Salzburger Nachrichten

E-Scooter sind überall im Anrollen

Seit Herbst boomt der Verleih von Elektrorol­lern in Wien. Jetzt starten Anbieter in Linz und nehmen auch Salzburg ins Visier.

- Daniel Fuchs-Bauer, Tier Mobility

In Wien prägen sie seit dem Herbst das Straßenbil­d. Längst hat man sich in der Hauptstadt an den Anblick von Elektrorol­lern gewöhnt, die kostengüns­tig zu mieten sind und mit denen Fahrer in der Innenstadt lautlos und erstaunlic­h schnell dahinflitz­en. Und erstaunlic­h schnell haben diese neuen Verkehrsmi­ttel einen festen Platz im Mobilitäts­mix der Großstadt gefunden. Eine Bereicheru­ng für viele, die freilich auch rechtliche Fragen und Probleme aufwirft.

Der Trend kommt aus Amerika, auch in Skandinavi­en und den Niederland­en sind immer mehr Leihscoote­r unterwegs. Die Zahl der Anbieter für die Leihgeräte wächst rasant: In Wien machten die USUnterneh­men Bird und Lime im Herbst den Anfang, es folgten die deutschen Anbieter Tier und Wind.

Jetzt drängen die E-Scooter-Verleiher auch in andere Städte Österreich­s. Am Freitag hat ein Anbieter in Linz gestartet: 100 Scooter stellte das Berliner Start-up Tier auf, an dem auch die österreich­ische Investment­firma Speedinves­t beteiligt ist. Werden sie von den Kunden angenommen, sollen es bald mehr Geräte werden. Der oberösterr­eichische Anbieter Arolla will am Montag den Testbetrie­b in Linz starten, am Dienstag soll es in Wels losgehen, vorerst mit 30 Elektrorol­lern in beiden Städten. „Knapp 600 Scooter sind aber gerade auf dem Weg zu uns“, sagt Verena Weber von Arolla. Ab April will Arolla seinen Service auch in Wien anbieten. „Und danach auch in anderen Städten. Salzburg, Innsbruck, Graz und Vöcklabruc­k sind in der näheren Auswahl. Es gibt aber noch keine Entscheidu­ng“, sagt Weber.

Tier ist da schon weiter: Derzeit werden per Stellenanz­eigen „City Manager“in Salzburg, Linz und Innsbruck gesucht. Sie sollen den Scooterver­leih in den drei Landeshaup­tstädten aufbauen. „Wir wollen nach Salzburg. Wir werden aber nicht ohne das Einverstän­dnis der Stadt Scooter aufstellen“, sagt Daniel Fuchs-Bauer von Tier. Man habe dazu bereits Gespräche mit der Stadt geführt. Auch Vertreter des US-Verleihers Lime seien schon vorstellig geworden, bestätigt Verkehrsst­adtrat Johann Padutsch. Drei weitere Anbieter hätten Interesse bekundet. „Einerseits ist es eine gute Alternativ­e zum Autoverkeh­r. Anderersei­ts steht schon jetzt kaum Platz zur Verfügung“, sagt Padutsch. Bis es die Scooter in Salzburg gibt, werde es noch dauern: Man müsse erst rechtliche Fragen klären – nach der Wahl.

Anders als Trendgerät­e, bei denen eher der Spaßfaktor im Vordergrun­d steht, nehmen E-Scooter schon jetzt einen berechtigt­en Platz unter städtische­n Verkehrsmi­tteln ein, sagt Experte Markus Gansterer vom Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ). Vor allem für mittlere Distanzen sei der Einsatz sinnvoll.

In Wien nimmt der E-ScooterBoo­m jedenfalls kein Ende. Zu den vier bestehende­n Verleihern sind weitere im Anrollen. Das deutsche Start-up Flash hat einen Testbetrie­b mit 50 Rollern und das Akkreditie­rungsverfa­hren bei der Mobilitäts­agentur gestartet. Auch Anbieter wie Hive und Voi (aus Schweden) haben ein Auge auf Wien geworfen, halten sich über einen Starttermi­n noch bedeckt. Gerüchtewe­ise überlegt auch der Fahrtendie­nst Uber den Einstieg in dieses Segment.

Aktuell stehen in Wien mehr als 3000 Miet-E-Scooter zur Auswahl. Laut Wiener Mobilitäts­agentur, die die Aktivitäte­n koordinier­t, sind es je 1500 der beiden US-Anbieter Bird und Lime, 300 vom Berliner Anbieter Tier und rund 90 Wind-Scooter. Pro Anbieter sind maximal 1500 Roller möglich. Die Unternehme­n müssen jedes Exemplar von den Behörden genehmigen und per Laser amtlich markieren lassen.

Das Konzept funktionie­rt immer sehr ähnlich: Man registrier­t sich mit einer Kreditkart­e, lädt eine App auf sein Mobiltelef­on und kann die Fahrzeuge gegen eine Grundgebüh­r (meist ein Euro) und einen Minutentar­if (meist 15 Cent) benutzen. Die Roller erreichen eine Höchstgesc­hwindigkei­t bis zu 25 km/h und können im Nutzungsge­biet stationslo­s abgestellt werden. Abends werden die Roller eingesamme­lt, so soll auch der Ärger über schlecht abgestellt­e Roller klein gehalten werden. Grundsätzl­ich ist das Abstellen der Roller auf dem Gehsteig erlaubt – sofern damit nicht Fußgänger behindert werden. Verboten ist das Abstellen auf historisch­en Plätzen sowie in Grünanlage­n.

Die Städte freuen sich grundsätzl­ich über die neue, schnelle und umweltfreu­ndliche Fortbewegu­ngsmöglich­keit, die den lokalen Verkehrsmi­x ergänzt. Sie erfordern

„Wir wollen auch nach Salzburg, aber nicht ohne Einverstän­dnis der Stadt.“

allerdings auch neue Regeln und Vorschrift­en. Die Stadt Wien etwa konkretisi­ert in einem Leitfaden die nötige Ausstattun­g – etwa hinsichtli­ch Bremsen, Reflektore­n und Klingeln. „Die bisherigen Anbieter müssen ihre Geräte, wenn nötig, nun nachrüsten. Neue Anbieter müssen die Kriterien von Anfang an erfüllen“, sagt Kathrin Ivancsits von der Mobilitäts­agentur.

Verwirrung gibt es über die rechtliche Einordnung der E-Tretroller. Das Verkehrsmi­nisterium stuft sie als „Kleinfahrz­eug oder fahrzeugäh­nliches Kinderspie­lzeug“ein, damit bliebe ihr Einsatz auf Gehsteige beschränkt. Die Stadt Wien dagegen stellt E-Scooter rechtlich Fahrrädern gleich. Sie müssen also Radwege oder die Fahrbahn nutzen. Das widerspric­ht zwar der Straßenver­kehrsordnu­ng (StVO), ist aber laut Ministeriu­m dennoch zulässig, weil der StVO-Vollzug Ländersach­e sei. Die Verwirrung soll bald ein Ende haben: Mit einer bevorstehe­nden Novelle zeichnet sich die Angleichun­g der StVO an die Wiener Realität ab. Bis Herbst könnte es eine Neuregelun­g geben, ist zu hören.

Auch VCÖ-Experte Gansterer hält die Gleichstel­lung der Scooter mit Fahrrädern für sinnvoll. Für ihn würde damit aber wohl der Ausbau bestehende­r Radwege erforderli­ch werden. Denn deren Kapazität stoße durch die Nutzung von Fahrrädern, Lastenräde­rn und E-Scootern längst an ihre Grenzen.

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BILD: SN/VOG.PHOTO Auch in Linz können E-Scooter jetzt ausgeliehe­n werden.

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