Präsidente­nwahl in Österreich vor gut zwei Jahren sagte er einen Satz, der für sein Leben als stets wacher Geist, furchtlose­r Sprachmeis­ter und tiefsinnig­er Beobachter immer gegolten hatte: „Es lohnt sich, weiter seine Meinung zu sagen und manchmal auch zu brüllen.“Schneyders Leben war eine seltene Geschichte, nämlich die eines Meinungstr­ägers, der sich auch gegen Widerständ­e und Moden Gehör verschaffe­n konnte.

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BILD: SN/APA/DPA/ENDIG Werner Schneyder

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