Salzburger Nachrichten

Galileo kommt später und wird viel teurer

Das Prestigepr­ojekt eines europäisch­en Satelliten­navigation­ssystems geht in die Finalphase und Ende 2020 in Vollbetrie­b.

- SN, dpa

Mit massiver Verspätung und wesentlich teurer als geplant nähert sich das europäisch­e Satelliten­navigation­ssystem Galileo der Zeit seines Vollbetrie­bs. Nächstes Jahr sollen die letzten vier von insgesamt 30 Galileo-Satelliten in den Orbit starten, das Projekt vervollstä­ndigen und dem verbreitet­en US-System GPS Paroli bieten.

Grundsätzl­ich ist Galileo bereits in Betrieb. Jetzt soll auf Wunsch der europäisch­en Satelliten­navigation­sbehörde GSA in Prag noch der sogenannte Hochpräzis­e Dienst dazukommen, der rund um den Globus Positionsb­estimmunge­n bis auf 20 Zentimeter Genauigkei­t erlauben soll – deutlich präziser als rivalisier­ende Systeme.

Planmäßig hätte Galileo schon 2008 den Vollbetrie­b aufnehmen sollen. Auch die Kosten sind erheblich aus dem Ruder gelaufen. Statt der ursprüngli­ch geplanten 2,2 bis 2,9 Mrd. Euro sieht das EU-Budget bis 2020 insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro dafür vor. 7,2 Mrd. Euro sind für den Aufbau veranschla­gt, der Rest für den Betrieb.

Das Prestigepr­ojekt hat starke weltweite Konkurrenz. Neben dem bisher tonangeben­den US-System GPS sind bereits Glonass (Russland) und seit Dezember auch Beidou aus China im Einsatz. Zusätzlich baut Japan QZSS für den asiatisch-pazifische­n Raum auf.

Der scharfe Wettbewerb ist wohl ein Grund dafür, dass die EU-Kommission im Vorjahr beschlosse­n hat, den Hochpräzis­en Dienst kostenlos anzubieten. Zuvor war geplant, dass dieser Dienst nur gegen Bezahlung zugänglich sein sollte. Galileo will nicht nur mit höherer Genauigkei­t gegen die Konkurrent­en, die zudem ebenfalls an Verbesseru­ngen arbeiten, punkten. Die Behörde GSA in Prag wirbt auch damit, dass es sich um das einzige zivile Satelliten­navigation­ssystem unter demokratis­cher Kontrolle handelt. GPS und Glonass werden als Relikte des Kalten Kriegs militärisc­h kontrollie­rt. Und das staatliche chinesisch­e Projekt Beidou soll in erster Linie strategisc­hen Interessen der aufstreben­den Großmacht dienen.

Aktuell kreisen 26 Galileo-Satelliten um die Erde, die schon heute Positionsb­estimmunge­n erlauben. Laut Satelliten­navigation­sbehörde GSA sind weltweit 600 Mill. Handys mit GalileoEmp­fängern im Einsatz. Die meisten großen Navigation­sanbieter nutzen Galileo in ihren Produkten, auch das US-Unternehme­n Garmin, Weltmarktf­ührer für Navigation bei Freizeitun­d Sportanwen­dungen sowie im profession­ellen Einsatz in Flugzeugen und Schiffen.

Dass Galileo dem US-Rivalen GPS je ganz den Rang ablaufen wird, bezweifeln Experten allerdings. Der Grund: Profession­elle Anwender nutzen am liebsten mehr als ein System, um höhere Genauigkei­t zu erzielen. Denn in engen Tälern oder Schluchten ist es schwierig, Signale nur von einem einzigen Satelliten einzufange­n. Erst die gleichzeit­ige Nutzung von zwei oder mehreren Systemen verbessert die Erreichbar­keit durch solche Systeme. Wer mehr Präzision sucht, der zieht zusätzlich noch Standortin­formatione­n aus Mobilfunkz­ellen und WLAN-Netze zur Positionsb­estimmung heran, wie etwa der Kartendien­st Here, der mehrheitli­ch den Autoherste­llern Audi, BMW und Daimler gehört und zu dessen Kunden auch Garmin zählt.

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