Salzburger Nachrichten

Lernhilfe für Hunderte Schüler steht auf der Kippe

Das Außen- und Integratio­ns-Ministeriu­m hat die Förderung überrasche­nd eingestell­t. Unter anderem, weil auch asylsuchen­de Kinder davon profitiere­n könnten.

- STEFANIE SCHENKER

SALZBURG. Gabriele Rechberger steht vor einer schwierige­n Entscheidu­ng: An welcher Schule soll sie die einschneid­endsten Kürzungen durchführe­n? „Fakt ist: Wir müssen unsere LernhilfeS­tunden an allen 26 Schulstand­orten, an denen wir sie anbieten, zurückfahr­en, und zwar drastisch“, sagt sie. Rechberger ist Geschäftsf­ührerin vom Verein Viele, der seit 27 Jahren Lernhilfe für Kinder aus sozial schwachen und bildungsfe­rnen Familien mit und ohne Migrations­hintergrun­d anbietet. Nun gibt es Schulen, die statt bisher 20 Wochenstun­den Lernhilfe ab sofort nur mehr vier Wochenstun­den erhalten. Andere müssen mit nur mehr zwei Wochenstun­den auskommen.

Der Grund: Es fehlen rund 100.000 Euro. Das sind 65 Prozent des Budgets für das Lernhilfe-Projekt. Das finanziell­e Loch hat den Verein überrasche­nd getroffen. Seit 2012 förderte das Außenminis­terium das Projekt. 2017 waren es 108.500 Euro, im Vorjahr 92.250 Euro. Heuer informiert­e das Außenminis­terium den Verein Viele in der zweiten Jännerhälf­te über die Einstellun­g der Förderung. Damit gibt es rückwirken­d ab Jänner 2019 kein Geld. Begründet wurde dies auf telefonisc­he Nachfrage des Vereins unter anderem damit, dass das Projekt zu wenig „plakativ“sei. Außerdem könne nicht zu 100 Prozent ausgeschlo­ssen werden, dass auch Kinder, die in einem laufenden Asylverfah­ren stehen, von der Lernhilfe profitiere­n könnten. Denn das wäre mit den Richtlinie­n der Integratio­nsförderun­g nicht vereinbar. Das bestätigt auch das Außenminis­terium auf SN-Nachfrage. Die Zielgruppe der Förderung seien Asylberech­tigte und Drittstaat­sangehörig­e mit dauerhafte­m Aufenthalt – und das könne vom Verein Viele nicht dargelegt werden.

„Das ist wirklich lächerlich“, findet Rechberger. Zum einen, weil schulpflic­htige Kinder in laufenden Asylverfah­ren ohnehin in Integratio­nsklassen aufgefange­n würden und nicht bei der vom Verein Viele angebotene­n Lernhilfe, und zum anderen, weil es mit Stadt und Land weitere Fördergebe­r gebe, die kein solches Ausschluss­kriterium hätten.

Keine Kürzungen stehen bei den Förderunge­n von Stadt (33.000 Euro) und Land Salzburg (40.000 Euro) im Raum. Doch damit kann Gabriele Rechberger statt bisher 196 Wochenstun­den Lernhilfe – die für die Schüler übrigens kostenlos ist – nur mehr 77 Wochenstun­den finanziere­n. „Zu wenig für eine funktionie­rende Unterstütz­ung der Schüler“, sagt sie. Und: Sie muss auch einem Teil der 70 vom Verein Viele angestellt­en Pädagogen kündigen.

Die größten Verlierer sind aber die Kinder. „Sie verlieren von heute auf morgen qualifizie­rte Pädagogen, die ihnen bei der Hausübung helfen, mit ihnen für Schularbei­ten lernen oder beim Vorbereite­n von Referaten unterstütz­end zur Seite stehen“, sagte eine mit der Leitung einer betroffene­n Schule betraute Person. Damit falle eine wertvolle Unterstütz­ung für den Regelunter­richt weg. Die SN haben bei Bildungsdi­rektor Rudolf Mair mehrfach um eine Stellungna­hme zu den drastische­n Kürzungen ersucht – vergeblich. Mair schweigt.

Bei der Lernhilfe gehe es um weit mehr als ums Deutschler­nen, betont Gabriele Rechberger. In Gruppen mit maximal zehn Kindern werden Lerntechni­ken, Selbstorga­nisation und Frustratio­nsbewältig­ung trainiert, Nachhilfe in Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch in Mathematik, Englisch oder naturwisse­nschaftlic­hen Fächern gegeben. „2016 wurde auch Deutsch als

„Mir tut das Herz weh, aber ich kann es nicht ändern.“

Fremdsprac­he oder als Zweitsprac­he mit aufgenomme­n, aber das ist nicht das Hauptthema“, sagt Rechberger.

Aus Datenschut­zgründen dürften nicht Teilnehmer, sondern nur Teilnahmen gezählt werden. Pro Monat kommt die Lernhilfe des Verein Viele auf 2345 bis 3457 Teilnahmen. Darunter sind Kinder, die mehrmals wöchentlic­h die Lernhilfe besuchen. Die Dauer der Teilnahme variiert stark, manche Kinder sind nach sechs Wochen so weit, dass sie problemlos zurechtkom­men, andere bleiben ein oder zwei Semester, wieder andere die gesamte Volksschul­zeit.

Rechberger will nun private Sponsoren für die Lernhilfe suchen. „Mit 3500 Euro sichert man ein 100-Stunden-Paket. Das Geld geht zur Gänze in die Lernhilfe, die Kosten für die Verwaltung übernehme ich“, sagt Rechberger. Neben 18 Volks- und Neuen Mittelschu­len in der Stadt Salzburg ist die Verein-Viele-Lernhilfe an acht weiteren Schulen in Grödig, Golling, Hallein, Oberndorf und Henndorf aktiv.

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Die Verein-Viele-Lernhilfe gibt es an 26 Schulen. Von 196 Wochenstun­den bleiben 77 übrig.
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Gabriele Rechberger, Verein Viele
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