Lernhilfe für Hunderte Schüler steht auf der Kippe
Das Außen- und Integrations-Ministerium hat die Förderung überraschend eingestellt. Unter anderem, weil auch asylsuchende Kinder davon profitieren könnten.
SALZBURG. Gabriele Rechberger steht vor einer schwierigen Entscheidung: An welcher Schule soll sie die einschneidendsten Kürzungen durchführen? „Fakt ist: Wir müssen unsere LernhilfeStunden an allen 26 Schulstandorten, an denen wir sie anbieten, zurückfahren, und zwar drastisch“, sagt sie. Rechberger ist Geschäftsführerin vom Verein Viele, der seit 27 Jahren Lernhilfe für Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien mit und ohne Migrationshintergrund anbietet. Nun gibt es Schulen, die statt bisher 20 Wochenstunden Lernhilfe ab sofort nur mehr vier Wochenstunden erhalten. Andere müssen mit nur mehr zwei Wochenstunden auskommen.
Der Grund: Es fehlen rund 100.000 Euro. Das sind 65 Prozent des Budgets für das Lernhilfe-Projekt. Das finanzielle Loch hat den Verein überraschend getroffen. Seit 2012 förderte das Außenministerium das Projekt. 2017 waren es 108.500 Euro, im Vorjahr 92.250 Euro. Heuer informierte das Außenministerium den Verein Viele in der zweiten Jännerhälfte über die Einstellung der Förderung. Damit gibt es rückwirkend ab Jänner 2019 kein Geld. Begründet wurde dies auf telefonische Nachfrage des Vereins unter anderem damit, dass das Projekt zu wenig „plakativ“sei. Außerdem könne nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden, dass auch Kinder, die in einem laufenden Asylverfahren stehen, von der Lernhilfe profitieren könnten. Denn das wäre mit den Richtlinien der Integrationsförderung nicht vereinbar. Das bestätigt auch das Außenministerium auf SN-Nachfrage. Die Zielgruppe der Förderung seien Asylberechtigte und Drittstaatsangehörige mit dauerhaftem Aufenthalt – und das könne vom Verein Viele nicht dargelegt werden.
„Das ist wirklich lächerlich“, findet Rechberger. Zum einen, weil schulpflichtige Kinder in laufenden Asylverfahren ohnehin in Integrationsklassen aufgefangen würden und nicht bei der vom Verein Viele angebotenen Lernhilfe, und zum anderen, weil es mit Stadt und Land weitere Fördergeber gebe, die kein solches Ausschlusskriterium hätten.
Keine Kürzungen stehen bei den Förderungen von Stadt (33.000 Euro) und Land Salzburg (40.000 Euro) im Raum. Doch damit kann Gabriele Rechberger statt bisher 196 Wochenstunden Lernhilfe – die für die Schüler übrigens kostenlos ist – nur mehr 77 Wochenstunden finanzieren. „Zu wenig für eine funktionierende Unterstützung der Schüler“, sagt sie. Und: Sie muss auch einem Teil der 70 vom Verein Viele angestellten Pädagogen kündigen.
Die größten Verlierer sind aber die Kinder. „Sie verlieren von heute auf morgen qualifizierte Pädagogen, die ihnen bei der Hausübung helfen, mit ihnen für Schularbeiten lernen oder beim Vorbereiten von Referaten unterstützend zur Seite stehen“, sagte eine mit der Leitung einer betroffenen Schule betraute Person. Damit falle eine wertvolle Unterstützung für den Regelunterricht weg. Die SN haben bei Bildungsdirektor Rudolf Mair mehrfach um eine Stellungnahme zu den drastischen Kürzungen ersucht – vergeblich. Mair schweigt.
Bei der Lernhilfe gehe es um weit mehr als ums Deutschlernen, betont Gabriele Rechberger. In Gruppen mit maximal zehn Kindern werden Lerntechniken, Selbstorganisation und Frustrationsbewältigung trainiert, Nachhilfe in Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch in Mathematik, Englisch oder naturwissenschaftlichen Fächern gegeben. „2016 wurde auch Deutsch als
„Mir tut das Herz weh, aber ich kann es nicht ändern.“
Fremdsprache oder als Zweitsprache mit aufgenommen, aber das ist nicht das Hauptthema“, sagt Rechberger.
Aus Datenschutzgründen dürften nicht Teilnehmer, sondern nur Teilnahmen gezählt werden. Pro Monat kommt die Lernhilfe des Verein Viele auf 2345 bis 3457 Teilnahmen. Darunter sind Kinder, die mehrmals wöchentlich die Lernhilfe besuchen. Die Dauer der Teilnahme variiert stark, manche Kinder sind nach sechs Wochen so weit, dass sie problemlos zurechtkommen, andere bleiben ein oder zwei Semester, wieder andere die gesamte Volksschulzeit.
Rechberger will nun private Sponsoren für die Lernhilfe suchen. „Mit 3500 Euro sichert man ein 100-Stunden-Paket. Das Geld geht zur Gänze in die Lernhilfe, die Kosten für die Verwaltung übernehme ich“, sagt Rechberger. Neben 18 Volks- und Neuen Mittelschulen in der Stadt Salzburg ist die Verein-Viele-Lernhilfe an acht weiteren Schulen in Grödig, Golling, Hallein, Oberndorf und Henndorf aktiv.