E-Scooter sind überall im Anrollen
Seit Herbst boomt der Verleih von Elektrorollern in Wien. Jetzt starten Anbieter in Linz und nehmen auch Salzburg ins Visier.
In Wien prägen sie seit dem Herbst das Straßenbild. Längst hat man sich in der Hauptstadt an den Anblick von Elektrorollern gewöhnt, die kostengünstig zu mieten sind und mit denen Fahrer in der Innenstadt lautlos und erstaunlich schnell dahinflitzen. Und erstaunlich schnell haben diese neuen Verkehrsmittel einen festen Platz im Mobilitätsmix der Großstadt gefunden. Eine Bereicherung für viele, die freilich auch rechtliche Fragen und Probleme aufwirft.
Der Trend kommt aus Amerika, auch in Skandinavien und den Niederlanden sind immer mehr Leihscooter unterwegs. Die Zahl der Anbieter für die Leihgeräte wächst rasant: In Wien machten die USUnternehmen Bird und Lime im Herbst den Anfang, es folgten die deutschen Anbieter Tier und Wind.
Jetzt drängen die E-Scooter-Verleiher auch in andere Städte Österreichs. Am Freitag hat ein Anbieter in Linz gestartet: 100 Scooter stellte das Berliner Start-up Tier auf, an dem auch die österreichische Investmentfirma Speedinvest beteiligt ist. Werden sie von den Kunden angenommen, sollen es bald mehr Geräte werden. Der oberösterreichische Anbieter Arolla will am Montag den Testbetrieb in Linz starten, am Dienstag soll es in Wels losgehen, vorerst mit 30 Elektrorollern in beiden Städten. „Knapp 600 Scooter sind aber gerade auf dem Weg zu uns“, sagt Verena Weber von Arolla. Ab April will Arolla seinen Service auch in Wien anbieten. „Und danach auch in anderen Städten. Salzburg, Innsbruck, Graz und Vöcklabruck sind in der näheren Auswahl. Es gibt aber noch keine Entscheidung“, sagt Weber.
Tier ist da schon weiter: Derzeit werden per Stellenanzeigen „City Manager“in Salzburg, Linz und Innsbruck gesucht. Sie sollen den Scooterverleih in den drei Landeshauptstädten aufbauen. „Wir wollen nach Salzburg. Wir werden aber nicht ohne das Einverständnis der Stadt Scooter aufstellen“, sagt Daniel Fuchs-Bauer von Tier. Man habe dazu bereits Gespräche mit der Stadt geführt. Auch Vertreter des US-Verleihers Lime seien schon vorstellig geworden, bestätigt Verkehrsstadtrat Johann Padutsch. Drei weitere Anbieter hätten Interesse bekundet. „Einerseits ist es eine gute Alternative zum Autoverkehr. Andererseits steht schon jetzt kaum Platz zur Verfügung“, sagt Padutsch. Bis es die Scooter in Salzburg gibt, werde es noch dauern: Man müsse erst rechtliche Fragen klären – nach der Wahl.
Anders als Trendgeräte, bei denen eher der Spaßfaktor im Vordergrund steht, nehmen E-Scooter schon jetzt einen berechtigten Platz unter städtischen Verkehrsmitteln ein, sagt Experte Markus Gansterer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Vor allem für mittlere Distanzen sei der Einsatz sinnvoll.
In Wien nimmt der E-ScooterBoom jedenfalls kein Ende. Zu den vier bestehenden Verleihern sind weitere im Anrollen. Das deutsche Start-up Flash hat einen Testbetrieb mit 50 Rollern und das Akkreditierungsverfahren bei der Mobilitätsagentur gestartet. Auch Anbieter wie Hive und Voi (aus Schweden) haben ein Auge auf Wien geworfen, halten sich über einen Starttermin noch bedeckt. Gerüchteweise überlegt auch der Fahrtendienst Uber den Einstieg in dieses Segment.
Aktuell stehen in Wien mehr als 3000 Miet-E-Scooter zur Auswahl. Laut Wiener Mobilitätsagentur, die die Aktivitäten koordiniert, sind es je 1500 der beiden US-Anbieter Bird und Lime, 300 vom Berliner Anbieter Tier und rund 90 Wind-Scooter. Pro Anbieter sind maximal 1500 Roller möglich. Die Unternehmen müssen jedes Exemplar von den Behörden genehmigen und per Laser amtlich markieren lassen.
Das Konzept funktioniert immer sehr ähnlich: Man registriert sich mit einer Kreditkarte, lädt eine App auf sein Mobiltelefon und kann die Fahrzeuge gegen eine Grundgebühr (meist ein Euro) und einen Minutentarif (meist 15 Cent) benutzen. Die Roller erreichen eine Höchstgeschwindigkeit bis zu 25 km/h und können im Nutzungsgebiet stationslos abgestellt werden. Abends werden die Roller eingesammelt, so soll auch der Ärger über schlecht abgestellte Roller klein gehalten werden. Grundsätzlich ist das Abstellen der Roller auf dem Gehsteig erlaubt – sofern damit nicht Fußgänger behindert werden. Verboten ist das Abstellen auf historischen Plätzen sowie in Grünanlagen.
Die Städte freuen sich grundsätzlich über die neue, schnelle und umweltfreundliche Fortbewegungsmöglichkeit, die den lokalen Verkehrsmix ergänzt. Sie erfordern
„Wir wollen auch nach Salzburg, aber nicht ohne Einverständnis der Stadt.“
allerdings auch neue Regeln und Vorschriften. Die Stadt Wien etwa konkretisiert in einem Leitfaden die nötige Ausstattung – etwa hinsichtlich Bremsen, Reflektoren und Klingeln. „Die bisherigen Anbieter müssen ihre Geräte, wenn nötig, nun nachrüsten. Neue Anbieter müssen die Kriterien von Anfang an erfüllen“, sagt Kathrin Ivancsits von der Mobilitätsagentur.
Verwirrung gibt es über die rechtliche Einordnung der E-Tretroller. Das Verkehrsministerium stuft sie als „Kleinfahrzeug oder fahrzeugähnliches Kinderspielzeug“ein, damit bliebe ihr Einsatz auf Gehsteige beschränkt. Die Stadt Wien dagegen stellt E-Scooter rechtlich Fahrrädern gleich. Sie müssen also Radwege oder die Fahrbahn nutzen. Das widerspricht zwar der Straßenverkehrsordnung (StVO), ist aber laut Ministerium dennoch zulässig, weil der StVO-Vollzug Ländersache sei. Die Verwirrung soll bald ein Ende haben: Mit einer bevorstehenden Novelle zeichnet sich die Angleichung der StVO an die Wiener Realität ab. Bis Herbst könnte es eine Neuregelung geben, ist zu hören.
Auch VCÖ-Experte Gansterer hält die Gleichstellung der Scooter mit Fahrrädern für sinnvoll. Für ihn würde damit aber wohl der Ausbau bestehender Radwege erforderlich werden. Denn deren Kapazität stoße durch die Nutzung von Fahrrädern, Lastenrädern und E-Scootern längst an ihre Grenzen.