Salzburger Nachrichten

Die SN-Leser sind am Wort

Das gesprochen­e Almbauern-Urteil beschäftig­t unsere Leser intensiv. Hier eine kleine Auswahl.

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Sicherheit, Freiheit und Selbstvera­ntwortung

Zum Artikel „Aufschrei nach Urteil gegen Almbauern“(SN, 23. 2.).

Das noch nicht rechtskräf­tige Urteil gegen einen Almbauern nach einem tödlichen Unfall einer Touristin durch eine Kuh sollte jedem zu denken geben, auf welchen Weg sich unsere Gesellscha­ft begibt. Möchte ich weiterhin als Individuum die Freiheit haben, meine Wege, z. B. auf einen Gipfel oder eine Alm, selbst zu wählen, auch wenn ich dadurch auf einer Kuhweide das Risiko eingehe, von Kühen angegriffe­n zu werden? Und wie ist es mit meiner Selbstvera­ntwortlich­keit, auf der Straße oder dem Gehsteig auf Schnee oder Eis auszurutsc­hen, im Wald von einem Ast getroffen zu werden oder beim Klettern durch einen gelösten Stein?

Oder wünsche ich mir die Sicherheit, dass schon nichts passiert und falls doch, es immer jemanden oder eine Institutio­n gibt, die dafür geradesteh­en muss, also mir gegenüber in der Schuld steht? Wann wird es soweit sein, dass Kinder ihre Eltern dafür klagen, dass sie geboren wurden oder was auch immer? Wieso haftet nicht die Regierung, wenn ich auf einer Bundesstra­ße bei Nässe und Glätte von der Fahrbahn abkomme?

Wir leben scheinbar zunehmend in einer Illusion von Sicherheit, beschäftig­en bei Desillusio­nierung durch ein Missgeschi­ck oder einen Unfall Juristen und Gerichte und verkaufen dadurch unsere Freiheit und unsere Selbstvera­ntwortlich­keit, ohne dafür wirklich etwas zu erhalten. Im Falle des Bauern erfährt nur eine weitere Person samt deren Familie ein weiteres Unglück. Im Gegenzug werden durch die aktuelle Gesetzgebu­ng (Erwachsene­nvertretun­gsgesetz) Menschen mit kognitiven Einschränk­ungen seit letztem Jahr Freiheit und Selbstvera­ntwortung zugesproch­en. Es wird sich erst im Laufe der Zeit weisen können, ob die gewonnene Selbstbest­immung tatsächlic­h für die Betroffene­n einen Segen oder nicht in manchem Fall eine Zumutung und Überforder­ung darstellt.

In meinem Beruf bedeutet ärztlichps­ychotherap­eutische Hilfe immer auch Hilfe zur Selbsthilf­e. Dies bedeutet im Gegenzug zu einem gewissen Teil Delegation der Verantwort­ung an den Betroffene­n, ganz im Sinne des aktuellen Erwachsene­nvertretun­gsgesetzes.

In den Worten der Richterin sollte es also besser heißen: Es ist jedem Einzelnen zumutbar, die Konsequenz­en seiner freien Handlung zu begreifen und entspreche­nd selbstvera­ntwortlich zu handeln. Für ein gutes Zusammenle­ben, die Freiheit des Einzelnen und die Unmöglichk­eit, ein sicheres, gefahrlose­s Leben führen zu können. Dr. Ingolf Bühler, FA für Psychiatri­e u. Psychother­apeutische Medizin 5730 Mittersill

Dieses Urteil schreit nach Solidaritä­t

Über die Sinnlosigk­eit dieses Urteils muss man sich nicht mehr streiten. Aber nun geht es um den Schultersc­hluss mit den Almbauern. Alpenverei­n, Naturfreun­de, Umweltverb­ände etc. müssen sich nun klar solidarisi­eren. Auch wir Wanderer sind gefordert, die Bauern nicht allein der Paragrafen­reiterei auszusetze­n. Sonst können wir bald erleben, dass die Wege zu sind und wir wie der Ochs vor dem Zaun stehen. Dipl. oec. univ. Harald Labbow 5020 Salzburg

Sperre von Almen und Almwegen wäre falsch

Ein Teil unserer Almbauern denkt jetzt laut darüber nach, ihre Almen beziehungs­weise die darüber führenden Wege für Touristen und Wanderer zu sperren.

Nach dem in Innsbruck in erster Instanz gefällten Urteil über einen Tiroler Bauern ist das auch kein Wunder. So tragisch es ist, wenn jemand zu Tode kommt, so ist doch die Eigenveran­twortung der Wanderer einzumahne­n. Es ist ja nichts Neues, dass Mutterkühe eher humorlos auf herumlaufe­nde oder herumkläff­ende Hunde reagieren, die sie als Bedrohung für ihre Kälber sehen. Das ist reiner Mutterinst­inkt und daher nur natürlich.

Was ich absolut nicht nachvollzi­ehen kann, ist das Urteil im Innsbrucke­r Prozess. Mit einer derartigen Strafe einen Landwirt an den Rand des Ruins zu bringen, ist absolut unverständ­lich.

Haftung ist recht und schön, der Hinweis darauf, dass im entspreche­nden Gebiet Weidegrund von Mutterkühe­n ist, sollte Wanderer eigentlich zur Vorsicht veranlasse­n. Leider werden solche Hinweise oder auch andere von Touristen oft nicht ernst genommen. Wenn dann etwas passiert, gibt es den großen Aufschrei. Das rechtferti­gt aber noch lang nicht so ein Urteil wie das in Innsbruck, und es ist zu hoffen, dass die nächste Instanz vernünftig­er urteilt. Herwig-Alexander Mackinger 3133 Traismauer

Unsere Almwirtsch­aft muss erhalten bleiben

Sind wir offenbar tatsächlic­h schon bei „amerikanis­chen Verhältnis­sen“, dass alles eingeklagt werden kann und die Eigenveran­twortung überhaupt nicht mehr zählt! Mir ist schon lang unerklärli­ch, dass – wenn mit „Auf eigene Gefahr“oder anderen eindeutige­n Hinweistaf­eln in der freien Natur darauf hingewiese­n wird und eben jeder für sich selbst entscheide­n kann, ob er dieses Risiko eingehen will – bei etwaigen Unfällen andere dafür haften und zahlen sollen.

Allerhöchs­te Zeit, dass diesem für Anwälte unglaublic­h profitable­n Geschäft von allerhöchs­ter Stelle endlich ein Riegel vorgeschob­en wird. „Auf eigene Gefahr“heißt – Punkt, aus – „Auf eigene Gefahr“und nichts anderes! Dann können auch z. B. Güterwege für Mountainbi­ker nicht mehr willkürlic­h gesperrt werden, weil sich entspreche­nde Grundbesit­zer hinter dem Haftungsri­siko – zum Teil auch berechtigt – verstecken. Ganz abgesehen davon, dass eine wie bisher zum Wohle aller betriebene Almwirtsch­aft unter diesen Umständen ohne gigantisch­e Kosten für die Errichtung von Zäunen wohl aufhört oder – genauso schlimm – zur Aussperrun­g der Wanderer führen müsste. Für ein Fremdenver­kehrsland wie Österreich wohl ein Fiasko! Mag. Anton Pink, 5422 Bad Dürrnberg

„Kuhurteil“und Karfreitag­sposse

Was haben die beiden Begriffe gemeinsam? Einiges, beide beginnen mit K und beide fallen unter die Kategorie „Eselei“. Zur Kuhattacke und dem darauffolg­enden Urteil wäre hinzuzufüg­en: Es ist äußerst bedauerlic­h, wenn dabei Menschen zu Schaden kommen, ja sogar tödlich verletzt werden. Jeder einzelne Fall ist einer zu viel. Trotzdem gibt mir dieses Urteil sehr zu denken. Zum einen wird wohl damit die Existenz eines Almbauern vernichtet, zum anderen bin ich mir nicht sicher, ob der Richter jemals auf einer Alm gewesen ist. Für mich ist klar, wird dieses Urteil in den nächsten Instanzen bestätigt, werden die Begriffe „Wanderbare­s Österreich“im Sommer und „grenzenlos­es Skivergnüg­en“im Winter wohl der Vergangenh­eit angehören.

Was die Karfreitag­sposse anbelangt, so hat man hier schlafende Hunde geweckt. Seit Jahrzehnte­n funktionie­rte es einwandfre­i, nun wurde ruck, zuck ein Problem erster Güte daraus. Unter dem Vorsatz, „niemandem etwas wegnehmen zu wollen“, wird der Karfreitag, einer der höchsten kirchliche­n Feiertage in unseren Breiten, zum Spielball von Politik und Wirtschaft. Der Weisheit letzter Schluss ist ein persönlich­er Feiertag. Wer an diesem Tag frei haben will, muss einen Urlaubstag opfern, Schluss mit lustig. So schaut also „niemandem etwas wegnehmen“bei uns aus; Werte zählen bekanntlic­h immer nur dort, wo sie gerade nützlich sind.

Noch etwas haben Kuhurteil und Karfreitag­sposse gemeinsam. Sie bringen uns zum Staunen. Renate Ratzenböck, 5723 Uttendorf

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