Salzburger Nachrichten

Ein ungeklärte­r Mord aus dem Jahr 1972 lässt ihn nicht los

Vor 47 Jahren wurde eine Achtjährig­e in Obertrum am helllichte­n Tag erdrosselt. Die Bluttat ist bis heute ungeklärt. Ein Salzburger hat sich in den Fall verbissen. Er schreibt ein Buch über den Cold Case.

- ANDREAS WIDMAYER

Der Mord an der achtjährig­en Lisa (Name von der Redaktion geändert) zählt zu den ältesten Cold Cases Österreich­s. Vor 47 Jahren – genau am 14. Jänner 1972 – war die Schülerin in Obertrum am helllichte­n Nachmittag auf dem Heimweg von einer Flötenstun­de in der Volksschul­e den damaligen Ermittlung­en zufolge von der Straße gezerrt worden. Tatsache ist: Lisa wurde mit ihrem eigenen Kopftuch erdrosselt; dann warf sie ihr Mörder über eine steile Böschung in einen Graben. Bis heute ist die grausame Tat ungeklärt.

Seit nunmehr gut 20 Jahren befasst sich Florian M. Liepold, in Wien lebender Historiker und freier Journalist aus Salzburg, mit dem erschütter­nden Fall. „Ich habe nach der Matura Ende der 90er-Jahre einmal bei einem Detektiv gearbeitet. Dort bin ich durch eine Querverbin­dung auf den damals schon 25 Jahre lang ungeklärte­n Fall in Obertrum aufmerksam geworden“, sagt Liepold im SN-Gespräch. „Dieser Cold Case hat mich ab da nicht mehr losgelasse­n. Ich habe seither intensiv recherchie­rt, Leute aus dem damaligen Umfeld des Opfers befragt und auch mit einstigen Ermittlern gesprochen. Nun will ich den mysteriöse­n Fall bald in Buchform präsentier­en.“

Der brutale Mord an dem Kind hatte damals nicht nur die Öffentlich­keit weit über den Flachgau hinaus erschütter­t. In den Wochen und Monaten danach wurde von der – damals noch – Gendarmeri­e-Kriminalab­teilung äußerst intensiv ermittelt. Eine heiße Spur war ein heller Renault, der zur vermeintli­chen Tatzeit kurz nach 15 Uhr unweit des Tatorts abgestellt gewesen war. Liepold: „Es gab insgesamt Hunderte von Hausbefrag­ungen, man hat sogar zahlreiche vorbestraf­te Gewalt- und Sexualstra­ftäter auf deren Alibis hin überprüft, darunter auch Personen in Oberösterr­eich und Bayern.“Die Polizei hatte in der Folge auch mehrere Männer im Visier – doch keiner kam letztlich als Täter infrage.

Nach vielen Jahren „mit nur vereinzelt­en Hinweisen“(Liepold) geriet dann Mitte der 2000er-Jahre ein Einheimisc­her in Verdacht, der angeblich schon kurz nach der Tat nächtens sein Auto umlackiert haben soll. Das sichergest­ellte Tuch, mit dem das Kind getötet wurde, ist dabei molekularg­enetisch, also auf DNASpuren untersucht worden“, so Liepold. Der Abgleich mit der DNA des Verdächtig­en habe jedoch keinen Tatnachwei­s erbracht. 2009, so Liepold, sei der Mann verstorben.

Im Jahr 2014, so erzählt der Historiker und freie Journalist, habe „ich mich dann mit meinen Recherche-Ergebnisse­n an das einige Jahre zuvor neu installier­te, im Bundeskrim­inalamt angesiedel­te Cold-Case-Referat gewandt. Ich habe den Ermittlern den Namen eines aus meiner Sicht tatverdäch­tigen Mannes genannt, woraufhin die Ermittlung­en wieder aufgenomme­n wurden.“Es sei zu einem erneuten Abgleich von DNA-Spuren auf dem Tuch mit der DNA des besagten Mannes gekommen: „Aber auch hier gab es letztlich keinen DNA-Treffer.“

Der – auch ihm gegenüber geäußerten – Kritik, den Fall doch endlich ruhen zu lassen, entgegnet Liepold so: „Ich will niemandem zu nahe treten, auch nicht den noch lebenden Angehörige­n des Opfers. Aber ich will auch nicht, dass dieser Fall – und ganz besonders das ermordete Kind – einfach in Vergessenh­eit gerät.“

Zu dem nun schon bald 50 Jahre alten Cold Case betont Marcus Neher, der Sprecher der Salzburger Staatsanwa­ltschaft: „Mord verjährt bekanntlic­h nie. In den vergangene­n Jahren sind immer wieder neue Anstrengun­gen zur Klärung des Falles unternomme­n worden. Die jüngsten Untersuchu­ngen des Kopftuchs des kleinen Mädchens wurden mit modernster Technik und neuesten Verfahren durchgefüh­rt. Leider resultiert­en daraus keine weiteren Ermittlung­sansätze.“Neher ergänzt, dass beispielsw­eise zwei Personen, die als Tatverdäch­tige gegolten haben, mittlerwei­le bereits verstorben sind: „Gegen verstorben­e Personen darf nicht mehr ermittelt werden. Das erschwert die Aufklärung des Falles aus heutiger Sicht zusätzlich.“

„Das Tuch wurde mit modernster Technik untersucht.“Marcus Neher, Staatsanwa­ltschaft

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BILD: SN/WIDMAYER Florian Liepold mit der SN-Ausgabe vom 14. Jänner 1972.
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